HÖHENDOMINANTEN IM STADTBILD H. im Stadtbild sind Bestandteil der Berliner Stadtentwicklung. Seit der Stadtgründung und frühen Stadtentwicklung wurde die bebaute Stadtgebietsfläche, die 35 bis 60 m über dem Meeresspiegel liegt, von einigen Gebäuden erheblich überragt. Über die Höhen der Bauten im ältesten Berlin ist wenig bekannt. Wie in allen mittelalterlichen Städten bildeten die Märkte den Ausgangspunkt erster dominierender Gebäude der Stadt und besaßen die Kirchen mit ihren Türmen die Höhendominanz. In Berlin haben zwei Kirchen deutlich den allgemeinen Höhenpegel der Gebäude von etwa 15 bis 20 m überragt: die Nikolaikirche am Alten Markt und die Marienkirche am Neuen Markt. Demgegenüber spielten die Petrikirche in Cölln und die Kirchen des Franziskaner- und Dominikanerklosters, die Heilig-Geist-Kapelle sowie die Rathäuser beider Teilstädte keine "überragende" Rolle im Höhenprofil der mittelalterlichen Doppelstadt. Mit Beginn der Hohenzollernherrschaft entstanden neue Bauten, die Einfluß auf die Stadtsilhouette erlangten. Die Ältesten Stadtansichten von Berlin/Cölln lassen noch wenig Aussagen über die höchsten Gebäude der Stadt im ausgehenden Mittelalter zu. Erst der Memhardt-Plan, ältester bekannter Stadtplan von Berlin/Cölln und vor allem die Stadtansicht von C. Merian sowie die großartige perspektivische Stadtansicht des Schultz-Planes vermitteln ein detaillierteres Bild vom Höhenprofil der Doppelstadt Mitte bzw. Ende des 17. Jh. Deutlich ist im Bereich des Schlosses der alte, 1572 auf dem Fundament eines Eckturmes der Schloßanlage gebaute Wasserturm, auch Wasserkunst genannt, zu erkennen, der seit dem 17. Jh. auch die kurfürstliche Münzwerkstatt beherbergte und der mit seiner (geschätzten) Höhe von etwa 63 m an die Seite der Türme von St. Nikolai und St. Marien trat. Nun erstrebte das junge preußische Königtum die Brechung des architektonischen Höhenrekords von Berlin. Andreas Schlüter (1659-1714) wurde 1701 beauftragt, an die Stelle des alten Münzturmes einen neuen, etwa 91 m hohen Turm zu setzen (Schloß). Der Bau wurde zum Fiasko, da das Fundament auf dem schwierigen Baugrund nicht genügend stabil war, so daß der Turm trotz mehrfacher Korrekturen 1706 abgebrochen werden mußte. Unter König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, Kg. ab 1713) wurde versucht, den Höhenrekord Berlins durch den Turmbau der Cöllner Petrikirche zu brechen. Nach Zerstörung des 108 m hohen Petriturmes durch Blitzschlag (1730) befahl der König, einen noch höheren Turm zu bauen, "womöglich noch höher" als der Turm des Straßburger Münsters (142 m). Aber auch dieser Turm stürzte 1734 noch während des Baus ein (vgl. Textkasten unten). Erst als die Petrikirche 1846-1850 nach dem Entwurf von Johann Heinrich Strack (1805-1880) neu erbaut wurde, wurde der Petriturm mit 96 m zum (vorläufig) höchsten Turm Berlins. Danach gelangte der Schloßbereich wieder ins Zentrum des Höhenstrebens, und zwar durch die langwierigen Pläne zum Neubau eines Domes. 1747 war die gesamte alte Domkirche abgerissen und der Neubau einer Zentralkirche an alter Stelle erwogen worden. Aber erst fünfzig Jahre später entstand unter dem Einfluß Friedrichs II. (1712-1786, Kg. ab 1740) und nach dem Entwurf von Johann Boumann d.Ä. (1706-1776) von 1747-1750 in der unmittelbaren Nähe des Schlosses, im Bereich des heutigen Domes, ein spätbarocker Domneubau. Mit seinen nur 55 m Höhe konnte der neue Dom ebensowenig mit den höchsten Kirchtürmen Berlins konkurrieren wie die von 1780-1785 von Gontard (1731-1791) erbauten Türme am Gendarmenmarkt mit ihren 71 m Kuppelhöhe. Unter den Königen Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, Kg. ab 1797), Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, Kg. ab 1840) und deren Baumeister Friedrich Karl Schinkel (1781-1841) erfuhr das bauliche Höhenstreben neue Impulse. Nach Plänen zum Bau einer noch prächtigeren Kathedrale mit einem Turm von etwa 110 m Höhe am Spittelmarkt bzw. "Achteck" am Potsdamer Tor rückten erneut Schloß- und Lustgartenbereich ins Zentrum baulichen Höhenstrebens. Nachdem zunächst 1820/21 Schinkel die klassizistische Umgestaltung des inzwischen 70 Jahre alten Domes vorgenommen hatte, nahmen die Pläne zu einem abermaligen Domneubau immer mehr Gestalt an; einer der Entwürfe aus dem Jahre 1840 von Friedrich Wilhelm Ludwig Stier (1799-1856), Lehrer am Gewerbeinstitut und später an der Bauakademie, war sogar auf 445 Fuß (144 m) Höhe angelegt. Nachdem neben dem alten Dom mit den Arbeiten an den Grundmauern für einen Neubau begonnen worden war, stoppte die Revolution von 1848 das Bauvorhaben. Auch spätere Entwürfe (F.A. Stüler [1800-1865] in den Jahren 1854-1858) blieben unverwirklicht. Demgegenüber kamen die Bestrebungen der Berliner Bürgerschaft mit dem Bau des Roten Rathauses zum Tragen: Hermann Friedrich Waesemann (1813-1879) baute 1861-1869 einen 74 m hohen Rathausturm auf quadratischem Grundriß. Dieses dominante "bürgerliche Symbol" mit seiner Gesamtgebäudehöhe von 97 m war für die Hohenzollernmonarchie ein Antrieb mehr, ihren Wettlauf um den Berliner Höhenrekord zu verstärken, zumal auch die Nikolaikirche nach der Umgestaltung 1885 einen zweiten 70 m hohen Turm erhalten hatte. Nachdem 1845-1852 von F.A. Stüler eine Kuppel über einer neuen Schloßkapelle (Höhe: 71 m einschließlich Laterne) errichtet wurde, nahm das Projekt eines Domneubaus neben dem Schloß abermals Gestalt an. 1867 ließ König Wilhelm I. (1797-1888, Kg. ab 1861, Kaiser ab 1871) einen Wettbewerb ausschreiben. Unter den eingereichten Entwürfen für einen Dank- und Siegesdom befand sich auch ein Vorschlag, einen etwa 175 m hohen Dom zu bauen, womit der Kölner Dom sogar um zehn Meter übertroffen worden wäre. Kaiser Wilhelm II. (1859-1941, Ks. 1888-1918) berief Julius C. Raschdorff (1823-1914) zum neuen Dombaumeister. 1894-1905 wurde - nach Abriß des alten Domes - der neue erbaut, dessen Kuppel mit 114 m einen Meter höher war als der Hauptturm der 1895 fertiggestellten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche (deren zwei Westtürme waren je 54 m und die zwei Osttürme je 62 m hoch). Damit erreichte der Dom nicht nur den Höhenrekord für Berlin, sondern wurde zur unbestritten zentralen Höhendominante im Zentrum Berlins. Auch in der Weimarer Republik waren die neuen Eliten bemüht, die Macht ihres bürgerlichen Reichtums in den Ausmaßen ihrer "Tempel des Geldes", Bürohochhäuser, Volkshäuser und Wolkenkratzer zum Ausdruck zu bringen und so den wilhelminischen Prachtbauten im Stadtbild den Rang abzulaufen. Diese "Hochhauseuphorie" (HÜTER, K.-H. 1987/298) reichte von Bruno Schmitz' (1858-1916) Projekt eines 70 m hohen Turmhochhauses am Potsdamer Platz (1910) über zahlreiche Entwürfe für Hoch- und Turmhäuser in den 20er Jahren, darunter der von Otto Kohtz (1880-1956) für ein "Reichshaus" am Königsplatz bis zu den Vorstellungen Kohtz', Hochhäuser sogar bis in eine Höhe von 150-200 m zu treiben (1935). Der 1927 errichtete Funkturm erreichte schließlich mit seinen 136 m Berliner "Vorkriegsrekord". (Übersicht) Höchste Bauwerke im Bereich von Groß-Berlin vor 1945
Quelle: Zusammengestellt nach: LEYDEN, F. 1933/195-201
Die Höhengigantomanie erreichte unter dem NS-Regime bei der "Neugestaltung
der Reichshauptstadt" und ihrer Umwandlung in die "Welthauptstadt Germania"
ihren Gipfel (Speer-Plan).
Riesige monumentale Anlagen und Bauten sollten Berlin das Gepräge einer
gigantischen Machtzentrale und "Welthauptstadt" verleihen, deren "Krönung"
die "Große Halle" als mächtigstes Bauwerk der Welt werden sollte.
Allein alle diese Pläne wurden letztlich unter dem größten
Trümmerfeld der Weltgeschichte begraben (Kriegszerstörungen/Trümmerschutt). Quellen und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |