BERLINER RATHAUS (ROTES RATHAUS) Das R. in der Rathausstraße im Bezirk Mitte ist traditionsreicher Sitz der Berliner Stadtverwaltung. Das heutige imposante Gebäude, eine dreigeschossige, annähernd quadratische Mehrflügelanlage von 99,2 mal 87,9 m mit drei Innenhöfen und einem Turm von 73,75 m Höhe (Gesamthöhe 97 m), wird wegen seiner Klinkerarchitektur, die an die romanische Baukunst ebenso angelehnt ist wie an die italienische Frührenaissancearchitektur und klassizistische Auffassungen, als "Rotes Rathaus" bezeichnet. Es entstand in den Jahren von 1860 bis 1869; am 1.4.1860 wurde mit dem Ausheben der Baugrube begonnen, am 11.6.1861 fand die Grundsteinlegung statt. Nachdem Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) schon 1817 Pläne zum Umbau des winkelförmigen Vorgängerbaus an der Rathausstraße/Ecke Spandauer Straße angefertigt hatte, 1840 der Turm des alten Rathauses abgerissen und 1856 die erforderlichen Grundstücke erworben waren, wurde 1857/58 ein internationaler Wettbewerb für einen Rathausneubau ausgeschrieben. Es gab mehrere Preisträger. 1859 erhielt Herrmann Friedrich Waesemann (1813-1879) den Auftrag zur Ausführung des Rathausneubaus unter Berücksichtigung der Entwürfe Schinkels und Ideen aus dem vorangegangenen Wettbewerb. In der Gestaltung der Fassade an der Rathausstraße fallen neben dem figürlichen und ornamentalen Terrakottaschmuck, den zahlreiche Bildhauer geschaffen haben und der auf 36 Tafeln eine "Steinerne Chronik" Berlins beinhaltet, besonders der Hauptportalrisalit und die hohen rundbogigen Fensternischen auf, die die beiden mittleren Repräsentationsgeschosse zusammenschließen. Am 6.1.1870 fand die erste Stadtverordnetenversammlung im neuen Gebäude statt. Bis 1945 blieb das R. Sitz der Stadtverordnetenversammlung (bzw. der vom NS-Regime an deren Stelle installierten Ratsherrenversammlung) und des Oberbürgermeisters. Nach erheblichen Kriegsschäden wurde das R. von 1951 - 1955 wiederhergestellt (Schlüsselübergabe am 30.11.1955), wobei das Innere eine weitgehende Neugestaltung erfuhr. Das R. wurde Sitz des "Magistrats von Groß-Berlin", des Oberbürgermeisters und der Stadtverordnetenversammlung von Berlin-Ost. Seit dem 3.10.1991 ist das R. Sitz des Regierenden Bürgermeisters von Berlin sowie der Senatskanzlei und heißt seither amtlich "Berliner Rathaus". Die Geschichte Berlins kennt mehrere Rathäuser. Das älteste ist wahrscheinlich so alt wie die Geschichte der Stadt selbst. Der Standort eines erstmals 1380 urkundlich erwähnten Berliner Rathauses war bereits der des heutigen. Allerdings dürfte dies nicht das erste Rathaus in der Geschichte Berlins gewesen sein. Fundamentfunde lassen zwar darauf schließen, daß hier bereits Mitte des 13. Jh. ein Vorgängerbau vorhanden war, jedoch wird als ältester Standort eines Berliner Rathauses der Molkenmarkt angenommen (RING, M. 1883/49); Ende des 13. Jh. wurde es vom Molkenmarkt an die Oderberger/Ecke Spandauer Straße verlegt. Zu diesem Rathaus gehörte die Gerichtslaube mit einer darüber liegenden Ratsstube, in der die Ratsversammlungen abgehalten wurden. Nach starken Zerstörungen durch Brände (1380, 1448, 1581) wurde das Berliner Rathaus in jeweils veränderter Form, aber am gleichen Ort wieder aufgebaut, während die Gerichtslaube bis zu ihrem Abriß 1868 überdauerte; 1871/72 wurde sie im zeitgenössischen Verständnis der Gotik von Johann Heinrich Strack (1805-1880) unter Mitwirkung von Reinhold Persius (1835-1912) im Schloßpark von Babelsberg aufgestellt. Johann Arnold Nering (1659-1695) erweiterte 1692-1695 den Rathausbau um einen dreigeschossigen Flügel an der Spandauer Straße, der schließlich 1861-1869 durch das R. ersetzt wurde. Auch die Stadt Cölln hatte ihr Rathaus. Es entstand vermutlich ebenfalls um 1250 an der Breiten Straße zwischen Gertrauden- und Scharrenstraße gegenüber der Petrikirche. Es wurde 1612 umfassend verändert und 1656 durch einen Neubau ersetzt. Das Cöllner Rathaus war ähnlich eingerichtet wie das Berliner. Beim Zusammenschluß der fünf Residenzstädte zur Königlichen Haupt- und Residenzstadt (1709) wurde es zum Sitz der gemeinsamen Stadtverwaltung von Berlin bestimmt, weil es nach Ansicht Friedrichs I. (1657-1713, Kfst. ab 1688, Kg. ab 1701) "nicht allein in der Mitte der übrigen Städte, sondern auch bei Unserm Residentz-Schloß gelegen ist" (zit. nach BORRMANN, R. [1852-1931], 1893/363), während das Berliner Rathaus die gleichfalls vereinigten Stadtgerichte aufnehmen sollte. Jedoch war das Cöllner Rathaus in so schlechtem baulichen Zustand, daß die neue Gesamtstadt-Verwaltung "provisorisch" ihren Sitz im Berliner Rathaus nehmen musste, wobei es dann bei diesem "Provisorium" blieb. Ein erneuter Neubau des Cöllner Rathauses, entstanden 1710-1723 an gleicher Stelle nach Plänen von Martin Grünberg (1655-1706), diente von 1822 bis 1870 auch als Sitz der Stadtverordnetenversammlung; ab 1880 war hier das Märkische Museum untergebracht. 1899 wurde das Cöllner Rathaus bei der Erweiterung der Breiten Straße abgerissen. Unter Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, Kg. ab 1713 )) wurde das Berlinische Rathaus zum alleinigen Sitz des Magistrats erklärt. Auch die anderen ursprünglichen Residenzstädte (außer der Friedrichstadt) hatten ihre Rathäuser. Am Werderschen Markt stand das 1673-78 durch Giovanni Simonetti (1652-1716) erbaute Friedrichswerdersche Rathaus, in dem auch das 1681 begründete spätere Friedrichswerdersche Gymnasium untergebracht war und das 1794 abbrannte (An seiner Stelle entstand 1798-1800 die Münze, die 1886 abgebrochen wurde). Das vermutlich 1699 erbaute Dorotheenstädtische Rathaus stand an der Friedrichstraße/Ecke Dorotheenstraße und wurde nach 1709 verkauft. Schließlich befand sich von 1307-1448 ein weiteres geschichtlich bedeutsames Rathaus "up der nyen bruggen" (an oder auf der Langen Brücke, heute Rathausbrücke). Es war der Amtssitz des 1307 gebildeten ersten gemeinsamen Rates der Städte Berlin und Cölln (Stadtgründung und frühe Stadtentwicklung). Dieses Rathaus, von dem nur Urkunden Nachricht geben, wurde 1514 abgerissen, nachdem zuvor (1442) der kurfürstliche Hofrichter darin seinen Sitz genommen hatte. Heute existieren in Berlin 37 Rathäuser bzw. einst als Rathäuser errichtete Gebäude. Neben dem Roten Rathaus sowie den 23 Rathäusern der Bezirke gibt es noch 13 ehemalige Rat- oder Amtshäuser in den einst selbständigen Dörfern und Gemeinden, die sich 1920 zu Groß-Berlin (Groß-Berlin-Gesetz [1920]) vereinigten und die heute meist als Außenstellen der jeweiligen Bezirksverwaltung genutzt werden.
Quellen und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |