PETRIKIRCHE / PETRISIEDLUNG
St.
Petri war die Pfarrkirche von Cölln.
Ihre Geschichte und Bedeutung sind vergleichbar mit der der Nikolaikirche,
jedoch im Unterschied zu dieser ist sie heute spurlos verschwunden. Sie
entstand auf der Cöllnischen Spreeinsel, und zwar auch auf einer
der erhöhten Talsandinseln (Dünenhügel) im Urstromtal (Geographische
Bedingungen der Stadtwerdung). Wie die Nikolaikirche/Nikolaisiedlung
ist auch die Petrikirche/Petrisiedlung eng mit der Stadtgründung
und frühen Stadtentwicklung verbunden ( Ursprung
der Stadt in der Stadtgeschichtsforschung). Ihren Namen verdankt die
Pfarrkirche Petrus, dem Heiligen und Schutzpatron der Fischer.
Auch
der ursprüngliche Charakter der Petrisiedlung ist nicht genau bekannt.
Wahrscheinlich existierte schon am Ende des 12. Jh. eine Kaufmannsniederlassung
mit dem Cöllnischen Fischmarkt auf der südlichen Seite am Spreeübergang
nach Alt-Berlin.
Ähnlich wie bei St. Nikolai fand man auch bei archäologischen
Ausgrabungen unter dem Petriplatz an der Petrikirche (heute ein Parkplatz)
15 Gräber, die viele Jahre vor dem Bau der ersten steinernen Petrikirche
und der urkundlichen Ersterwähnung Cöllns (1237) angelegt worden
waren und zu der Vermutung führten, daß die Nikolaisiedlung
möglicherweise anfangs eine Tochtersiedlung von Cölln war (HERRMANN,
J. 1987/37):
Die
urkundliche Ersterwähnung Cöllns
im Jahre 1237 bestätigt zugleich die Existenz einer Pfarrkirche.
Die Anzeichen deuten auch hier (wie bei St. Nikolai) auf eine spätromanische
Basilika hin, die wahrscheinlich noch im 13. Jh. zu einer frühgotischen
Kirche umgebaut und erstmals in einer Urkunde von 1285 genannt wurde.
1379 wurde mit dem Bau einer dreischiffigen gotischen Hallenkirche begonnen,
die nach 1469 zu einer großen spätgotischen Hallenkirche umgebaut
wurde. Sie hatte 24 Altäre sowie zehn, der Chor elf helle Fenster.
Nach zweieinhalb Jahrhunderten war diese mächtige gotische Kirche
baufällig geworden. In der Zeit König Friedrich Wilhelms I.
(1688-1740, Kg. ab 1713) wurde seit 1726 ein barocker Neubau nach Entwurf
von Martin Heinrich Böhme (1676-1725) geschaffen, dem jedoch kein
Glück beschieden war. Kurz vor Beendigung der Bauarbeiten, am zweiten
Pfingsttag 1730, wurde der Turm der neuen Barockkirche, der mit 108 m
zum höchsten Bauwerk der Stadt geworden war, durch schweren (angeblich
dreifachen) Blitzschlag zerstört; die Feuersbrunst soll auf 11 Meilen
zu sehen gewesen sein. Auch das Kirchengebäude und 44 umliegende
Häuser wurden zerstört.
Am
27.7.1731 wurde der Grundstein zu einem neuen Gebäude auf einem Grundriß
gelegt, der eine Verbindung von Saal- und Zentralkirche darstellte. Schon
zwei Jahre später stand die von Johann Friedrich Grael (1707-1740)
erbaute neue Petrikirche, allerdings nicht mehr an derselben Stelle, sondern
nach der Brüderstraße versetzt - und ohne Turm, dessen Bau
nur langsam vorankam. Der König übertrug die Fortführung
des Turmbaus Oberbaudirektor Johann Philipp Gerlach (1679-1748) und befahl,
den Turm "womöglich noch höher" als den Turm des Straßburger
Münsters (142 m) zu bauen. Obwohl der Bauplan nur auf einen Petriturm
von 358 Fuß (etwa 115 m) ausgelegt war, stürzte der fertige
Turm in der Nacht zum 22.8.1734 ein. Grael wurde vorübergehend inhaftiert,
aber auch der mit dem Neuaufbau beauftragte Holländer Titus de Favre
(gest. 1746) konnte das Werk nicht zu Ende führen, und es blieb bis
1809 in diesem Zustand. 1735 fanden in der großen Kirche (mit Platz
für 1640 Menschen) bereits wieder Gottesdienste statt. 1809 vernichtete
leichtsinniger Umgang mit Feuer im Verein mit der Nutzung der Kirche zur
Lagerung von brennbarem Material den Barockbau, diesmal vollständig;
nach zwei Jahren war die Kirche abgetragen, so daß auf Schmids
Plan zur Bebauung des Köpenicker Feldes von 1825 anstelle der
Kirche nur eine baumbestandene Fläche verzeichnet ist. Erst Jahrzehnte
später erfuhr die Petrikirche ihre historisch letzte Gestalt. Nach
dem Entwurf von Johann Heinrich Strack (1805-1880) entstand von 1846-1853
an alter Stelle die erste neogotische Kirche Berlins und mit 111 m Turmhöhe
zugleich das höchste Bauwerk der Stadt.
Am
Ende des II. Weltkrieges erlitt sie schwere Zerstörungen und wurde
- unsinnigerweise, jedoch im Einklang mit den Kirchenbehörden - 1960
abgetragen. Das fünfte Gotteshaus an dieser Stelle war damit spurlos
verschwunden und Berlin/Cölln um ein bedeutendes Kapitel seiner Geschichte
ärmer.
Quellen
und weiterführende Literatur: 
Nicolai 1786/121; Nicolai 1987/133-135; Rumpf 1826/50; Berlin 1798/39
ff.; Zedlitz 1834/580-581; Woltmann 1872/5; Ring 1883/68-70; 154; Borrmann
1893/247-253; Pniower 1907/40-43; Osborn 1909/23-24; Gottwald 1926/126;
Jahn/Böttger 1937/3; Volk 1973/138-139; Schneider/Gottschalk 1980/30;
Wolterstädt 1985/78; Boeckh 1986/30-39; Ludewig 1986/219; Flierl
1986/15-16; Demps 1987/54-55; 78-79; Herrmann 1987/37, 143-144; Kieling
1987/35; Seyer 1987/48-56; Lindner 1994/34; Peters 1995/31
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2004
Stadtentwicklung
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