CÖLLN (ALT-CÖLLN)
Cölln ist eine der beiden
Städte, die historisch zur Doppelstadt Berlin/Cölln zusammenwuchsen
und als Ursprung von Alt-Berlin
gelten ( Stadtgründung
und frühe Stadtentwicklung). Cölln war als Kaufmannssiedlung
und Marktort an der schmalsten Stelle der Niederung zwischen den Hochflächen
des Barnim und Teltow im Warschau-Berliner-Urstromtal in verkehrsgünstiger
Lage auf dem Südteil der durch die Spreegabelung gebildeten Spreeinsel
entstanden und um 1230 zur Stadt geworden. Über die Herkunft des
Ortsnamens Cölln liegt (wie auch für Berlin) keine allgemein
anerkannte Deutung vor (SCHICH, W. 1988). Möglich ist ein slawischer
Ursprung, etwa von "Kollne" in der Bedeutung "Sumpf" (STUTZER, E. 1917)
oder "kol" in der Bedeutung "Pfahl", aber auch die "eigentliche Bedeutung"
des Wortes colonia im Sinne von "Ansiedlung", "Neusiedlung" ist möglich
(SCHICH, W. 1988). Dabei könnte der Ortsname von der Stadt Köln
am Rhein übertragen worden sein (HERRMANN, J. 1987).
Als
frühester überlieferter Beleg für die Existenz des städtischen
Gemeinwesens Cölln gilt die Urkunde eines Vertrages vom 28.10.1237
(Vgl. Textkasten unter Stadtgründung
und frühe Stadtentwicklung), den die gemeinsam regierenden Markgrafen
von Brandenburg, Johann I. und Otto III., mit Bischof Gernand von Brandenburg
über die Festsetzung des Kirchenzehnts geschlossen hatten. Daraus
geht hervor, daß sich unter den 18 Zeugen auch der Pfarrer von der
Petrikirche
zu Cölln namens Simeon (Symeon plebanus de Colonia) als Beauftragter
des Markgrafen als Zeuge des Rechtsstreits befand.
Von
Anbeginn war Cölln eng mit der "Schwesterstadt" Berlin verbunden,
die erstmals 1244 urkundlich erwähnt wird ( Ursprung
der Stadt in der Stadtgeschichtsforschung). Die Stadtgebietsfläche
von Alt-Cölln wird mit 23 ha (Ausdehnung 370 mal 800 ) beziffert,
für 1681 mit 52 ha. Zwei Spreeübergänge, über die
der Fernverkehr führte, förderten das Zusammenwachsen beider
Städte: der Mühlendamm,
der zugleich die Spree aufstaute und die Neue (Lange) Brücke. In
einer Urkunde von 1247 ist die Rede von "Cölln bei Berlin". Als Stadt
(civitas) erscheint Berlin erstmals 1251 und Cölln 1261. Von 1307
bis 1442 hatten Cölln und Berlin einen gemeinsamen Magistrat; 1342
wird erstmals ein gemeinsames Rathaus auf der Langen Brücke erwähnt.
Am 28.6.1432 erfolgte eine Vereinigung von Berlin und Cölln, die
sowohl eine Bestätigung als auch - infolge des vollen inneren Zusammenschlusses
- eine Erweiterung der Union von 1307 beinhaltete. Anfang des 15. Jh.
hatte die Doppelstadt über 7 000 Einwohner. Nach außen wurde
die historisch gewachsene Doppelstadt Berlin/Cölln durch eine (erstmals
1319 erwähnte) Mittelalterliche
Stadtmauer befestigt. Unter dem Hohenzollern-Kurfürsten Friedrich
II. "Eisenzahn " (1413-1471, Kfst. 1440-1470) setzte der Niedergang der
städtischen Selbständigkeit Berlins ein. Nach sechsjährigem
Kampf unterwarf "Eisenzahn" die Stadt (29.8.1442) und löste die Verwaltungseinheit
Berlin/Cölln wieder auf. Seit 1470 waren Cölln und Berlin Residenzen.
Nach einem Erlaß des Preußenkönigs Friedrich I. (1657-1713,
Kfst. ab 1688, Kg. ab 1701) vom 17.1.1709 wurden Cölln und Berlin
mit den inzwischen gegründeten weiteren Residenzstädten Friedrichswerder,
Dorotheenstadt
und Friedrichstadt
zur Königlichen
Haupt- und Residenzstadt Berlin vereinigt. Wie auf der Berliner
Seite der Spree Molkenmarkt
und Nikolaikirche/Nikolaisiedlung
Mittelpunkt der Stadt, waren dies auf der Cöllner Seite der Spree
der Cöllnische Fischmarkt mit der angrenzenden Petrikirche/Petrisiedlung.
Hier stand zwischen Scharren- (nach den dem
Rat unterstehenden und von ihm kontrollierten Verkaufsständen benannt)
und Gertraudenstraße das Cöllnische Rathaus ( Rotes
Rathaus/Rathäuser). Am Cöllnischen Fischmarkt Nr. 1-3 soll
die Apotheke "Zur goldenen Kugel", die älteste Apotheke der Dopppelstadt,
gestanden haben; das Haus Nr. 4 gehörte dem brandenburgischen Feldmarschall
Georg Reichsfreiherr von Derfflinger (1606-1695); hinter Nr. 5 verbarg
sich der Gasthof "Zum Schwarzen Adler", in dem 1699 Zar Peter I. (1672-1725)
abgestiegen war. Am Cöllnischen Fischmarkt endete auch eine der bedeutendsten
Straßen des historischen Kerns von Alt-Berlin/Cölln: die Brüderstraße .
Sie verdankt ihren Namen den Dominikaner-Brüdern, deren Konvent sich
1297 auf der Spreeinsel niederließ und in der Nähe des späteren
Schlosses
in Kloster gründete. In der Brüderstraße standen bzw.
stehen berühmte Wohnhäuser bekannter Berliner Persönlichkeiten,
allen voran Nr. 13, das Nicolaihaus
. In dem spätbarocken Bürgerhaus,
das 1674 in Erweiterung eines vorhandenen Baus auf z.T. mittelalterlichen
Fundamenten errichtet wurde, wohnte von 1787-1811 der Schriftsteller,
Verleger und Buchhändler Christoph Friedrich Nicolai (1733-1811).
Sein Haus war Ende des 18./Anfang des 19. Jh. eines der geistigen Zentren
Berlins. Von 1747-1773 gehörte es dem Fabrikanten und Patrioten Johann
Ernst Gotzkowsky (1720-1775); Theodor Körner (1791-1813) wohnte und
wirkte darin 1811 und 1813 als Student und Lützower; im Frühjahr
1813 versammelte sich hier der Landsturm des Brüderstraßenbezirks.
Das im II. Weltkrieg beschädigte Haus wurde 1953 wieder hergestellt.
Gegenüber im Haus Nr. 19 wurde der Schauspieler Ludwig Devrient (1784-1832)
geboren, der auch als Freund und Zechbruder des Dichters E.T.A. Hoffmann (1776-1822) bekannt wurde. Erhalten ist das sogenannte
Galgenhaus Nr. 10, das,
1688 für Kammerrat von Happe errichtet, noch Spuren aus dem 17. Jh.
aufweist; die Straßenfront wurde 1805 klassizistisch erneuert. Seit
1737 war es Propstei der Petrikirche
und Wohnsitz eines Bischofs. In dem Haus, dessen Name auf eine Sage zurückgeht,
wonach eine Magd wegen angeblichen Diebstahls vor dem Haus erhängt
wurde, lebte der Universalwissenschaftler, Propst an der Petrikirche,
Wegbereiter der mathematischen Statistik, Johann Peter Süßmilch
(1707-1767). Das Gebäude wurde 1978 denkmalpflegerisch behandelt.
In der Burgstraße Nr. 16 befand sich einst das Hotel "König
von Portugal". Weltruf erlangte auch eine Nebengasse der Brüderstraße:
die einstige Spreegasse, die 1931 Wilhelm Raabe (1831-1910) zu Ehren in
"Sperlingsgasse " umbenannt wurde. Im Haus Nr. 11 hatte Raabe 1854-1856
als Student gewohnt und "DIE CHRONIK DER SPERLINGSGASSE" mit der Liebeserklärung
an das alte Berlin geschrieben: "Ich liebe diesen Mittelpunkt einer vergangenen
Zeit..." (Vgl. Textkasten)
In den Märztagen 1848 war das Areal vor
dem Cöllnischen Rathaus und in der Brüderstraße eines
der Zentren der Berliner Barrikadenkämpfe.
WILHELM RAABE (1831-1910), 1854/55:
AUS DER "CHRONIK DER SPERLINGSGASSE"
"Am 20. November
[1854]
Ich liebe in großen
Städten diese ältern Stadtteile mit ihren engen, krummen,
dunkeln Gassen, in welche der Sonnenschein nur verstohlen hineinzublicken
wagt; ich liebe sie mit ihren Giebelhäusern und wundersamen
Dachtraufen, mit ihren alten Kartaunen und Feldschlangen, welche
man als Prellsteine an die Ecken gesetzt hat. Ich liebe diesen Mittelpunkt
einer vergangenen Zeit, um welchen sich ein neues Leben in liniengraden,
parademäßig aufmarschierten Straßen und Plätzen
angesetzt hat, und nie kann ich um die Ecke meiner Sperlingsgasse
biegen, ohne den alten Geschützlauf mit der Jahreszahl 1589,
der dort lehnt, liebkosend mit der Hand zu berühren. [...]
Die Sperlingsgasse
ist ein kurzer, enger Durchgang, der die Kronenstraße mit
einem Ufer des Flusses verknüpft, welcher in vielen Armen und
Kanälen die große Stadt durchwindet. Sie ist bevölkert
und lebendig genug, einen mit nervösem Kopfweh Behafteten wahnsinnig
zu machen und ihn im Irrenhause enden zu lassen; mir aber
ist sie seit vielen Jahren eine unschätzbare Bühne des
Weltlebens, wo Krieg und Friede, Elend und Glück, Hunger und
Überfluß, alle Antinomien des Daseins sich widerspiegeln."
Quelle:
Raabes Werke in fünf Bänden, Erster Band, Berlin und Weimar
1976,S. 8-10
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Quellen
und weiterführende Literatur: 
Nicolai
1786/66, 124, 910; Nicolai 1987/103-142; Berlin 1798/39 ff.; Rumpf 1826/17/18;
Zedlitz 1834/383-385; 23; Ring 1883/31, 68-70, 154; Streckfuß 1886-I/2-8;
Schwebel 1888-I/76f.; Clauswitz 1921/1-70; Schulze 1962/72-79; Volk 1973/124-201;
Schneider/ Gottschalk 1980/30; Loose u.a. 1980/348; Wolterstädt 1985/78;
; Demps 1987/6-155; Herrmann 1987/37, 143-144; Laufenberg 1987/109; Schneider
1987/118-120; Schulz/Gräbner 1987/88-91; Seyer 1987/22-29, 48-56;
Spitzer/Zimm 1987/5, 18; Schich 1988/146-206; Baedeker 1992/429-434; Berlin
Handbuch 1993/658; Mieck 1993/471-474; Schäche 1993-1/210-212; Dehio 1994/142;
Peters 1995/25-70; Architektur in Berlin und Brandenburg 1997/98 ff.
(c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004
Stadtentwicklung
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