80   Geschichte und Geschichten Ludwig Devrient  Nächstes Blatt
gen quollen förmlich aus dem feisten runden rotgeschminkten Gesicht, die hochaufgepolsterte Brust atmete schwer, die gichtgekrümmten Finger zuckten und zupften durch die Luft, wie im Flockenhaschen der Sterbenden ... Und doch war ... Devrient bei voller Besinnung ...«
Devrient sorgte in seinem Stammlokal Lutter & Wegener nicht nur durch seinen eigenen Alkoholkonsum für Umsatz, sondern er zog allein durch seine Anwesenheit viele Berliner und Touristen in das Weinlokal. »Als der Weinkellner ihm einst eine fatale Rechnung für Getrunkenes übergab, rief Meister Ludwig im Tone König Philipps von Spanien mit Pathos aus: >Der Knabe Don Karl fängt an mir fürchterlich zu werden!< ... Gar oft hat der ... Knabe Don Karl aber nicht gewagt, dem Meister Ludwig eine Weinrechnung zu präsentieren, denn einmal, als diese zu einer >fürchterlichen< Höhe angewachsen war, nahm Devrient dies übel - und blieb einfach fort aus der Stammkneipe ... Aber mit Meister Ludwig war der Hauptanziehungspunkt von Lutter & Wegener verschwunden. Auch die übrigen Stammgäste und neugierigen Fremdlinge blieben fort - bis Lutter & Wegener feierlich bei Devrient erschienen, ihm die quittierte Rechnung überreichten und gelobte, es auch nie wieder zu tun! Da kam auch der durstige Meister John mit der ganzen durstigen Stammtafel wieder, und aufs neue sprudelten Sekt und Witz in Strömen«, schreibt Karoline Bauer.
Dagmar Claus
»Er lebte seine Rollen, er spielte sie nicht.«

Ludwig Devrient (1784-1832) wurde 1815 als bereits berühmter Künstler nach Berlin an das Königliche Schauspielhaus berufen. Seinen Zeitgenossen galt er als der größte Menschendarsteller seiner Zeit. Er beeindruckte und erschütterte sein Publikum, weil er sich mit seinen Rollen identifizierte, in ihnen aufging. Die Schauspielerin Karoline Bauer schreibt in ihren Lebenserinnerungen: »Er lebte seine Rollen, er spielte sie nicht.«
Devrients »Falstaff in Heinrich IV. sprudelte förmlich über von derbkräftigem Humor, toller Laune und genialer Liederlichkeit. Wenn dieser dicke, schmutzige, gemeine Witzling sich wie ein volles Faß auf die Szene kugelte, so erdröhnte das Haus schon von homerischem Gelächter. Daß dieser widerliche Schmarotzer keinen Ekel, sondern nur stürmische Heiterkeit erregte - das war eben der Triumph von Meister Ludwigs göttlicher versöhnender und mildernder Kunst. Aber wahrhaft grausenerregend war der Anblick, als dieser aufgeschwemmte >Fleischberg<, dieser lustige Galgenstrick, drollige Lügner und Prahlhans einst auf offener Szene einen nervösen Anfall bekam und der Länge nach zu Boden fiel. Die Au


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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 12/1996
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