BERLINER STADTSCHLOSS SCHLOSS
Das
ehemalige Königliche Schloß ; (Berliner Stadtschloß) im
Zentrum Berlins verkörperte etwa fünf Jahrhunderte lang als
Residenz der brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige
und deutschen Kaiser vor allem "die steinerne Geschichte der Hohenzollern"
und wurde einst als "das erhabene Monument ihrer wachsenden Macht und
Größe, das sie sich im Verlauf von Jahrhunderten selbst errichtet
haben" (RING, M. 1883/75), angesehen. Dem entsprachen die imposanten Ausmaße
des Sch.: nach der letzten Bauausführung waren 1 210 Räume in
dem etwa 192 m langen, 116 m breiten, rund 25 m hohen Gebäude untergebracht,
das mehrere Innenhöfe umschloß: den Großen und Kleinen
Schloßhof sowie den Eishof und Kapellenhof. Im II. Weltkrieg teilweise
schwer zerstört, ließ die damalige SED-Führung unter Walter
Ulbricht (1893-1973) 1950 den Überrest des einstigen "erhabenen Monuments"
mit einem Kostenaufwand von 10 Mill. Mark beseitigen; die Wiederaufbaukosten
wurden damals auf 32 Mill. Mark beziffert (KLÜNNER, H.-W. 1991).
Aber damit wurde mehr als die "steinerne Geschichte der Hohenzollern"
ausgelöscht: Es verschwand für alle Zeit ein Zeugnis Berliner
Geschichte und eines der bedeutendsten deutschen Kunstdenkmale.
Die
fünfhundertjährige Geschichte des Sch. ist aufs engste mit der
Geschichte Berlins verknüpft und integraler Bestandteil der Berliner
Stadtentwicklung. Sie begann mit der Errichtung einer mittelalterlichen
Burganlage an der Spree von 1443 bis 1451, nachdem Kurfürst Friedrich
II. (1413-1471, Kfst. 1440-1470) die Stadt Cölln gezwungen hatte,
den Bauplatz für das kurfürstliche Schloß auf dem nördlichen
unbebauten Teil von Cölln, nahe der Langen Brücke und dem Dominikanerkloster
(Schwarzes Kloster) bereitzustellen. Nachdem am 29.8.1442 dem Kurfürsten
der Baugrund überlassen worden war, erfolgte am 31.7.1443 die Grundsteinlegung;
1451 war das Bauwerk fertiggestellt. In die Burganlage wurde ein mächtiger
Rundturm aus der Cöllnischen Stadtmauer, der sogenannte Grüne
Hut, einbezogen. Der Papst erhob die Schloßkapelle St. Erasmus zur
Pfarrkirche; Friedrich II. wandelte sie 1465 in ein Kollegiatsstift ("novum
Collegium"); in einer Urkunde von 1466 wird die Schloßkirche (Burgkapelle)
als Domkirche auf dem Schloß zu Cölln bezeichnet. Von der ersten
Hohenzollernburg, die vermutlich ein von Gräben umzogener Backsteinbau
war, sind keine Abbildungen überliefert.
Knapp
ein Jahrhundert später ließ Kurfürst Joachim II. (1505-1571,
Kfst. ab 1535) ab 1538 schrittweise das alte Burgschloß abreißen
und durch den sächsischen Baumeister Caspar Theyß (Theiss;
gest. um 1550) in ein repräsentatives, dreistöckiges Renaissanceschloß
umbauen. Bis 1540 wurde der Spreeflügel und danach der Schloßplatzflügel
erbaut. Schon 1536 hatte sich der Kurfürst das an das Sch. grenzende
Dominikanerkloster einräumen lassen und das Domstift aus der Erasmuskapelle
in die Klosterkirche verlegt, die, zum Dom geweiht, nun zur neuen Grablege
des Hauses Hohenzollern bestimmt wurde. 1297 hatten die Dominikaner das
Kloster auf der Spreeinsel in Cölln und um 1345 ihre Klosterkirche
gegründet. Nach der Auflösung des Dominikanerkonvents wurde
am 1.11.1540 zum letzten Mal das Abendmahl nach katholischem Ritus gefeiert.
1716 erfolgte der Abbruch der letzten Gebäude des ehemaligen Klosters
und 1747 des Domes, der aus der ehemaligen Klosterkirche hervorgegangen
war. Der Ausbau des Schlosses wurde unter Kurfürst Johann Georg (1525-1598,
Kfst. ab 1571) fortgesetzt. Er beauftragte Graf Rochus zu Lynar (1525-1596),
der 1578 als Generaloberst der Artillerie, Zeug- und Baumeister in brandenburgische
Dienste getreten war, mit der Oberaufsicht des Schloßbaus. Zu den
Schloßanbauten Lynars im Renaissancestil gehörten das sogenannte
Dritte Haus als Wohnhaus des Kurfürsten (1579/80), die Hofapotheke
(Apothekenflügel des Schlosses, 1585), das "Haus der Herzogin" (für
die Schwester des Kurfürsten) sowie das Quergebäude im Schloßhof
(1591-1595).
Eine
im Mittelalter bedeutende Anlage am Sch. war die sogenannte Stechbahn ,
eine Kampfarena auf der Südseite des Sch. jenseits der Langen Brücke
auf cöllnischer Seite. Auf ihr fanden Turniere und Ritterspiele,
sog. Ringstechen (Ringelstechen) oder Ringrennen, aber auch große
Feuerwerke, Kämpfe wilder Tiere, Schaustellungen, Aufzüge usw.
statt. An der inneren Seite der Stechbahn vor dem Sch. befanden sich hölzerne
Buden, in denen auswärtige Kaufleute die Gelegenheit der Massenspektakel
nutzten, um ihre Waren anzubieten. [ gestr. in der 3. Aufl.: Ein Kupferstich,
vermutlich von Philipp Uffenbach, hält im Bild ein "Ringrennen" fest,
das der Kurfürst Johann Georg zur Feier einer Kindestaufe im Dezember
1592 auf der Stechbahn veranstalten ließ.] Die Stechbahn war 1538,
im Zusammenhang mit dem beginnenden Umbau des alten Burgschlosses zu einem
Renaissanceschloß, von Kurfürst Joachim II. aus Anlaß
der Geburt der Prinzessin Elisabeth Magdalena (1537-1595), der Schwester
des späteren Kurfürsten Johann Georgs, angelegt worden (Sie
bewohnte als Herzogin-Witwe später das von Lynar erbaute sog. Herzogin-Haus
an der Spreeseite des Schlosses). [gestr. in der 3. Auflage: An der Südseite
des Sch. war das Pflaster des Schloßplatzes entfernt und eine Arena
einzäunt worden. Etwa hundert Jahre später ließ Kurfürst
Friedrich Wilhelm (1620-1688, Kfst. ab 1640 ) ein neues Reithaus auf dem
Werder erbauen, womit die alte Stechbahn überflüssig wurde.
Bis 1681 wurden die hölzernen Buden von Nering (1659-1695) durch
steinerne Kaufläden mit dorischen Bogenlauben ersetzt, die den Namen
"Stechbahn" behielten.] Bei dem Schloßumbau durch A. Schlüter
an der Wende zum 18. Jh. mußten schließlich auch diese weichen.
Als Kurfürst Friedrich III. (1657-1713, Kfst. ab 1688, Kg. ab 1701)
nach Entwürfen von Jean de Bodt (1670-1745) an der Westseite des
Schloßplatzes neben dem Dom eine monumentale Gebäudegruppe
mit dem ersten dreistöckigen Kauf- und Wohnhaus Berlins bauen ließ,
behielt auch diese die traditionelle Bezeichnung "neue Stechbahn am Schloßplatz".
Sie wurde 1865 abgerissen.
Nachdem
das erweiterte Renaissanceschloß während des Dreißigjährigen
Krieges weitgehend verfallen war, begann unter Kurfürst Friedrich
III. der Umbau zum prächtigen Barockschloß. 1698 begann Andreas
Schlüter (1659-1714) einen Erneuerungsbau, der die bisherigen unterschiedlichen
Baugruppen durch einen einheitlichen, kompakten Barockbau ersetzen sollte.
Schlüter gestaltete die Südfassade der Langfront am Schloßplatz
(Schloßplatzfassade) mit den Portalen I und II, die Nordfassade
der Langfront am Lustgarten
(Lustgartenfassade) mit dem Portal V sowie den östlichen inneren
Schloßhof, während die an der Spreeseite liegenden Teile und
der Querflügel in der alten Form erhalten blieben. Zugleich wurde
Schlüter, seit 1699 Schloßbaudirektor, 1701 beauftragt, den
alten Wasserturm zu einem prächtigen barocken, etwa 91 m hohen Turm
mit Uhr und Glockengeläut, der die "Wasserkunst " und Münzwerkstatt
weiterhin beherbergen sollte, umzubauen und durch eine Galerie mit dem
Sch. zu verbinden. Der alte, um 1572 auf einem ehemaligen Wehrturm bis
32 m Höhe errichtete Wasserturm hatte 130 Jahre lang vor allem der
Bewässerung und dem Betrieb von Wasserspielen der kurfürstlichen
Gärten gedient. Er war unter Kurfürst Johann Georg und Johann
von Blankenfelde (gest. 1579), von 1549-1572 Ratsherr und Bürgermeister
der Stadt, im Zusammenhang mit den als "Wasserkunst" bezeichneten Anlagen
zur Wasserversorgung eines Teils von Berlin und Cölln mittels eines
unterirdisch, relativ flach verlegten hölzernen Röhrennetzes
entstanden. Der alte Turm der Wasserkunst beherbergte in etwa 29 m Höhe
über Gelände einen oder mehrere Wasserhochbehälter, in
die Spreewasser durch wasserradgetriebene Pumpen (Druckwerk) gehoben wurde.
Zudem war der Wasserturm seit 1630 zugleich "Münzturm", nachdem die
Kurfürstliche Münze (Münzwerkstatt) dorthin verlegt worden
war. Schlüters Prestigeunternehmen zum Bau eines neuen Münzturmes
(dreifache Höhe des Schlosses bei großer Instabilität
des Baugrundes) scheiterte allerdings, als der bereits über 60 m
hohe monumentale Münzturm 1706 trotz umfangreicher Stützungsversuche
einstürzte. Der Baumeister fiel in Ungnade und wurde Ende 1706 als
Schloßbaudirektor von J.F. Eosander von Göthe (1669-1728) abgelöst.
Eosander dehnte das Schloß nach Westen aus (1706-1713), schuf den
Lustgarten-Flügel mit dem Portal IV sowie einen weiteren, den äußeren
Schloßhof, mit dem (Haupt)-Portal III in der Westfassade als Nachbildung
des Severusbogens in Rom. Damit erweiterte er das Schloß auf die
doppelte Größe. Unter König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740,
Kg. ab 1713 ) wurde es schließlich vollendet (1713-1716).
Eine
weitere Ergänzung erfolgte 1845-1853 durch Friedrich August Stüler;
(1800-1865). Im Auftrag König Friedrich Wilhelms IV. (1795-1861,
Kg. ab 1840), der selbst zahlreiche Entwürfe für Residenzbauten
in Potsdam und Berlin anfertigte, entstand die Schloßkapelle im
Westflügel mit mächtiger Kuppel über dem Hauptportal. Schließlich
wurde unter Kaiser Wilhelm II. (1859-1941, Ks. 1888-1918) an der Spreeseite
des Sch. eine Terrasse mit einem Landungsplatz angelegt und durch Ernst
Eberhard von Ihne (1848-1917) der Westflügel mit dem Weißen
Saal umgebaut. Während der Novemberrevolution von 1918 teilweise
beschädigt, wurde 1921 das Kunstgewerbemuseum im Stadtschloß ;
untergebracht, bevor das am 3.3.1945 ausgebrannte und teilweise zerstörte
Sch. seit 6.9.1950 abgerissen wurde. Das Portal IV blieb erhalten und
wurde als repräsentativer Eingang in das 1962-1964 am Marx-Engels-Platz
errichtete Staatsratsgebäude eingefügt. Im Zusammenhang mit
der weiteren städtebaulichen Gestaltung der Hauptstadt nach der Vereinigung
sind auch erhebliche Veränderungen des ehemaligen Schloßbereichs
vorgesehen. Ein Wiederaufbau des ehemaligen Stadtschlosses ist im Gespräch,
jedoch heftig umstritten (Vgl. WILHELM v. BODDIEN / HELMUT ENGEL (Hrsg.):
Die Berliner Schlossdebatte - Pro und Contra, Berlin 2000).
Neben
den großen Kunstschätzen im Inneren des Sch. zierten einst
bedeutende Plastiken sein Äußeres, darunter - neben der Kunst
am Bau - die 1865 im westlichen Schloßhof (heute am Spreeufer im Nikolaiviertel)
aufgestellte Bronzegruppe "Heiliger Georg im Kampf mit dem Drachen"
von August Kiss (1802-1855); der von Reinhold Begas (1831-1911) geschaffene
Neptunbrunnen
(seit 1891 auf dem Schloßplatz, heute vor dem Berliner
Rathaus); das gleichfalls von Begas gestaltete Nationaldenkmal für
Kaiser Wilhelm I. , das sich einst gegenüber dem Portal III ("Eosanderportal")
des Schlosses befand.
Quellen
und weiterführende Literatur: 
Rumpf 1826/28-30; Zedlitz 1834/701-705; Ring 1883/11, 75-84; Streckfuß
1886-I/37f.; Schwebel 1888-I/313f.; Borrmann 1893/159-163, 258-305; Osborn
1909/114-141; Krieger 1923/65-77; Schulze 1962/148-153; Bauer/Hühns
1980/45-46, 63, 80; Schneider/ Gottschalk 1980/78-80; Dietrich (1) 1981/105-128;
Hoppe 1981/79-104; Schloß 1986/119-120; Cyran 1987; Kieling 1987/48ff.;
Schulz, K. 1988/329-330; Wiesinger 1989; Peschken/Klünner 1991; Berlin
Handbuch 1993/1143-1145; Engel, H.-2 1993; Dehio 1994/74-75; Bärthel
2000; Boddien/Engel 2000; Maether 2000
(c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004
Stadtentwicklung
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