FRIEDRICHSTADT Die Friedrichstadt gehört zu den frühen Erweiterungen des historischen Stadtkerns von Berlin und Cölln. Sie wurde nach dem Tode des Großen Kurfürsten ab 1688 außerhalb der Mittelalterlichen Stadtmauer auf Betreiben seines Sohnes (1657-1713, Kfst. Friedrich III. ab 1688, Kg. Friedrich I. ab 1701 ) südlich der Dorotheenstadt auf der sog. Cöllnischen Feldmark vor dem Leipziger und dem Neuen Tor, beginnend auf dem kurfürstlichen Vorwerk zwischen der Kronen- und Jägerstraße, von Johann Arnold Nering (1659-1695) als dritte Neustadt und fünftes selbständiges städtisches Gemeinwesen (nach Alt-Berlin, Alt-Cölln, Friedrichswerder und Dorotheenstadt) in strenger Planmäßigkeit und Geometrie mit rechtwinklig sich kreuzenden Straßen angelegt und unter Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, Kg. ab 1713) beträchtlich erweitert. Als Gründungsjahr der F. gilt 1691, aber erst 1706 erhielt sie ihren Namen. Höhere Beamte wurden veranlaßt, in der neuen Stadt Häuser zu bauen, um darin Soldaten und auch Flüchtlinge aus Frankreich unterzubringen. Gewerke und Zünfte mußten Innungshäuser bauen (Kochstraße). Viele Häuser der Friedrichstadt mußten auf dem unsicheren Boden des Urstromtales auf Pfählen errichtet werden. Bald waren 23 Straßen entstanden, als deren wichtigste die 3,3 km lange Friedrichstraße (benannt nach König Friedrich I.), die Charlottenstraße (benannt nach Königin Sophie Charlotte ), die Wilhelmstraße (benannt nach dem Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm I. ), in der ab 1871 zahlreiche Reichsbehörden ihren Sitz nahmen, die Mauerstraße, die Behrenstraße sowie die Lindenstraße gelten können. Friedrichstraße, Wilhelmstraße und Lindenstraße führen sternförmig vom Rondell (Rondeel), später Belle-Alliance-Platz, heute Mehringplatz, ab. An vier Stellen entstanden Exerzierplätze, die unter Oberbaudirektor Johann Philipp Gerlach (1679-1748) in der ersten Hälfte des 18. Jh. bei der Erweiterung der Friedrich- und Dorotheenstadt zu bedeutenden stadtprägenden Plätzen umgestaltet wurden: Im Inneren der Friedrichstadt der Wilhelmplatz sowie am Stadtrand das Quarré hinter dem Brandenburger Tor (später Pariser Platz), das Octogon (Achteck) hinter dem Potsdamer Tor (später Leipziger Platz) und das Rondell (Rondeel) hinter dem Halleschen Tor. Per Königserlaß vom 18.1.1709 wurde die Friedrichstadt Bestandteil der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin. Seit 1920 gehört sie zu den Bezirken Mitte und Kreuzberg. Die Friedrichstraße entwickelte sich von einer ursprünglichen "Querstraße" (so lautete auch der Vorgängername für das älteste Teilstück) der Dorotheenstadt zur Hauptachse der Friedrichstadt und nach 1871 zur ersten Geschäfts- und Vergnügungsstraße sowie Hauptverkehrsader der Berliner City. Die schnurgerade Friedrichstraße, die seit König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, Kg. ab 1713 ) als Marschstraße zum Exerzierplatz auf dem Tempelhofer Feld diente, durchschneidet in nördlicher Richtung in Berlins Mitte die Koch-, Zimmer-, Leipziger und Französische Straße sowie die Allee Unter den Linden und endet am Oranienburger Tor. Weltruf erlangte der Kreuzungsbereich Friedrichstraße/Unter den Linden seit der ersten Hälfte des 18. Jh. als Brennpunkt des Fremdenverkehrs mit der Konditorei Kranzler an der Südwestecke, dem Café Bauer an der Südostecke und dem Café Viktoria an der Nordostecke. Im II. Weltkrieg weitgehend zerstört, erfuhr dieser berühmte Citybereich an der Friedrichstraße 1964/66 eine erste Neubebauung und seit Anfang der 90er Jahre eine grundlegende bauliche Umgestaltung. Ein weiteres bedeutendes topographisches Objekt in der Friedrichstraße ist der im Zusammenhang mit dem Bau der Stadtbahn (S-Bahn) entstandene, 1882 eröffnete und 1923 umgebaute Bahnhof Friedrichstraße, der sich zum Knotenpunkt im Vorort- und Stadtbahnverkehr entwickelte. Bereits 1884 passierten täglich 220 Lokalzüge und 94 Fernzüge in beiden Richtungen den Bahnhof Friedrichstraße, später sogar rund 700 Züge. Untertunnelungen machten seit 1935 die Station zum Bahn-Kreuz. 1961 bis 1989 verlief zwischen den Bahnsteigen C und B die Ost-West-Grenze. Von Oktober 1995 bis Anfang September 1999 wurde der Bahnhof nach Plänen von Architekt Werner Weinkamm mit einem Kostenaufwand von 220 Mill. DM umgebaut. Den Vier-Ebenen-Bahnhof mit seinen 50 Geschäften, Dienstleistungs- und gastronomischen Einrichtungen nutzen nun täglich ca. 110.000 Fahrgäste von fünf Regional-Expreß- und acht S-Bahn-Linien. Durch die enormen Zerstörungen im II. Weltkrieg, Mauerbau und Nachkriegs-Fehlplanungen wurden der Friedrichstraße schwere Schäden zugefügt. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Internationalen Bauausstellung 1987 (IBA) wurde für den Südteil der zerstörten ehemaligen barocken Friedrichstadt, der zu Kreuzberg gehört, der Plan für ein Demonstrationsgebiet "südliche Friedrichstadt" erarbeitet und teilweise realisiert. Nach dem Konzept von Josef Paul Kleihues wurden unter Beachtung der historischen Blockstruktur Baulücken gefüllt. Im Rahmen der "Kritischen Rekonstruktion" sollten nach der Vereinigung "die stadträumlichen Qualitäten dieser für das Verständnis und für die Funktion der Stadt so wichtigen Friedrichstadt wiedergewonnen werden." (STIMMANN, H. 1995/10) Die einstige zentrale Vergnügungsmeile soll im alten Glanz wiedererstehen. Zahlreiche elegante und luxuriöse Geschäfte sowie Bürohäuser sind entstanden. Im "Quartier 207" an der Ecke zur Französischen Straße eröffnete als erstes Kaufhaus im Februar 1996 das Pariser "Galeries Lafayette" mit seinem Glastrichter in der Mitte (Architekt: Jean Nouvel) eine Niederlassung. Weitere folgten. Einige hundert Meter nördlich bezog das "Dussmann-Haus", ein großes Kulturkaufhaus, sein Domizil; an der Ecke Leipziger Straße entstand das Büro- und Geschäftshaus "Atrium Friedrichstraße" mit 20.000 m² Büros, 3.500 m² Shops und 12 Wohnungen, das u.a. die Botschaften von Österreich, Südafrika und Neuseeland beherbergt; dazwischen stehen auf traditionellem Boden die drei Paläste der "Friedrichstadtpassagen" (Kosten: 1,5 Mrd. DM). 1995-1998 kam das Rosmarin Karree (Quartier 209 A) hinzu. Ob allerdings die Friedrichstraße nach der Rekonstruktion ihren weltberühmten "Charme" der Vorkriegszeit wiedererlangen kann, wird die Zukunft zeigen. Quellen
und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |