ÄLTESTE ÜBERLIEFERTE STADTANSICHTEN Die ältesten Stadtansichten von Berlin sind relativ jung. Über fast drei Jahrhunderte Berliner Stadtentwicklung sind keinerlei Karten und Ansichten über das Stadtbild erhalten geblieben. Vermutete Bild- und Kartendarstellungen sind bei den zahlreichen Stadtbränden, Plünderungen und anderen Katastrophen vernichtet worden. Die älteste überlieferte Stadtansicht stammt aus dem Jahre 1510. Ein Holzschnitt, der die Massenhinrichtung unschuldiger Juden aus der Zeit des Kurfürsten Joachim I. (1484-1535, Kfst. ab 1499) festhält, läßt im Hintergrund Gebäude am Neuen Markt, darunter die Marienkirche und die Residenz des Bischofs von Havelberg, erkennen. Inwieweit die Darstellungen der Wirklichkeit entsprachen, bleibt dahingestellt. Die nächstfolgende erhaltene Stadtansicht ist über ein Jahrhundert später entstanden. Ein Kupferstich, der Albrecht Christian Kalle aus Berlin [gestr. 3. Aufl.: (1630-1670)] zugeschrieben wird, zeigt im Vordergrund einen Teil des Reiterbildes des Kurfürsten Georg Wilhelm (1595-1640, Kfst. ab 1619) und im Hintergrund eine Panoramasicht auf Berlin und Cölln um das Jahr 1635. Die bedeutendsten Gebäude wie Kirchen und Rathäuser, aber auch das Schloß mit der "Wasserkunst" sowie dem "Thumb [Dom] zu der H. Dreifaltigkeit" sind durch Beschriftung hervorgehoben. Es ist die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, fünf Jahre vor Beginn der Herrschaft des Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620-1688, Kfst. ab 1640 ), unter der sich das Stadtbild gravierend verändern sollte (Stadterweiterungen bis Mitte des 19. Jh., Festungsanlage). Merians Stadtansicht zeigt die Doppelstadt eineinhalb Jahrzehnte später (um 1650). Seit 1642 gab der gebürtige Schweizer Zeichner, Radierer und Kupferstecher Matthaeus (Matthäus) Merian d.Ä. (1593-1650), Besitzer eines eigenen Verlages in Franfurt/Main, ein umfangreiches Werk zur topographischen Beschreibung von Landschaften und Städten heraus, das erst vier Jahrzehnte nach Matthaeus Merians Tod abgeschlossen wurde. Die Edition von Stadtansichten, Plänen und Karten, die nach 1650 von seinem Sohn Caspar oder Kaspar (1627-1686) weitergeführt wurde, umfaßte schließlich 30 Bände mit 2142 einzelnen Ansichten und 92 Landkarten. Die Kupferstiche wurden mit Texten versehen, die von dem Steiermärker Martin Zeiller stammen. Zu diesen topographischen Beschreibungen gehört auch die "Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae", deren erste Ausgabe 1652 bei den Erben Matthaeus Merians in Frankfurt/Main erschien und deren Kupferstiche (mit Ausnahme von Spandau) alle Caspar Merian zugeschrieben werden. Unter den Merianschen Kupferstichen befindet sich auch die erwähnte Stadtansicht "Chur.Fürstl.ResiSt.Berlin u. Cöln", die in breitem Panorama die Doppelstadt um 1650, von Cöllner Seite her gesehen, zeigt. Diese Dokumentation historisch topographischer Objekte ist, "zumal sie vor dem Beginn der Befestigung hergestellt ist, von unschätzbarem Werte" (PNIOWER, O. 1907). Der Standort des Betrachters liegt etwa im Bereich der heutigen Humboldt-Universität. Mit Buchstaben von A bis t sind die damals stadtprägenden topographischen Objekte gut erkennbar dargestellt, darunter die Anfänge der Straße Unter den Linden, der Schloß-Komplex (A-G), die Hundebrücke (S), die Heilig-Geist-Kapelle (Q), die Marienkirche (O), der damalige Dom (H), die Türme der Nikolaikirche (I) und des Cöllnischen Rathauses (L) sowie der Petrikirche (N) und das sog. Reithaus (M). Die Legende, die die Bezeichnungen der Stadtansicht enthält, befindet sich links unten. Der Text zur Merianschen Stadtansicht nimmt auf die Stadtgeschichte im 14. und 15. Jh. Bezug, insbesondere auf den sog. Berliner Unwillen und seine Niederschlagung durch Kurfürst Friedrich II. "Eisenzahn " (1413-1471, Kfst. 1440-1470): "Als nun diese Stadt, wegen ihres guten Lagers, der Bürger Fleiß und Arbeit, in kurzem ziemlich zugenommen, so hat sie darauf im Jahr 1380 eine große Feuersnot gehabt, daß fast alle Häuser daselbsten verbrannt sind. Der aber Kurfürst Sigismund von Brandenburg, hernach Römischer Kaiser, so solches Land von seinem Bruder Herrn Wentzeln bekommen, gewaltig wieder aufgeholfen und sie mit mehrern Freiheiten versehen hat. Anno 1440 sind die Bürger, des guten Glücks halber, so sie mit Kaufmannschaften gehabt, frecher worden und haben sich, mit großem Schaden der Stadt, gröblich an ihrem Rat vergriffen, und damit verursacht, daß Markgraf Friederich ihrer Freiheit ein Gebiß eingelegt und ein Schloß dahin erbauet." (Zit. nach MERIAN 1963/16) Nächstes
bedeutendes Dokument der ältesten überlieferten Stadtansichten
Berlins ist der Memhardt-Plan
(1652).
Quellen
und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |