KRIEGSZERSTÖRUNGEN TRÜMMERSCHUTT
Berlin gehört zu
den deutschen Städten, die im Ergebnis des II. Weltkrieges die größten
K. zu beklagen hatten. Berlin ist "so gründlich zerstört worden,
wie seit Karthago keine Großstadt" (POSENER, J. 1962/70). Bei 363
Luftangriffen, darunter 35 Großangriffe, waren Abertausende Tonnen
Sprengstoff und Phosphor (allein vom 1.2.-21.4.1945 mehr als 100 000 t)
auf Berlin geworfen und dabei etwa 49 600 Menschen getötet sowie
etwa 100 000 verletzt worden. Im Mai 1945 bewohnten von den 4,339 Mill.
Berlinern (1939) nur noch 2,807 Mill. die Stadt ( Bevölkerungsentwicklung
in Berlin). Das Vermessungsamt der Stadt ermittelte unmittelbar nach
Kriegsende, daß vom Gesamtbestand an 245 300 Gebäuden 11,3
Prozent (27 700) total zerstört und 8,2 Prozent (20 100) so schwer
beschädigt waren, daß ihre Wiederherstellung nicht (von Einzelfällen
abgesehen) in Betracht kommen konnte. In den Bezirken Mitte und Tiergarten
fielen über 50 Prozent der Wohnungen in diese beiden Kategorien.
Insgesamt wurden im II. Weltkrieg in Berlin Bauwerke mit einem Wert von
5 Mrd. RM (bei einem Bestand von 24 Mrd. RM) vernichtet. 28,5 km² von
187 km² bebauter Stadtgebietsfläche
waren total zerstört. Die 87 Pumpwerke der Stadtentwässerung
wiesen zu 60 Prozent Zerstörungen auf; schwere Beschädigungen
gab es auch an den 19 Wasser- und 8 Gaswerken sowie den Kraftwerken der
Stadt. Auch von den 188 Berliner Postämtern waren zwei Drittel schwer
beschädigt. 1939 hatte Berlin 277 628 Arbeitsstätten, davon
waren Anfang Mai 1945 nur noch 117 845 vorhanden und auch im August 1945
arbeiteten erst 41 842 Betriebe. Von den einst 1 562 641 Wohnungen konnten
nach dem Krieg nur noch 370 000 sofort wieder bewohnt werden, 380 000
galten als leicht beschädigt, über 500 000 Wohnungen als total
zerstört und rund 100 000 als schwer beschädigt, die für
lange Zeit ausfielen. Von 33 000 Krankenhausbetten standen im Mai 1945
nur noch 8 500 zur Verfügung; von 649 Schulgebäuden waren 149
völlig zerstört und 127 stark beschädigt; von den rund
400 Kinos nur noch 20 intakt. 1 350 km des insgesamt 4 300 km umfassenden
Berliner Straßennetzes waren völlig zerstört.
Verluste
an Berliner Gebäuden durch Zerstörung im 2. Weltkrieg
Grad der
Zerstörung |
Prozent |
Verlust des Bauwertes |
Verlustsumme (Milliarden) Reichsmark |
total schwer wiederherstellbar
leicht (bewohnbar) |
11,6 8,3 9,7 69,4 |
100 75 30 10 |
1,778 0,943 0,446 1,063 |
Quelle:
ZIMM, A. 1989/155 (nach RANDZIO, 1946)
Trotz
des hohen Grades an Zerstörungen wandten sich Stadtplaner und -theoretiker
in späteren Diskussionen über die weitere Stadtentwicklung
gegen die Legende der "total zerstörten Stadt" und verwiesen darauf,
daß nach Kriegsende immerhin noch 95 Prozent der unterirdischen
Anlagen der Stadt benutzbar sowie ca. 90 Prozent der städtischen
Infrastrukturen wie Straßen, Kanäle, Brücken, U-Bahnen
und S-Bahnen
noch erhalten waren. "Sie stellten für das Stadtgefüge einen
unschätzbaren Wert dar, der teilweise unterschätzt oder aber
bewußt ignoriert wurde". (SCHÄCHE, W./STREICH, W.J. 1985)
Infolge
der gewaltigen K. in Berlin fielen 1945 (späteren Schätzungen
zufolge) etwa 70 bis 90 Mill. m³ Schutt und Bruchsteine an, das entsprach
etwa 15 Prozent der gesamten deutschen Trümmermenge. Mindestens
45 Mill. m³ t. lagerten in Berlin-West, mindestens 30 Mill. m³ in Berlin-Ost.
Ihre Beseitigung war die Vorbedingung für den Wiederaufbau der
Stadt. Die Kosten der Enttrümmerung schätzte der Magistrat
im Januar 1946 auf etwa 1,45 Mrd. RM. Es wurde eine "Trümmerbahn"
auf Schmalspurgleisen in einer Länge von 45 km angelegt. Zunächst
deckte man mit dem Schutt Bombenkrater, Schützengräben, Luftschutzeinrichtungen
und andere Kriegs- und Nazirelikte zu. Ein anderer Teil wurde zu Verladerampen
an der Spree gefahren und per Kahn in die Provinz Brandenburg abtransportiert
(Transportkosten für einen Kubikmeter auf 3 km: 2,20 DM). Vor allem
aber wurden mit großen Mengen des t. künstliche Hügel
aufgetürmt, begrünt und zu Erholungsparks umgestaltet.
Der
erste Berliner Trümmerberg entstand hinter dem Ausstellungsgelände
am Funkturm, zahlreiche weitere folgten. Der größte Berg
aus dem t. der Stadt entstand zwischen 1950 und 1972 am Nordrand des
Grunewalds nahe dem Teufelssee aus 26 Mill. m³ t. Dieser "Teufelsberg "
ist mit 115 m über NN gemeinsam mit den Müggelbergen (Bezirk
Köpenick) die höchste Erhebung Berlins. Ähnlich riesige
Trümmeraufschüttungen entstanden im Friedrichshain , wo etwa
eine Million m³ t. zu zwei gewaltigen Hügeln über gesprengten
ehemaligen Flakbunkern aufgehäuft wurden: dem 52 m hohen Kleinen
Bunkerberg , der eine Rodelbahn erhielt und dem 78 m hohen "Mont Klamott",
dem Großen Bunkerberg mit Aussichtsplateau. Auch die sog. Oderbruchkippe
an der Oderbruchstraße ziert ein 89 und 91 m hoher Doppelgipfel
im heutigen Volkspark Prenzlauer Berg. Weitere bekannte große
Trümmerberge sind die 86 m hohe Humboldthöhe im Volkspark
Humboldthain, der 75 m hohe "Insulaner" im Bezirk Schöneberg, die
73 m hohe Marienhöhe im Bezirk Tempelhof, die 70 m hohe Rixdorfer
Höhe im Volkspark Hasenheide sowie die 60 m hohe Rudower Höhe
an der Grenze zwischen Neukölln und Köpenick. Die
gärtnerisch gestalteten und teilweise dicht bewaldeten Hügel
ergänzen heute harmonisch die Naturlandschaft und lassen ihre Herkunft
als Trümmerberge kaum noch erkennen. Sie dienen der Erholung und
Freizeitbeschäftigung der Bevölkerung (u.a. als Rodelberge).
Quellen
und weiterführende Literatur: 
Havemann 1946/13-18; Berlin in Zahlen 1946/1947, hrsg. vom Hauptamt
für Statistik und Wahlen von Groß-Berlin, Berlin 1949, S.
185-186; Schwedler 1953/180-181; Lampe 1962/473-476; Thalheim 1962/765-768;
Berlin und seine Bauten 1964/60-61; Bauer/Hühns 1980/338-339; Schäche/Streich
1985/44-47; Endlich 1987/198, 206-208; Kühne 1992/220; Zimm 1989/152-155;
Holmsten 1990/394-395; Prang/Kleinschmidt 1990/39-40; Burg/Crippa 1991/57;
Bundeszentrale für politische Bildung 1993/8; Berlin Handbuch 1993/1261;
Kühne 1993/220-221; Peters 1995/180-182; Keiderling 1999; Stadt
der Architektur 2000/215-216
(c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004
Stadtentwicklung
|