BALLUNGSGEBIET
BERLIN
Allgemein
wird unter B. ein Verdichtungsgebiet mit starker territorialer Konzentration
von Wirtschaft, Bevölkerung, Wohnstätten, Verkehrs-, Versorgungs-
und Sozialeinrichtungen mit mindestens 500 000 Ew. und einer Bevölkerungsdichte
von 10 und mehr Bewohnern pro ha (= 1 000 Bewohner/km²) verstanden.
Das B. besteht aus:
1.
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dem
Ballungskern, dem eigentlichen Stadtgebiet von Berlin mit einer Fläche
von 890,22 km² und 3,399 Mill. Einwohnern (1998); diese Stadtgebietsfläche
hat sich von 73 ha im 14. Jh. auf 89 022 ha im Verlaufe von etwa 600
Jahren vergrößert, also mehr als vertausendfacht; die durchschnittliche
Bevölkerungsdichte liegt im Stadtgebiet bei über 38,2 Einwohnern/ha,
wobei zwischen den einzelnen Stadtbezirken erhebliche Unterschiede
bestehen: Während Kreuzberg mit 143,7 Einwohnern/ha an der Spitze
liegt, steht Köpenick mit 9,0 Einwohnern/ ha am Schluß.
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2.
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dem Umland von Berlin, zu dem außer dem Stadtkreis Potsdam (Bevölkerungsdichte
rd. 13 Einwohner/ha) mehr oder weniger große Teile der acht
an Berlin grenzenden Landkreise gezählt werden. Eine genauere
Abgrenzung des zum B. gehörenden "Umlandes" ist nicht unproblematisch.
Innerhalb eines 60-km-Radius um das Stadtzentrum leben knapp 4,3 Mill.
Menschen, wovon 80 Prozent auf Berlin und 20 Prozent auf das Umland
entfallen. |
Das
B. Berlin ist in der zweiten Hälfte des 19. Jh. entstanden. Noch
bis weit ins 19. Jh. hinein bot der überwiegende Teil des heutigen
Berliner Stadtgebietes ein Bild rein ländlicher Besiedlung mit geringer
Bevölkerungsdichte. 1801 existierten im Bereich des heutigen Berlin
erst sechs Gemeinden mit einer Dichte von mehr als 50 Bewohnern pro km²
darunter das damalige Berlin mit einer Dichte von 13 342 Einwohnern/km²
(= 133,4 Ew./ha).
Auf der Grundlage der Industrialisierung Berlins
und des Aufstiegs zum herausragenden Industriestandort entstand ein zusammenhängendes
Berliner B. 1834 hatten die neu entstehenden Berliner Großindustrien
durch den Deutschen Zollverein einen expandierenden Markt erhalten, der
in der Folgezeit durch den Ausbau des Verkehrswesens weiter stark gefördert
wurde. Es entstanden neue Siedlungen in den Außenbezirken. Durch
die Erweiterung des Stadtgebietes und die wachsende Bevölkerungsdichte
überschritt Berlin zwischen 1850 und 1871 die für ein B. maßgebliche
Grenze von 500 000 Bewohnern.
Zur
Zeit der Reichsgründung 1871 (824 484 Ew.) existierte bereits ein
großes Berliner B. Es entwickelte sich der Wilhelminische Mietskasernengürtel. Neben
Alt-Berlin erreichten nun auch Charlottenburg,
Schöneberg und Friedenau eine durchschnittliche Dichte von über
10 000 Bewohnern; Rixdorf über 7 500, Lichtenberg 4 300, Pankow 3
587, Wilmersdorf 3 834, Steglitz 3 571, Weißensee über 4 300;
über 1 000 Ew./km² bewohnten ferner Friedrichshagen, das spätere
Oberschöneweide, Adlershof, Reinickendorf, Tegel, Schmargendorf,
Grunewald und Lichterfelde. Die großen Industriebetriebe hatten
zunehmend ihre Fabriken aus der Stadt hinausverlagert; die neuen Industriereviere
an der Peripherie dehnten das Berliner B. immer weiter aus. 1890 lag die
Bevölkerungsdichte im Abstand von 5-6 km vom Zentrum Berlins (etwa
am Standort Rotes Rathaus) noch bei 3 415 Ew./km².
Bis
zum I. Weltkrieg war die Stadt Berlin schon völlig über ihre
Verwaltungsgrenzen hinaus und mit den Nachbarstädten Charlottenburg,
Schöneberg, Neukölln und Wilmersdorf zusammengewachsen. 1920
wurde die siedlungsgeographische Einheit dieses zusammengeballten Konglomerats
der bis dahin existierenden 8 Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke
zur Einheitsgemeinde Groß-Berlin ( Groß-Berlin-Gesetz
[1920]) mit 20 Bezirken unter zentraler Leitung eines Magistrats umgewandelt.
Berlin umfasste nun eine Fläche von 878,1 km², auf der 3,879 Mill.
Einwohner lebten. Das B. war nicht nur Handels-, Finanz- und Dienstleistungszentrum
des Deutschen Reiches geworden, sondern zu einem der wichtigsten europäischen
Verkehrsknotenpunkte und bedeutendsten Industriestandorte herangewachsen:
Etwa ein Zwölftel aller deutschen Unternehmen war in der Stadt konzentriert
und etwa 10 Prozent sämtlicher Beschäftigten Deutschlands arbeiteten
hier. Die Bevölkerungszahl erreichte 1943 mit 4,430 Mill. Ew. den
höchsten Stand der Stadtgeschichte ( Bevölkerungsentwicklung
in Berlin).
Der
II. Weltkrieg brachte einen tiefen Einschnitt in der Entwicklung des B.
Nächst den katastrophalen Kriegszerstörungen
waren das vor allem die äußerst negativen Auswirkungen der
Teilung auf die demographische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung
des gesamten B. Die historisch gewachsene radial-konzentrische Struktur
zerfiel, und es entstand eine neue, durch zwei Teilmetropolen gekennzeichnete
bipolare Struktur. Berlin-West wurde von Berlin-Ost sowie dem historisch
gewachsenen Umland abgetrennt; Berlin-Ost verwuchs intensiver mit seinem
Umland. Die Einwohnerzahl erreichte in Berlin-West 1950 2,147 Mill. und
hielt dieses Level mit gewissen Schwankungen bis 1990. In Berlin-Ost nahm
die Einwohnerzahl von 1,189 Mill. (1950) zunächst bis 1960 ab (1,072
Mill.) und erreichte am 3.10.1990 1,274 Mill. Im Zuge der unterschiedlichen
Stadtentwicklungspolitik in beiden Teilen Berlins erhielten große
Bereiche der Innenstadt, aber auch die Randgebiete ein völlig
neues Gepräge. Dies zeigt sich sowohl in der Stadtsanierung als auch
in den neuen großen Gewerbegebieten und Industrieansiedlungen und
vor allem in den neu strukturierten Wohngebieten und Großsiedlungen wie Gropiusstadt, Falkenhagener
Feld und Märkisches Viertel in
Berlin-West sowie Leninallee (heute Landsberger Allee)/Weißenseer
Weg, Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf in Berlin-Ost.
Die
Öffnung der Mauer im November 1989 und die folgende Wiedervereinigung
der Stadt bedeuten auch die Wiedergewinnung des regionalen Einzugsgebiets
für die gesamte Stadt. Das B. nimmt heute immer mehr die Dimension
einer Region Berlin-Brandenburg an, wobei die Verflechtungsbeziehungen
zwischen Ballungskern und Umland noch immer ungleich schwächer ausgeprägt
sind als in vergleichbaren westdeutschen Großstädten. Durch
die Vereinigung wurde das B. nach dem Rhein-Ruhr-Ballungsraum zum zweitgrößten
Deutschlands. Der Versuch, das Zusammenwachsen der Länder Berlin
und Brandenburg als "Fusion" auf eine neue Stufe zu heben und in einen
neuen administrativen Rahmen zu bringen (diesbezüglich wurde am 27.4.1995
zwischen beiden ein Staatsvertrag über die Vereinigung Berlins und
Brandenburgs zum neuen Bundesland Berlin-Brandenburg geschlossen), scheiterte
an der dazu durchgeführten Volksabstimmung am 5.5.1996 ( Länderfusion/Fusionsvertrag [1995]).
Quellen
und weiterführende Literatur: 
Nicolai 1786/209 ff.; Berlin und seine Bauten 1896/XXIII u. XXIV; Krüger
1928/77-81; Leyden 1933/84-102; Louis 1936/3-12; Havemann 1946/7-9; Berlin
und seine Bauten 1964/40-42, 47-56, 61-77; Kellermann 1965/8; Müller
1985/243-249; Werner 1985/223-241; Zimm 1989/10-17, 58f.; Hofmeister 1990/62f.;
Sukopp 1990/41-46; Brunn/Reulecke 1992/1-77; Escher 1992/103-109; Materna
1992/111-116; Räumliches Strukturkonzept 1992/52; Statistisches Jahrbuch
1997/23-28; Eickelpasch 1993/1395-1423; Ellger 1993/1277-1278; Ring 1993/236-248;
Peters 1992-2/17-31; Peters 1995/142-148
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2004
Stadtentwicklung
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