MARZAHN
Der
Bezirk M. wurde 1979 gebildet (Beschluß der Ost-Berliner Stadtverordnetenversammlung
vom 5.1.1979). Es war die erste der 3 Ostberliner Bezirksneugründungen
nach 1945. Der Bezirk M. entstand durch Zusammenlegung der bis dahin zu
Lichtenberg gehörenden Ortsteile (Groß-Berlin-Gesetz
[1920]) Marzahn, Friedrichsfelde/Ost (Friedrichsfelde), Biesdorf,
Kaulsdorf, Mahlsdorf und Hellersdorf, sowie Teilen des Bezirks Weißensee;
wobei Kaulsdorf, Mahlsdorf und Hellersdorf 1986 wieder aus dem Bezirk
ausgegliedert und dem Bezirk Hellersdorf
zugeschlagen wurden. Zugleich wurde M. um Teile von Falkenberg und Ahrensfelde
(Kreis Bernau) erweitert. Der Bezirk M. nimmt eine Fläche von 3.157
ha ein (1999) und hat damit eine vergleichbare Größe wie die
Bezirke Weißensee (3.015 ha), Steglitz (3.196 ha) oder Charlottenburg
(3.033 ha).
Kern der Siedlung ist das alte Bauerndorf M. Es bestand Anfang des 19. Jh.
aus 35 Wohnhäusern, in denen 223 Menschen lebten; noch 1920 bei der
Eingemeindung nach Groß-Berlin (Groß-Berlin-Gesetz
[1920]) hatte M. nur etwa 750 Einwohner. Die heute noch in Alt-Marzahn
erhaltenen rd. 60 älteren Bauten stammen meist aus der zweiten Hälfte
des 19. Jh. Das alte Dorf wurde seit 1976 in die entstehende Neubausiedlung
einbezogen, wobei der alte Dorfkern in der Folgezeit aufwendig rekonstruiert
wurde. Auf dieser so entstandenen "Milieuinsel" mit ihren kleinen gewerblichen
Werkstätten und Läden sowie kulturellen und gastronomischen Einrichtungen
leben heute etwa 130 Menschen.
Anstelle einer mittelalterlichen Feldsteinkirche
entstand 1870 nach Plänen von Friedrich August Stüler (1800-1865)
die heutige Dorfkirche. 1898 erhielt M. einen eigenen Haltepunkt an der
Eisenbahn. 1963 wurde im Norden des Bezirks das erste vollbiologische Klärwerk
Ost-Berlins in Betrieb genommen.
Der Bezirk M. erhält sein Gepräge durch die hier zwischen 1976
und 1987 entstandene Großsiedlung,
die mit 62 135 Neubauwohnungen das größte Wohnungsbauprojekt
der DDR war und zugleich die größte zusammenhängende Neubausiedlung
Deutschlands darstellt. 95 Prozent der Wohnungen des Bezirks sind nach 1975
gebaut worden; 99 Prozent der Wohnungen verfügen über Bad oder
Dusche.
Der Bezirk M. war nach Lichtenberg der bevölkerungsreichste Bezirk
im ehemaligen Ost-Berlin (1987: 172 476 Einwohner). Die Einwohnerzahl war
in den letzten Jahren rückläufig (jeweils am Jahresende):
1990: 167 371 1996: 155 843 1998: 143 407
1994: 161 878 1997: 148 569 1999: 140 166
1998 verließen 15.861 Personen den Bezirk, aber nur 10.759 zogen hinzu;
der sog. Fortzugsüberschuß belief sich auf 5.102 Personen (1997
waren es sogar 7.203, 1996 3 803 Personen). Hinzu kam 1998 ein leichter
Sterbeüberschuß von 60 Menschen. 1999 betrug der Fortzugsüberschuß
3 156 und der Sterbeüberschuß 85 Personen. Zielgebiete des Fortzugs
waren 1998: andere Berliner Bezirke (9 707), die neuen Bundesländer
(4 243), das Ausland (993) und am Schluß die alten Bundesländer
(918). Von den 9 707 Personen, die 1998 aus M. in andere Berliner Bezirke
umsiedelten (sog. Binnenfortzüge), zogen 1 642 ins benachbarte Hellersdorf,
1.448 nach Lichtenberg und 1050 nach Hohenschönhausen,
aber nur 34 nach Zehlendorf, 65 nach Schöneberg und 71 nach Wilmersdorf.
Von den 7 921 Zuzügen aus anderen Berliner Bezirken kamen 1.990 aus
Hellersdorf, 1.280 aus Lichtenberg und 814 aus Hohenschönhausen, aber
nur 22 aus Zehlendorf, 40 aus Wilmersdorf und 49 aus Charlottenburg. Die
Wanderungen zwischen M. und den übrigen Bezirken (sog. Binnenwanderungssaldo)
wiesen 1998 ein Defizit von 1.786 Personen aus. Zudem gehörte M. mit
10 563 Umzügen innerhalb des Bezirks (1998) zu den Bezirken mit der
höchsten Zahl von Umzügen im selben Bezirk (Bevölkerungsbewegung
in Berlin in den 90er Jahren). Ende 1999 lebten 5 620 Ausländer
in M., das waren 1,3 Prozent der in Berlin lebenden ausländischen Bevölkerung
(zum Vergleich: Neukölln 14,7 Prozent, Kreuzberg 11,0 Prozent, Wedding
11,1 Prozent). Eine Sozialstudie zum 20. Jahrestag von M., die das Sozialwissenschaftliche
Forschungszentrum Berlin-Brandenburg 1999 durchführte, ergab, daß
70 Prozent der Befragten mit ihren Lebensbedingungen zufrieden sind und
sich mit dem Bezirk identifizieren.
Die Altersstruktur der Bevölkerung von M. ist typisch für einen
Neubaubezirk. Ende 1998 waren 14,8 Prozent der Einwohner unter 15 Jahre
alt (zum Vergleich: in Berlin insgesamt 14,0 Prozent); dagegen betrug der
Anteil der älteren Menschen (65 und mehr Jahre) im Bezirk M. nur 8,4
Prozent (zum Vergleich: in Berlin insgesamt 13,8 Prozent).
Die Errichtung des Neubaugebiets M. war Bestandteil des von der DDR erhobenen
Anspruchs, die Lösung
der Wohnungsfrage als soziales Problem erreichen zu wollen. Entsprechend
einem Beschluß vom 27.3.1973 sollte mit dem Bau von 35 000 WE im Großwohngebiet
Biesdorf/Marzahn begonnen werden. Mit der Zielsetzung des Politbüro-Beschlusses
vom 3.2.1976 zur "Entwicklung der Hauptstadt der DDR", der vorsah, von 1976
bis 1990 300 000 bis 350 000 Wohnungen durch Neubau und Modernisierung zu
schaffen, erhöhte sich der Druck auch auf den Wohnungsbau im Bezirk
M., zumal unter den veränderten Bedingungen (u.a. Verzögerungen
beim Wohnungsbau in Hohenschönhausen,
Verzicht auf die weitere nördliche Stadterweiterung). Es kam zur Verdichtung
und Erweiterung des Neubaugebietes Marzahn mit über 27 000 Wohnungen
im Zeitraum 1982-1989. Die Leitung von Gesamtplanung, Investitionsvorbereitung
und Baudurchführung lag bei Günter Peters nach städtebaulichen
Entwürfen von Roland Korn (* 1930) und Heinz Graffunder (1926-1994).
Die Großsiedlung M. wurde mit einem Gesamtaufwand von 9,5 Mrd. Mark
auf einer Fläche von 30,9 km² errichtet (zum Vergleich: Gesamtfläche
der Bezirke Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain: 31,2 km²). Die Großsiedlung
verfügt über mehrere kommunale Zentren; Hauptzentrum ist die Marzahner
Promenade mit Warenhaus, Hauptpostamt, Kulturhaus, Freizeitforum und Ladenstraße.
Das Verwaltungszentrum liegt am Helene-Weigel-Platz. Hier steht das 1989
von einem Architektenkollektiv unter Leitung von Wolf-Rüdiger Eisentraut
(* 1943) in Großplattenbauweise mit Ziegelfassade errichtete 5geschossige
Rathaus. Es ist von 3 Wohnhochhäusern mit 25 Etagen umgeben, den höchsten
Gebäuden des Bezirks. Eisentraut lieferte auch den Entwurf für
das architektonisch bemerkenswerte Hauptpostamt am S-Bahnhof M. Im Freizeitforum
Marzahn befinden sich neben einem speziellen Schülerfreizeitzentrum
eine Schwimmhalle (50-m-Becken), eine große Sport- sowie Kegelhalle,
eine Studiobühne und ein großer Veranstaltungssaal.
Neue große Industrie- und Gewerbestättengebiete entstanden bandförmig
entlang der Rhinstraße und den S-Bahnstrecken nach Ahrensfelde/Hohenschönhausen.
Gleichzeitig mit der Errichtung der Großsiedlung erfolgte die verkehrstechnische
Erschließung des Gebietes. 1976 bis 1979 wurde das erste Teilstück
der 7 km langen S-Bahn-Linie von Friedrichsfelde-Ost bis Ahrensfelde (Stadtgrenze)
mit den Bahnhöfen Springpfuhl, Karl-Maron-Straße (heute Poelchaustraße)
und M. eröffnet. 1980 wurde sie über Bruno-Leuschner-Straße
(heute Raoul-Wallenberg-Straße) bis Otto-Winzer-Straße (heute
Mehrower Allee) verlängert, und am 30.12.1982 ging das letzte Teilstück
bis Ahrensfelde in Betrieb. Auch die U-Bahn (Linie U5) berührt M. mit
zwei Stationen im Ortsteil Biesdorf (Biesdorf Süd, Elsterwerdaer Platz).
Die Landsberger Allee sowie etliche Straßenbahnlinien und Buslinien
verbinden M. mit dem Stadtzentrum und den anderen Bezirken. Ein 20 km langes
Hauptstraßennetz mit 9 Brücken wurde für den Kfz.-Verkehr
angelegt.
Nördlich vom Rathaus liegt die Grünanlage Springpfuhlpark, die
als Flächennaturdenkmal (eiszeitlicher Pfuhl) eingetragen ist. Im Niederungsbereich
der Wuhle entsteht auf 9 km Länge zwischen Ahrensfelde und der Straße
Alt Biesdorf eine über 400 ha große Grünanlage, von der
etwa die Hälfte in M. liegt. Auf den hier entstandenen Hellersdorfer
Bergen (Aufschüttung von Baugrubenschutt) mit dem 102 m hohen Hellersdorfer
Berg (ehem. Kienberg) wurde 1987 die Berliner Gartenschau eröffnet,
erste Ausbaustufe des auf längere Sicht geplanten Naherholungsgebiets.
Die gärtnerische Präsentation, die gleichzeitig Informations-
und Erholungszwecken dient, wurde 1992 in Erholungspark Marzahn umbenannt.
Das Gebietsreformgesetz
[1998] sieht vor, daß die Bezirke M. und Hellersdorf
bis zum 1.1.2001 einen der 12 neuen Großbezirke mit eine Fläche
von 6 136 ha und rund 268 000 Einwohnern bilden werden.
LUDWIG
ERHARD (1897-1977): WENN’S BESSER KOMMT...
"Wenn’s besser kommt als vorausgesagt, dann verzeiht man sogar
dem falschen Propheten."
Quelle: Harenberg Kalender Verlag, Dortmund
1999
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Quellen und weiterführende Literatur:
Torge 1939/84; Herrmann 1987/291-303; Schulz/Gräbner 1987/157-167;
Trost 1987-II/243-267; Rach 1990/221-226; Baedeker 1992/475-476; Stadtidee
1992/195; Berliner Wohnquartiere 1994/258-263; Berlin Handbuch 1993/804-807;
Kühne 1993/229; Dehio 1994/305-308; Peters 1995/217-218; 240-242; Topographischer
Atlas 1995/128; Schnitter 1998; Berliner Kurier v. 13. November 1999, S.
13; Statistisches Landesamt Berlin, lfd.; Stadt der Architektur 2000/337-357
(c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004
Stadtentwicklung
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