GEBIETSREFORMGESETZ(Bezirksreform 1998)
Nach dem G. wird die Zahl der Berliner Bezirke von 23 auf künftig 12 Großbezirke reduziert. Darauf hatte sich der Koalitionsausschuß von CDU und SPD am 26.2.1998 verständigt. Von den Zusammenlegungen sind vor allem die östlichen Bezirke betroffen. Es werden die Bezirke Mitte, Tiergarten und Wedding den neuen Großbezirk Mitte bilden und Prenzlauer Berg mit Pankow und Weißensee fusionieren. Zweier-Fusionen werden sein: Friedrichshain und Kreuzberg, Lichtenberg und Hohenschönhausen sowie Hellersdorf/Marzahn, Köpenick/ Treptow, Schöneberg/Tempelhof, Steglitz/Zehlendorf und Charlottenburg/Wilmersdorf. Die 3 Bezirke der westlichen Stadthälfte Reinickendorf, Spandau und Neukölln bleiben in bisheriger Form weiter bestehen. Einen Monat später, am Abend des 26.3.1998, erhielt der Vorschlag des Koalitionsausschusses von CDU und SPD im Abgeordnetenhaus die erforderliche Zweidrittelmehrheit von 138 Stimmen für die Änderung der Berliner Landesverfassung, als 140 Abgeordnete in namentlicher Abstimmung für das Reformpaket votierten. Für die G. stimmten alle 87 CDU- sowie 53 SPD-Abgeordneten, dagegen zwei SPD-Abgeordnete sowie die Oppositions-Fraktionen Grüne und PDS. Während der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen von einem "historischen Tag" und größten Reformprojekt seit der Gründung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin (1920) sprach, kritisierte die PDS-Fraktionschefin Carola Freundl die beschlossene Gebietsreform als "ein reines Kunstprodukt der Großen Koalition". Die Berliner Presse sprach von "Jahrhundert-Reform" und "Jahrhundertwerk", die Gegner der Reform von "Konstrukt", "Verwaltungsroulett" und "Kopfgeburt". Als Gebietsreformgesetz erhielt der Beschluß des Abgeordnetenhauses zur Reform der Berliner Verwaltung am 10.6.1998 Gesetzeskraft. Die Vorgeschichte hatte Anfang 1996 begonnen, als die Berliner SPD und CDU in ihrem Koalitionspapier in Aussicht stellten, im Jahre 1999 eine G. durchzuführen. Nach jener ursprünglichen Auffassung sollte die G. zeitgleich mit der geplanten Länderfusion Berlin-Brandenburg stattfinden, wobei letzteres an der Ablehnung Brandenburgs beim Volksentscheid am 5.5.1996 scheiterte. Die G. sah in der ursprünglichen Form vor, die Zahl der Bezirke von 23 auf 18 zu reduzieren. Im Herbst 1996 wurde erstmals eine Variante in die Öffentlichkeit gebracht, derzufolge die Zahl der Bezirke bis 1999 auf 12 reduziert werden sollte. Danach sollten als neue "Dreier-Bezirke" Tiergarten/ Mitte/Kreuzberg ("City-Bezirk") sowie Pankow/Weißensee/ Hohenschönhausen zusammengelegt werden; als "Zweier-Bezirke" Wedding/Prenzlauer Berg, Friedrichshain/Lichtenberg, Marzahn/ Hellersdorf, Charlottenburg/Wilmersdorf, Zehlendorf/Steglitz, Schöneberg/Tempelhof sowie Köpenick/ Treptow; als "Solo-Bezirke" sollten lediglich Spandau, Neukölln und Reinickendorf weiter bestehen bleiben. Aber diese ersten Vorschläge konnten sich nicht durchsetzen. Die G. sieht ferner vor, den Senat um zwei Senatoren auf acht zu verkleinern. Im Parlament sollen künftig nur noch mindestens 130 Abgeordneten anstatt bisher mindestens 150 sitzen. Die Bezirksämter der neuen Bezirke werden künftig aus sechs statt bisher aus vier Stadträten bestehen. Das Verfahren für einen "gleitenden Übergang" sah vor, nach den Berliner Wahlen am 10.10.1999 die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) noch in den alten Bezirksgrenzen zu wählen. Bis 30.9.2000 tagten die BVV der 20 von Fusionen betroffenen Bezirke (also mit Ausnahme der "Solo"-Bezirke Reinickendorf, Spandau und Neukölln) vorübergehend noch getrennt, begannen aber bereits miteinander zu kooperieren. Zwischen dem 1.10. und 31.12.2000 wurden die BVV endgültig zusammengeführt und ihre Bezirksämter gewählt. Die Amtszeit der neuen Bezirksämter beginnt am 1.1.2001. Nach der Wahl 2004 werden die BVV in allen 12 Großbezirken aus jeweils 55 Mitgliedern bestehen. Fragen wie die nach den neuen Bezirksnamen und -wappen, Rathaus-Standorten und andere sind teilweise noch zu klären.
Geplante Struktur der Bezirke: 1999 und nach der Reform(Einwohnerzahlen und Fläche 31.12.1999, Fläche in km²)
Quelle: Statistisches Landesamt Berlin, Juni 2000
Als Hauptargument für die geplante G. wird die Entlastung des Landeshaushalts von Ausgaben in vielfacher Millionenhöhe jährlich (160 Mill. DM "sofort") genannt. Den Einsparungsvorstellungen widersprechen jedoch die Gegner der G. vehement. Sie kritisieren, daß die Bezirksfusion "von oben" erfolge und verweisen darauf, daß im Interesse einer orts- und bürgernahen Verwaltung Außenstellen der Ämter geschaffen und Ausgaben für neue Technik in den Verwaltungen eingeplant werden müßten. Jede Reform müsse vor allem - so betonen die Kritiker - die Leistungen der Verwaltungen für die Bürger verbessern. Welchen Einfluß die geplante G. auf die politische "Landschaft" der Metropole haben wird, wird sich zeigen, wenn im Ergebnis der Reform "Hochburgen" einiger Parteien mit anderen Bezirken fusionieren. Auch wie die weitere Bevölkerungsentwicklung in Berlin von der G. berührt wird, ist noch nicht abzusehen (Bevölkerungsbewegung in Berlin in den 90er Jahren). In den letzten Jahren war die Einwohnerzahl Berlins rückläufig. Sie betrug (jeweils am Jahresende):
1990: 3 433 695 1996: 3 458 763 1993: 3 475 392 1997: 3 425 759 1994: 3 472 009 1998: 3 398 822 1995: 3 471 418 1999: 3 386 667
Quellen und weiterführende Literatur: Berliner Zeitung v. 30. Januar 1996, S. 21, 26./27. Oktober 1996/17, 27. Februar 1998/18; 27. März 1998 1 u. 2; Statistisches Jahrbuch 1997/20 u. 32; Berliner Kurier v. 1. April 1998, S. 7; Statistisches Landesamt Berlin, 1999 u. 2000
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