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Der feine Westen

Birgit Jochens und Elke von der Lieth zur Vereinigung von Charlottenburg und Wilmersdorf im Großbezirk City West

Berlin verändert sein Gesicht und auch seine Verwaltungsstruktur. Aus dreiundzwanzig Stadtbezirken werden zwölf. Nur Spandau, Neukölln und Reinickendorf bleiben unverändert erhalten. So sieht es das Gebietsreformgesetz vom 10. Juni 1998 vor. Was seit dem 27. April 1920 der Stadt eine »innere Ordnung« gab, verändert in den siebziger und den achtziger Jahren nur durch die drei neuen Großsiedlungsbezirke Hohenschönhausen, Marzahn und Hellersdorf, ist nun bald perdu. Leiter von Heimatmuseen der Stadtbezirke wissen aus bester Quellenkenntnis, was diese Schnitte in die Berliner Seele bedeuten. Die Gesprächspartner diesmal: Birgit Jochens (Charlottenburg) und Elke von der Lieth (Wilmersdorf)

Bekanntlich identifizieren sich die Berliner vor allem mit ihrem Kiez, erst in zweiter Linie mit dem Bezirk und der Gesamtstadt. Trotzdem gab es überall heftige Diskussionen um die Zusammenlegung der Stadtbezirke. Wie war das in Charlottenburg und Wilmersdorf?
     Birgit Jochens: Die Charlottenburger und die Wilmersdorfer müssen sich an die neue Situation gewöhnen. Soweit wir es überblicken, sind die Irritationen über diese Fusionierung nicht so stark ausgeprägt.

Das liegt meines Erachtens daran, daß diese beiden Bezirke eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten haben. Sie sind, früher noch deutlicher als heute, vergleichbar in ihrer Sozialstruktur. Man sieht das auch an der Qualität und dem Charakter der Wohnbebauung. Vor allem in der Vergangenheit waren es Kommunen mit einem hohen Anteil von Angehörigen der Mittelschichten, auch der gehobenen Mittelschicht, dementsprechend gab es viele Gelehrte und Künstler und ein reiches jüdisches Leben. Charlottenburg und Wilmersdorf definieren sich als zentrale Citybereiche der Stadt, verbunden maßgeblich auch durch den Kurfürstendamm.
     Elke von der Lieth: Natürlich kenne ich das komplette Meinungsbild der Wilmersdorfer nicht. Aber ich glaube, es gibt da nicht so große Animositäten und also auch kein Problemfeld. Als Bürger identifiziert man sich zum Beispiel mit seinem Geburtsort, seiner Schule, seiner Kirche - also mit persönlichen Identifikationsorten, fühIt sich darum als Wilmersdorfer. Oder Schmargendorfer. Oder Grunewalder. Diese Identifikation mit der Großstadt, mit der noblen Adresse, war stets ungebrochen.

Was hat Ihr Bezirk in diesem Jahrhundert für die Entwicklung der Stadt bedeutet, welche Traditionen sind mit ihm verbunden?
     Elke von der Lieth: Wilmersdorf ist ja als Gemeinde schon über siebenhundert Jahre alt, das Dorf Lützow, auf dessen Flur bekanntlich später Charlottenburg entstand, war jahrhundertelang hierher eingepfarrt.

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Am 20. August 1906 bekam Wilmersdorf unter dem Namen Deutsch- Wilmersdorf das Stadtrecht, schied ein Jahr später aus dem Kreis Teltow aus. Es war eine Großstadt von etwa 100000 Einwohnern, zwanzig Jahre früher waren es nur etwa 5000 gewesen. Unter allen Städten Berlins hatte Wilmersdorf - nach Lichtenberg - die kürzeste urbane Eigenständigkeit, wurde 1920 mit Schmargendorf und der Kolonie Grunewald zum 9. Verwaltungsbezirk. Um die Jahrhundertwende fuhr der Berliner 'raus ins Grüne nach Wilmersdorf zu Otto Schramms Badeanstalt und Ausflugslokal am damaligen Wilmersdorfer See und zum größte Amüsierzentrum Berlins, dem Lunapark Halensee, der von August Aschinger mitbegründet worden war und 1934 abgerissen wurde. Man fuhr auch mit der Dampfstraßenbahn an die kleinen Seen, zur Hundekehle, in den Grunewald. Der Bahnhof Halensee, der damals Bahnhof Grunewald hieß, war wichtigster Verkehrspunkt, um am Wochenende aus der Stadt 'rauszukommen. Der nördliche Teil des Grunewalds nimmt die Hälfte unserer Stadtbezirksfläche ein, die Bezirksgrenze verläuft mitten durch die Havel, und überblicken kann man das alles vom Grunewaldturm, der 1899 vom Kreis Teltow gebaut und eingeweiht wurde. Ursprünglich als Gartenstadt geplant, sind dann die zentralen Bereiche der Stadt südlich und westlich des Kurfürstendamms wie im anschließenden Charlottenburg dicht fünfgeschossig bebaut worden, hier wohnte das mittlere Bürgertum und in der Kolonie Grunewald das reiche Großbürgertum, bald auch viele Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler.
All das ähnelt Charlottenburg, geht fließend ineinander über, etwa nach 1918 das russische Berlin rund um Fasanenstraße und Prager Platz - also »Charlottengrad« mit all den Zeitungen, Geschäften literarischen Cafés, Pensionen und Cabarets war ebenso in Wilmersdorf. So erinnern die Bezirks- Gedenktafeln etwa an Martha und Lion Feuchtwanger (1890-1985; 1884-1958), Samuel Fischer (1849-1934), Maximilian Harden (1861-1927), Gerhart Hauptmann (1862-1946), Erich Kästner (1899-1974), Alfred Kerr (1867-1948), Else Lasker-Schüler (1869-1945), Heinrich Mann (1871-1950), Felix Nussbaum (1904-1944 Auschwitz), Walther Rathenau (1867-1922 ermordet), Helene Weigel (1900-1971), die wir alle als Grunewaldpersönlichkeiten ehren. Rund um den Fehrbelliner Platz entstanden in den zwanziger und dreißiger Jahren große Verwaltungsbauten, wie die Reichsgetreidestelle, die Zentrale der Deutschen Arbeitsfront, die Nordstern- Versicherung, später residierten hier auch Bau- und Innensenat. Mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte arbeitet hier seit den fünfziger Jahren die personalstärkste Bundesbehörde in Berlin.
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Das Wissenschaftskolleg in der Wallotstraße (Grunewald) existiert seit 1985. Die Schmargendorfer besitzen eine der ältesten Dorfkirchen Berlins, und ihr 1900-1902 erbautes neugotisches Rathaus ist seit 1920 als Wilmersdorfer Standesamt immer beliebter in Berlin geworden.
     Birgit Jochens: Die Stadt Charlottenburg galt zu Beginn des Jahrhunderts als die reichste Stadt Preußens. Rund um die 1882 angelegte Prachtstraße Kurfürstendamm ließen sich aber nicht nur die Reichen und die Prominenz nieder. Geschäft, Kunst, Kommerz und Boheme

Museumsleiterin Birgit Jochens bewahrt in ihrem Haus das Charlottenburger Schloßmodell.
kamen bald hier zusammen und bildeten eine hochexplosive, brodelnde Atmosphäre. Hierher siedelte um, wer die wilhelminisch- preußische Tradition hinter sich lassen wollte. Wie selbstbewußt Charlottenburgs Magistrat damals war, sieht man noch heute am Rathaus, dessen Bau 1899 begann und das 1905, zur Zweihundertjahrfeier der Stadtgründung, übergeben wurde. Entgegen dem Willen des Kaisers, der für die Monarchie die höchsten Türme beanspruchte, überragt die Rathausturmspitze die Turmfigur des Schlosses um glatte 38 Meter. Dabei war es allein ein königlicher Befehl Friedrichs I. (1657-1713, König ab 1701) gewesen, der die Gründung einer Residenz mit dem Namen seiner soeben hingeschiedenen zweiten Gemahlin Sophie Charlotte (1668-1705) beim Schlosse mit Schreiben vom 5. April 1705 anwies. Die Stadtrechtsurkunde wurde übrigens nie ausgefertigt!
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Er selber machte sich zum ersten Bürgermeister (1705-1713), den Kronprinzen zum Stellvertreter, und einige Hofbeamte ernannte er zum Magistrat. 1711 bestand die neue Stadt neben dem 1708 gerade abgebrannten alten Dorf Lützow aus 66 Häusern mit 143 Einwohnern. Das erste Rathaus in der heutigen Schloßstraße war ein Geschenk des Königs. Von 1717-1720 war dann Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, König ab 1713) Charlottenburgs Bürgermeister, erst dann wurde ein Bürgerlicher mit diesem Amte betraut ... Charlottenburgs zahlreiche bürgerliche Oberschicht, vor allem die Frauen, widmete sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben dem Geschäftsleben sehr stark der »sozialen Frage«. Unter der Protektion der Kaiserin Friedrich (d. i. Victoria, 1840-1901; Witwe Kaiser Friedrichs III., 1831-1888, Kaiser 1888) schufen etwa Anna von Gierke (1874-1943) und Hedwig Heyl (1850-1934) mit großem persönlichen Einsatz professionell organisierte soziale Netzwerke. 1909 konnte das Kaiserin Auguste Victoria Haus (KAVH) am jetzigen Heubnerweg direkt neben dem Schloßpark eröffnet werden, es war eines der ersten Säuglings- Krankenhäuser Europas. Mit Pflege, Forschung und breiter Aufklärungsarbeit half es, die hohe Säuglingssterblichkeit abzubauen. Selbst in Charlottenburg überlebte zu Jahrhundertbeginn jedes dritte Kind nicht das erste Lebensjahr. Berühmt wurde die Säuglingspflegefibel von Oberin Antonie Zerwer, die in einer Auflage von zwei Milliionen erschien. Die Stadt war stolz auf ihre »Daseinsfürsorge nach dem besten Standard der Zeit«; die private und öffentliche »Wohltätigkeit« miteinander verknüpfte. Ihre kommunale »Armendirektion« war Vorläufer der heutigen Sozialämter. »Kontinuität und stetige Verbesserung der Lebenssituation« galt als wichtiges reformerisches Ziel dieser Arbeit.
     Charlottenburg war damals von einem ruhigen Wohnort der Reichen zu einem brodelnden Zentrum geworden; Kommerz, Kunst und Wissenschaft bildeten rund um den Kurfürstendamm eine unnachahmliche Mischung. Der Historiker Theodor Mommsen (1817-1903), der Ingenieur und Unternehmer Rudolf Diesel (1858-1913), der Domprobst Bernhard Lichtenberg (1875-1943), der Schriftsteller Robert Musil (1880-1942) und der Publizist Carl von Ossietzky (1889-1938) - sie alle lebten in Charlottenburg.
     Als die frühere Kommune schon Berliner Stadtbezirk war, lieferte sie den Stoff für den späteren weltstädtischen Mythos von den »Goldenen Zwanzigern«. Die Nazis haßten den Kurfürstendamm als »unvölkisch«, den Kriegszerstörungen ging ein furchtbarer kultureller und wissenschaftlicher Aderlaß durch Emigration, Verfolgung und Ermordung vor allem der jüdischen Bewohner voraus. Die Werke und oft auch das Leben vor allem von künstlerisch und literarisch berühmten Frauen wurden zerstört, dem Vergessen preisgegeben, manche erst fünfzig Jahre später wieder »entdeckt«, Else Lasker-Schüler (s. o.) oder Lola Landau (1892-1989) seien hier erwähnt.
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Nach der Währungsreform 1948 mauserten sich einige Straßen am Bahnhof Zoo aus der Ruinenexistenz vom anfänglichen Budenbis zum späteren Beton-Glas-Stahl- Zeitalter zur glitzernden City der Insel Berlin West.

Was hat sich im Bezirk seit der Wiedervereinigung der Stadt verändert?
     Birgit Jochens: Die Wiedervereinigung hat in Charlottenburg dazu geführt, daß eine alte Konfliktsituation, nämlich die Konkurrenz zwischen dem ehemaligen »Neuen Westen« und Berlin- Mitte, eine Wiederbelebung erfahren hat. Gravierende Auswirkungen hatte das zunächst für die Geschäftswelt am Kurfürstendamm, die der Wanderung des Tourismus in den Bereich Unter den Linden/ Friedrichstraße und bis zum Kollwitzplatz geschuldet war. Seit dem letzten Jahr scheint die Bedeutung des Kurfürstendamms als Shoppingmeile wieder zu wachsen. Ebenfalls gravierende Veränderungen bedeutet die Verlagerung zahlreicher Museen nach Berlin- Mitte, etwa der Wegzug des Ägyptischen Museums und des Museums für Vor- und Frühgeschichte, geplant auch der Sammlung der Romantik aus dem Schloß.
     Viele fürchten, daß der Charakter Charlottenburgs als wichtiger Kulturstandort Berlins durch diese Verlagerungen beeinträchtigt werden könnte. Tatsächlich aber sind in den letzten Jahren verschiedene Anstrengungen unternommen worden, den kulturellen Stellenwert unseres Stadtbezirkes zu erhalten, zum Beispiel durch die Ansiedlung der Sammlung Bergengruen im vormaligen Antikenmuseum und durch den Plan der Ansiedlung eines Centrums für Fotografie im jetzigen Ägyptischen Museum.

     Elke von der Lieth: Die Wandlungen sind fließend, Bundesbehörden wie etwa das Umweltbundesamt wandern ab, dafür prägt sich das Flair als gehobener Wohnstandort in der City aus, was sich leider auch im Mietspiegel bemerkbar macht. Wir bekommen ein Botschaftsviertel am Grunewald - mit Kuwait, Israel und anderen. Hier nehmen auch sehr bekannte Bundesbürger Quartier, etwa der vorige und der derzeitige Kanzler. Ein neues Phänomen ist die Vermehrung innerstädtischer Seniorenresidenzen. Man wohnt urban, hat Theater wie etwa die Schaubühne und viele Kinos, Cafés und Galerien in der Nähe, andererseits ist man in zehn Minuten am Grunewaldsee. Übrigens wirkt sich die Entwicklung im Stadtbezirk Mitte, etwa am Standort Hackesche Höfe, auch günstig für unseren Bezirk aus, denn die jetzt dort etablierten Galerien und Orte schicker Unterhaltung zogen einerseits weit genug weg von hier, stören darum nicht als direkte Konkurrenz, regen sich aber gegenseitig über die Entfernung an.

Wie geht es mit dem Heimatmuseum im neuen Großbezirk weiter?
     Birgit Jochens: Das Charlottenburger Heimatmuseum hat in den bisher zwölf Jahren seiner Existenz hohe Akzeptanz bei der Berliner Bevölkerung erreichen können. Das zeigt sich an der Besucherfrequenz, die an die mittlerer Museen heranreicht, wie auch an der Präsenz in den Medien. In gewisser Weise ist das Heimatmuseum auch dabei, mit verschiedenen Aktivitäten überregionale Bedeutung zu bekommen. In mehren Städten der Bundesrepublik gezeigt wird unsere Ausstellung über die Mädchenbuch- Autorin Else Ury, geboren 1877; 1943 im KZ Auschwitz ermordet.

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Ihre »Nesthäkchen«- Serie (Auflage 5 Millionen) machte sie vor 1933 zur Lieblingsautorin mehrerer Mädchengenerationen. Unsere Weihnachtsausstellung war in England und Amerika und auch in Budapest zu sehen. Im Zentrum dieser Schau steht eine Fotoserie eines Berliner Ehepaares, das sich in der geschichtsträchtigen Zeit von 1900 bis 1945 fast 45 Jahre lang jedes Jahr vor dem Weihnachtsbaum abgelichtet hat.
     Unsere zahlreichen Sonderausstellungen, der Standort des Museums nahe beim Schloß und den großen Museen begründen unseren derzeitigen Entwicklungsstand.
     Wir gehen davon aus, daß zumindest in den nächsten Jahren eine sowohl auf Charlottenburg wie auf Wilmersdorf bezogene regionale Geschichtsforschung weiterhin in beiden Einrichtungen dargestellt wird. Uns in Charlottenburg ist dabei die Planung der Zusammenarbeit mit Wilmersdorf wichtig. Wir bieten bereits in diesem Jahr Führungen und andere Veranstaltungen, die dazu beitragen sollen, daß die Bewohner beider Bezirke einen detaillierten Einblick in die Besonderheiten des jeweils anderen Bezirkes bekommen. Vor allem beschäftigen uns die Fragen und Probleme der Zusammenführung der vielfältigen regionalgeschichtlichen Archivbestände in beiden Einrichtungen, damit die Charlottenburger ebenso wie die Wilmersdorfer problemlosen Zugriff auf die beachtlichen Archivmengen bekommen.
Beispielsweise sind es rund 24000 Fotos, die da in beiden Häusern versammelt sind. Wir arbeiten jetzt an der Angleichung der Systematik.
     Elke von der Lieth: Das Wilmersdorf- Museum ist Teil des Kunstamtes Wilmersdorf, und wir freuen uns, daß wir gemeinsam mit der Kommunalen Galerie die schönen Ausstellungsräume und das besucherfreundliche Café nutzen können. Zu unseren Schätzen zählt die Sammlung von 5000 historischen Postkarten Berlins, die wir derzeit wieder in einer Auswahl zeigen können. Wir bauen die Zusammenarbeit mit Charlottenburg aus, indem wir unsere Ausstellungen jetzt gemeinsam planen und unsere Archivbestände systematisieren. Die Auseinandersetzung mit Stadtgeschichte vor Ort wird in unserer Zeit immer wichtiger. Das Schoeler- Schlößchen in der Wilhelmsaue, erbaut 1752, dann in ein Rokokopalais verwandelt, eines der ältesten Häuser im Stadtbezirk, aber 1935 für die Hitlerjugend umgebaut und aufgestockt, das nach dem Krieg schon einmal als Heimatmuseum diente, wollen wir originalgetreu restaurieren und für die Kultur, für museale Zwecke, auch als Zeitzeugen- Begegnungsstätte für unseren Arbeitskreis Geschichte - für oral History also - vielfältig nutzen. »Es soll ein begehbares Denkmal werden, ähnlich wie das Charlottenburger Schustehrushaus. Aber wir werden dafür sorgen, daß es für die Kita, die das Haus derzeit noch bewohnt, eine gute neue Lösung geben wird!«
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Mit diesen Worten begründet mein Chef Udo Christoffel, der Leiter des Kunstamtes, unsere Morgengabe an den künftigen Bezirk.

Heimatmuseen fühlen sich zuständig für den Kiez und seine Tradition, wie kann man den Menschen im neuen Großbezirk dieses Heimatgefühl erhalten?
     Elke von der Lieth: Natürlich auch mit solchen räumlichen Angeboten mit direkter Geschichtsaufarbeitung, anknüpfend an genaue Lokalkenntnisse und Lokalerfahrung. Aber der Begriff Kiez trifft es für unseren Stadtbezirk weniger, man könnte


Museumsleiterin Elke von der Lieth präsentiert den Begleitbildband der neuesten Wilmersdorfer Bildpostkarten- Schau.
eher von Wohnquartieren mit starker Interaktion der Anwohner sprechen. Die Schmargendorfer beispielsweise haben ihr kleinstädtisches Ambiente im Hinterkopf, sind leicht beleidigt, wenn man sie ohne Umschweife zu Wilmersdorf rechnet. Das ist zu berücksichtigen. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit dem Heimatverein. Seit 1981, also seitdem wir im Fahrenkamphaus am Hohenzollerndamm sitzen, betreibt das Wilmersdorf- Museum eigenständige regionale Geschichtsforschung, konnte dabei auf Schmargendorfer und Wilmersdorfer Bestände bauen. Wir haben die jüdische Geschichte unseres Stadtbezirkes aufgearbeitet und eine Reihe anderer Themen behandelt.
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Bekannt aus der Gründerzeitgeschichte vor gut hundert Jahren sind die Millionenbauern, die durch Landverkäufe reich wurden und in die Priegnitz zur Jagd fuhren. Unser StadtTeilBuch ist in 12000-Auflage erschienen, unsere bisher 20 Publikationen der »Blauen Reihe« erreichten 50000 Exemplare Gesamtauflage.
     Birgit Jochens: Die Vorkriegssammlungen des ersten Charlottenburger Heimatmuseums sind in den Bombenangriffen bis auf geringe Reste vernichtet worden. Das besondere Gefühl der Charlottenburger für ihr Stadtgebiet ist bei allen Veränderungen sehr stabil geblieben. Natürlich haben die Anwohner gehobener Wohnquartiere oder der »feinsten Provinz« Villenkolonie Westend ein anderes Verständnis des Stadtumraums als etwa die Bewohner des Kiezes am Klausenerplatz/ Danckelmannstraße, der als sozialer Brennpunkt galt. Mit unseren jährlich etwa zehn bis zwölf Sonderausstellungen und einer Reihe kleinerer und größerer Publikationen zu lokalhistorischen Themen sprechen wir das Heimatgefühl emotional wie auch intellektuell an. Wichtig bleiben auch unsere Dependancen in der Schustehrusstraße 13, dem begehbaren Baudenkmal, das Beispiele der Wohnkultur des 18. Jahrhunderts zeigt, und die Ausstellung zu den acht Charlottenburger Friedhöfen im Friedhofsmuseum auf dem Luisenkirchhof III.
Und natürlich ist unser Schloßmodell auch immer wieder eine zentrale Charlottenburg- Bezugsgröße, zumal das Original nur wenige Schritte von unserem eigenen Domizil in der ehemaligen Polizeigarage am Anfang der Schloßstraße entfernt ist.

Obwohl die Namen der neuen Bezirke noch nicht feststehen, wurde gerade um sie heftig gestritten. Welcher Name des neuen Bezirks wäre Ihnen am liebsten?
     Birgit Jochens: Wir plädieren wegen der besonderen kulturellen Tradition für eine Beibehaltung der bisherigen Namen, also für Charlottenburg- Wilmersdorf. Weil es praktikabler ist, sollte es aber parallel dazu eine Numerierung geben.
     Elke von der Lieth: Auch wir favorisieren Charlottenburg/ Wilmersdorf. Der Bezirksbürgermeister will das in einer Volksbefragung zur Diskussion stellen.

Das Gespräch führte Bernd S. Meyer

Bildquelle: Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/2000
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