WILHELMINISCHER MIETSKASERNENGÜRTEL Als W. wird ein sehr breiter Gürtel hoher Bebauungs- und Bevölkerungsdichte um den alten Stadtkern von Berlin (Alt-Berlin, Alt-Cölln) bezeichnet. Er ist vor allem durch hohe, geschlossene Wohnhausbebauung mit Seitenflügeln und Hinterhäusern charakterisiert. Als innere Begrenzung des W. gilt die ehemalige fiskalische Stadtgrenze Berlins: die einstige Zoll- oder Akzisemauer, die unter Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, Kg. ab 1713) 1734-1736 als 14,5 km langes und rund 4 Meter hohes, leichtes Bauwerk mit ursprünglich 14 Stadttoren errichtet, jedoch 1866-1869 wieder abgerissen worden war. Als äußere Begrenzung des W. wird allgemein der S-Bahnring angesehen; an einigen Stellen (in Charlottenburg und im Norden) geht der W. jedoch darüber hinaus. Die Bezeichnung erinnert an die Entstehungszeit dieser "geschlossenen Wohnhausbebauung mit 5 Vollgeschossen" unter den Monarchen Wilhelm I.(1797-1888, Kg. ab 1861, Kaiser ab 1871 ) und Wilhelm II. (1859-1941, Ks. 1888-1918 ). Der W. kennzeichnet die hohe Bevölkerungsdichte von über 550 Ew./ha, früher sogar über 1000 Ew./ha, aber auch den überwiegend schlechten Wohnstandard. Der "Mietskasernenring" mit seiner unerträglich dichten Bebauung entstand im Zusammenwirken von öffentlicher Straßenplanung, privatem Kapitaleinsatz, höchster Bodenausnutzung und damaliger Baugesetzgebung. Die
Entstehung des W. wurde wesentlich vom Hobrecht-Plan (1862) beeinflußt, der jedoch
kein eigentlicher Bebauungsplan war, sondern lediglich Straßenzüge
festlegte. Entscheidend für die rasche und dichte Besiedlung außerhalb
der alten Zollmauer war die 1853 erlassene Bauordnung, die den Bauherren
außer der Fluchtlinie und der Mindestgröße der Innenhöfe
(28 m²) kaum Beschränkungen auferlegte. So entstanden in dieser Zeit
in großem Umfang Gebäude mit 6 Vollgeschossen sowie Seitenflügeln
und Hinterhäusern. Berlin wurde unter allen europäischen Großstädten
zur Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte: 1880 lebten im
Durchschnitt 60 Personen pro Grundstück. "Zehntausende Arbeiter waren
obdachlos, hausten in Behelfsquartieren; acht Prozent aller Einwohner,
jedoch über 20 Prozent aller Arbeiter, waren 'Schlafburschen', das
heißt, sie hatten nur einen Schlafplatz in einer fremden, zumeist
überfüllten Wohnung. Nur jeder dritte Berliner Arbeiter hatte
1871 eine eigene Wohnung." (DEMPS, L./MATERNA, I. 1987/425) 1869 war die
Sterblichkeitsrate in den Berliner Proletariervierteln zweieinhalb mal
so hoch wie in den bürgerlichen Wohnvierteln. Quellen
und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |