Hobrechts Kanalisationssystem (1873-1893) Die als Hobrecht-Plan zusammengefaßten Bebauungspläne, insbesondere der 1862 genehmigte "Bebauungsplan der Umgebungen Berlins", gehören zu den bedeutendsten, aber auch umstrittensten Ereignissen in der Stadtentwicklung Berlins. Die Pläne waren von einer Kommission unter Vorsitz des Regierungsbaumeisters James F.L. Hobrecht (1825-1902) von 1858 bis 1862 im Königlichen Polizeipräsidium von Berlin erstellt worden. James Hobrecht, jüngerer Bruder des 1872-1878 amtierenden Berliner Oberbürgermeisters Arthur Johnson Hobrecht (1824-1912), war von 1885-1897 (gewählt am 20.12.1884) als Stadtbaurat für Straßen- und Brückenbau tätig. Der Hobrecht-Plan teilt die Umgebung von Berlin und Charlottenburg in 14 Abteilungen und erfaßt kartographisch das unbebaute Gebiet der Stadt Charlottenburg sowie der Gemeinden Reinickendorf, Weißensee, Lichtenberg, Rixdorf und Wilmersdorf. Ausgehend von einem angenommenen Bevölkerungsstand von 1,5 bis 2 Mill. für die kommenden 50 Jahre (am 3.12.1861, dem Stichtag einer Volkszählung, hatte Berlin 523 678 Einwohner auf 5 923 ha nach der Eingemeindung am 1.1.1861) sowie einer dementsprechend zu erwarteten raschen Verkehrs- und Verwaltungsentwicklung war eine einheitliche städtische Administration und Planung dringend notwendig geworden. Diesem Bedürfnis entsprach der neue umfassende Bebauungsplan von Berlin. "Es handelte sich um ein absolutistisches Planschema mit großen Achsen und einem gleichförmigen Straßenraster. Die sehr groß gehaltenen Quartiere sollten am Rande mit Bürgerwohnungen bebaut, im Innern aber für Wohnungen der arbeitenden Massen, für Werkstätten und Manufakturen oder als Gärten genutzt werden." (HÜTER, K.-H. 1987/148). Der Hobrecht-Plan wurde zum maßgebenden neuen Ordnungsfaktor des bisherigen ungeregelten Wachstums der Stadt. Er ging von der Instruktion des preußischen Innenministers aus, alle voraussichtlich für den Verkehr notwendigen Straßen festzulegen und entsprach dem Wunsche des Königs, das Stadtgebiet nach dem Vorbild von Paris durch eine Ringstraße einzufassen, die die Städte Berlin und Charlottenburg umschließen sollte ( Ringstraßenprojekte). Der zwischen Zentrum und Ring liegende Raum sollte durch Diagonalstraßen und nach allen Richtungen führende Ausfallstraßen in rechtwinklige Baublöcke aufgeteilt werden. Dem H. liegt kein festes Planschema für einen längeren Zeitraum zugrunde, sondern eine allgemeine Richtungsanzeige für künftige Entwicklungen. Er stelle, so hieß es in einem Entscheid des "Obertribunals" vom 1.7.1869, "seinem Wesen nach nichts anderes ... als eine Sammlung ortspolizeilicher Anordnungen (dar), durch welche festgesetzt wird, welche auf dem Weichbild der Stadt gelegenen Grundstücke mit Gebäuden besetzt werden können, und welche als zu öffentlichen Straßen und Plätzen bestimmt, unbebaut gelassen werden sollen". (Zit. nach PITZ u.a. 1984/120) In der Wohnungsfrage begünstigte der Hobrecht-Plan zwar eine rasche und dichte Besiedlung außerhalb der Akzisemauer, entscheidend jedoch war für den Mietskasernenbau die 1853 erlassene Baupolizeiordnung. Diese genehmigte den Bauherren den Bau von vier- bis sechsgeschossigen Häusern und erlegte ihnen außer der Straßen-Fluchtlinie und der Mindestgröße der Innenhöfe von 5,34 mal 5,34 m für ein Wenden der damaligen Feuerspritzen kaum Beschränkungen auf. So entstanden in dieser Zeit in großem Umfang Gebäude mit 6 Vollgeschossen bei intensivster Bebauung mit den berüchtigten, zum Teil mehrfach hintereinander gelegenen lichtarmen Innenhöfen des Wilhelminischen Mietskasernengürtels. Während W. HEGEMANN (1881-1936) 1930 in seiner Geschichte der größten Mietskasernenstadt der Welt den H. als einen Plan verurteilt, "der unabsehbare grüne Flächen der Umgebung Berlins für den Bau dichtgepackter großer Mietskasernen mit je zwei bis sechs schlecht beleuchteten Hinterhöfen amtlich herrichtete und vier Millionen künftiger Berliner zum Wohnen in Behausungen verdammte, wie sie sich weder der dümmste Teufel noch der fleißigste Berliner Geheimrat oder Bodenspekulant übler auszudenken vermochte" und ihn daher als "Ungeheuerlichkeit", "kulturloses, unhygienisches, kurz volksfeindliches Durcheinander" und "unendlich folgenschwer" heftigst kritisierte (HEGEMANN, W. 1930/295-328), gelangten Autoren hundert Jahre nach Vorlage des Planes zu ausgewogeneren Urteilen (vgl. PITZ u.a. 1984/119-137). Schließlich steht der Name Hobrecht im engen Zusammenhang mit der Entwässerung Berlins. 1869 war Hobrecht zum Chefingenieur der Berliner Kanalisation berufen worden. Hobrechts Kanalisationsprojekt sah vor, die Abwässer nicht mehr in die fließenden Gewässer einzuleiten, sondern auf weit außerhalb der Stadt gelegene Rieselfelder durch Druckleitungen zu transportieren. Zwischen 1873 und 1893 wurde ein umfangreiches Abwassersystem (Radialsysteme I bis X und XII) mit Ableitung über Pumpwerke auf Rieselfelder der Umgebung angelegt. Damit wurde ein entscheidender Schritt in Richtung einer modernen Verbindung ökologischer, technischer und hygienischer Aspekte eingeleitet. 1890 wurde bei einer Einwohnerzahl von 1,579 Mill. auf 23 302 Grundstücken über 143,855 km unterirdische Kanäle und 584,185 km Rohrleitungen eine Fläche von 5 595,07 ha entwässert (nach KIELING, U. 1987/251). Quellen
und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |