MÄRKISCHES VIERTEL

Das M., seit 1999 Ortsteil von Reinickendorf (zuvor zum Ortsteil Wittenau), gehört zu den 4 GroßsiedlungenGroßsiedlungen, die nach dem II. Weltkrieg in Berlin-West entstanden sind. Es entstand von 1963 bis 1974 auf einem ehemaligen Laubengebiet. Die beiderseits des Wilhelmsruher Damms an der Ostgrenze des Bezirkes Reinickendorf liegende Großsiedlung überragt mit ihren Hochhäusern (bis zu 18geschossigen Betongiganten) weithin die Landschaft im Norden Berlins. Sie wird auf einer Gesamtfläche von 392 ha von 46 922 Menschen (Ende 1974) bewohnt. Neben rund 17 000 Wohnungen in 53 Gebäuden (davon 15 177 für die GeSoBau/Gesellschaft für Sozialen Wohnungsbau) befinden sich in dem neuen Stadtteil Einkaufzentren, 12 Schulen, 3 Seniorenheime, Jugendzentren, Kirchen und Gemeindezentren, Kindertagestätten, Sportanlagen und Schwimmhalle, Spielplätze und Grünräume (Anpflanzung von 13 800 Bäumen), allerdings nur wenige Arbeitsstätten und kein Friedhof. Die neue Großsiedlung liegt ebenso verkehrsgünstig (S-Bahnhof Wittenau) zu den industriellen Arbeitsstätten im Bezirk Reinickendorf wie zu den Erholungsgebieten in Tegel, Frohnau und Lübars.

Mit dem ersten Bauabschnitt war im März 1963 nach mehrjährigen Vorbereitungsarbeiten begonnen worden; Anfang 1974 war der Wohnungsneubau im M. beendet. Vor Baubeginn lebten in diesem Bereich des größten zusammenhängenden Wohnlaubengebietes von Berlin-West, den sog. grünen Slums von Wittenau, etwa 12 000 Menschen. So galt das M. als Sanierungsprojekt und wurde zum bedeutendsten, aber auch umstrittensten Beispiel einer Stadtrandsanierung in Berlin-West. Die städtebauliche Gesamtplanung lag bei den Architekten Werner Düttmann Duettmann(1921-1983), Hans Christian Müller (* 1921) und Georg Heinrichs (* 1926); bei der Einzelgestaltung wirkten 25 namhafte Berliner und ausländische Architekten mit. Von Anbeginn stand das M. unter starker Kritik, insbesondere wegen der Liquidierung der Kleingartenanlagen, aber auch der Größe und Monofunktionalität der Siedlung. Die Großsiedlung M. machte exemplarisch die Kluft zwischen dem Anspruch auf der einen Seite, auch in Städtebau und Architektur neue Lebens- und Organisationsformen zu entwickeln, um der menschlichen Entfremdung entgegenzuwirken und den dahinter zurückbleibenden Realitäten auf der anderen Seite, sichtbar. Das M. brach radikal mit den aus den 40er und 50er Jahren überkommenen Vorstellungen und Leitbildern von der "aufgelockerten Stadt". Große Defizite in der Infrastruktur, aber auch die höheren Mieten und die größere Isolation der Bewohner und nicht zuletzt die architektonischen und ästhetischen Mängel machten das M. bis etwa 1974 zum Ausgangspunkt von sozialen Protesten.

Mit der Einbindung in die "Nachbesserungsmaßnahmen für die Siedlungen der 60er und 70er Jahre" des mit Bonner Mitteln subventionierten Bundesprogramms "Experimenteller Wohnungs- und Städtebau" begann nach etwa 10 Jahren im M. die erste umfassende Betonsanierung. Dank 50 ha Grünflächen, 40 km Hecken, 16 000 Bäume und verbesserter Infrastruktur hat das M. sein früheres Negativ-Image als "größte Satellitenstadt Deutschlands" korrigiert.

Quellen und weiterführende Literatur: Literaturquellen
Reuther 1985/190-191; Bodenschatz 1989/7-9; Baubilanz 1971/21-22; Ludewig 1986/196; Bodenschatz 1987/232-256; Guratzsch 1987/29-30; Baedeker 1992/350-352; Berlin Handbuch 1993/792; Kühne 1993/227; Berliner Wohnquartiere 1994/241-246; Dehio 1994/385-387; Peters 1995/225; Topographischer Atlas 1995/127; Berliner Morgenpost v. 26. Juni 1999, S. 14; Stadt der Architektur 2000/307-313; Bauen in Berlin 2000/282

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Stadtentwicklung