GENDARMENMARKT

Dia-Serie Gendarmenmarkt

Der G. im Bezirk Mitte gehört zu den schönsten Stadtplätzen Europas. "Das Ensemble repräsentiert eine in sich geschlossene städtebaulich-architektonische Idee, die schrittweise, das heißt in einem Zeitraum von rund 130 Jahren (etwa von 1690 bis 1820), verwirklicht wurde." (BOLDUAN, D. u.a. 1982) Der Platz besteht aus einem regelmäßigen, von Straßen begrenzten Geviert, "200 Schritt breit und 440 lang" (RUMPF, J.D.F. 1826/55), dem drei einzeln stehende, symmetrisch einander zugeordnete Monumentalbauten zeitlose Schönheit verleihen. Ursprünglich Wiesen- und Ackergelände vor den Stadtmauern Berlins, wurden bei der Bebauung der seit 1688 unter Kurfürst Friedrich III. (1657-1713, Kfst. ab 1688, Kg. Friedrich I. ab 1701 Friedrich I.) angelegten und 1695 unter Leitung von Johann Arnold Nering Nering(1659-1695) bebauten FriedrichstadtFriedrichstadt im Gelände vor der Festungsanlage
        (Fortifikation)Festungsanlage (Fortifikation) drei Karrees im regelmäßigen Raster für eine barocke Platzanlage freigelassen, aus der schließlich der Hauptplatz der Friedrichstadt hervorging. Das kleine mittlere Karree, auf dem 1729 der erste Wochenmarkt abgehalten wurde, hieß zunächst Lindenmarkt, später Friedrichstädtischer oder Mittelmarkt, vorübergehend auch Neuer Markt und Stallmarkt, schließlich von 1799–1950 Gendarmenmarkt, von 1950–1991 Platz der Akademie und heute wieder Gendarmenmarkt. Die beiden anderen Karrees am Mittelmarkt wurden im Jahre 1700 der lutherischen und der französisch-reformierten Gemeinde der neuen Stadtanlage als Grundstücke zugewiesen. Auf dem nördlichen Karree entstand von 1701-05 die Französische Friedrichstadtkirche nach Plänen des Ingenieurs und Baumeisters J.L. Cayart (1645-1702), auf dem südlichen von 1701-08 die Neue (Deutsche) Kirche nach Entwürfen von Martin Grünberg Grünberg(1655-1706), Nachfolger J.A. Nerings im Amte des Hofbaumeisters. Seit den 30er Jahren des 18. Jh. wurden beide Kirchen in ein Viereck von Pferdeställen eingeschlossen, die "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, Kg. ab 1713 Friedrich Wilhelm I.) für sein Reiterregiment Gens d'armes errichten ließ und nach dem der Platz volkstümlich den Namen "Gensd'armen Markt" erhielt. In den 70er Jahren des 18. Jh. befahl König Friedrich II. (1712-1786, Kg. ab 1740 Friedrich II.) eine umfassende Neugestaltung des G. Nach Verlegung des Reiterregiments (1773) wurden die Ställe abgerissen und Johann Boumann d.Ä. Boumann(1706-1776) errichtete 1774 das Französische Komödienhaus. Von 1777 bis 1785 ließ der König den Platz mit zwanzig neuen Häusern umbauen, darunter mehrere palastartige schöne Bauten wie die Gebäude der Seehandlung Seehandlung und der Lotterie-Direktion, die Achardsche StiftungAchardschen Stiftungshäuser, das Haus des Präsidenten Rust und das französische Waisenhaus. Als Krönung des neugestalteten architektonischen Ensembles sollten nach dem Vorbild der beiden Marienkirchen auf der Piazza del Popolo in Rom zwei identische repräsentative, architektonisch gleiche, hohe Kuppeltürme den beiden unscheinbaren Kirchen vorgesetzt werden. Entwurf und Bauleitung lagen in den Händen von Carl von Gontard Gontard(1731-1791), dem bedeutendsten Architekten des spätfriderizianischen Rokokos. Schon 1777 hatte Gontard den Auftrag zum Bau der Kuppeltürme am G. erhalten. 1780 begannen die Arbeiten mit der Errichtung von kreuzförmigen, mit Portikusvorbauten an den Kreuzarmen geschmückten Unterbauten, aus denen jeweils ein schlanker Tambour (von Fenstern durchbrochener Sockel) mit Ringkolonnade und einer stark gestelzten figurenbekrönten Kuppel herauswuchs. Wie schon 1706 Andreas Schlüter Schlüter(1659-1714) beim Bau des Münzturmes am Berliner SchloßSchloß und 1734 Johann Friedrich Grael Grael(1707-1740) beim Bau des Turmes der Cöllner PetrikirchePetrikirche ereilte nun Gontard dasselbe Mißgeschick: Am 28.7.1781 stürzte mitten in den Bauarbeiten zur Deutschen Kirche Deutsche Kirche auf dem G. der bereits bis zum Tambour errichtete Kuppelturm ein. Der König befahl den sofortigen Wiederaufbau. 1785 waren die Türme vollendet. Allerdings mußte Baumeister Gontard die Bauleitung nach dem Desaster Desaster an seinen Schüler Georg Christian Unger (1743-1799) abgeben. Für die beiden Prachtbauwerke bürgerten sich die Namen Deutscher und Französischer Dom ein.

Unter König Friedrich Wilhelm II. (1744-1797, Kg. ab 1786 Friedrich Wilhelm II.) wurde das Komödienhaus, das ab 1778 acht Jahre leer gestanden hatte, 1786 an eine deutsche Schauspielertruppe übergeben, die darin als königlich privilegiertes Privattheater das so benannte Nationaltheater eröffnete. 1801 beauftragte Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, Kg. ab 1797 Friedrich Wilhelm III.) Carl Gotthard Langhans Langhans(1732-1808), Entwürfe für einen 2 000 Zuschauer fassenden Neubau zwischen den beiden Domen hinter dem Komödienhaus an der Charlottenstraße für ein Nationaltheater anzufertigen. Dieser rechteckige Baukörper, im Volksmund "Koffer" genannt, entstand bis 1802, brannte jedoch am 29.7.1817 vollständig aus. Nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel Schinkel (1781-1841) entstand bis 1821 an alter Stelle das heutige Schauspielhaus Schauspielhaus, das mit seiner hohen Freitreppe, der ionischen Säulenhalle und dem giebelbekrönten erhöhten Mittelteil dem Platz seine bis heute erhaltene wirkungsvolle Gestalt verleihen. Das Schauspielhaus am G. gilt neben dem Bau des Alten Museums am Lustgarten/
        MuseumsinselLustgarten/ Museumsinsel als bedeutendste architektonische Leistung Schinkels in Berlin. Den Charakter des G. als Pflegestätte klassischer deutscher Kunst und Literatur unterstreicht das im November 1871 vor dem Schauspielhaus aufgestellte Schiller-Denkmal Schiller-Denkmal, das jedoch Mitte der 30er Jahre abgetragen und erst im Dezember 1988 wieder errichtet wurde. 1886, nach ca. 150 Jahren, wurde der auf dem G. abgehaltene Wochenmarkt unter dem Einfluß der neuen Berliner Markthallen geschlossen.

Grundlegende Veränderung erfuhr die ursprüngliche Randbebauung des G. im späten 19. und frühen 20. Jh. im Zusammenhang mit dem Ausbau der Friedrichstadt zu einem Geschäfts-, Banken- und Verwaltungszentrum. Im II. Weltkrieg wurden das gesamte Ensemble stark beschädigt und viele Gebäude vollständig zerstört. Erhalten geblieben ist lediglich das einstige Hauptgebäude der Akademie der Wissenschaften, das 1901–1903 von Paul Kieschke (1851-1905) für die Preußische Staatsbank in neobarocken Formen errichtet worden war, bevor 1907 die Akademie einzog. In der Taubenstraße befinden sich einige Erweiterungsbauten im Bauhausstil mit roten Klinkern und in der Jägerstraße mit plattenverkleideter Fassade; sie stammen aus den Jahren 1926 und 1936. Schauspielhaus und beide Dome erlitten ebenfalls starke Beschädigungen. Der Wiederaufbau begann Ende der 70er Jahre. Die Platzumbauung (Wohn- und Verwaltungsbauten mit Läden, Gaststätten und anderen Einrichtungen in der Erdgeschoßzone) erfolgte in historisch angeglichenen Formen. An der Südseite des Platzes steht das 1991 eröffnete Dom-Hotel, das ein Jahr später den Namen Berlin Hotel HiltonHilton erhielt.

LEOPOLD FREIHERR VON ZEDLITZ (1792-1864), 1834: GENSD'ARMEN-MARKT

"Gensd'armen-Markt(der). Er wird mit vollkommenem Rechte zu den schönsten Stadtplätzen Europa's gezählt. Vor der Erbauung der Friedrichsstadt war dieser Platz eine Esplanade zwischen dem Neustädter und Leipziger Thore; der Theil, welcher jetzt zwischen den beiden Kirchen liegt, hieß damals der Linden-Markt. Nach der Erbauung der Friedrichsstadt führte er den Namen, der Mittel-Markt’ oder auch ,der neue Markt’. - Im Jahre 1729 wurde der erste Wochen-Markt hier gehalten. Dieser Platz ist der größte in der Hauptstadt; er bildet ein längliches Viereck, das einen Umfang von 2600 Fuß, 850 Fuß Länge, und 1020 Fuß Breite hat".

Quelle: Leopold Freiherr von Zedlitz: Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam ..., Berlin 1834, S. 264

Quellen und weiterführende Literatur: Literaturquellen
Rumpf 1826/53-55; Zedlitz 1834/145-146, 207-209, 264; Woltmann 1872/138; Ring 1883/117-119; Schwebel 1888-II/326f.; Pniower 1907/47; Osborn 1909/176-181; Rave 1941/46, 50; Kaeber 1962/316-317; Böhl 1964/92; Wirth 1966/16; Lange 1967/108-109; Ludwig 1979/54-58; Posener 1979/402-415; Kreuzberg 1980/19-20; Bolduan u.a. 1982/144-149; Trost 1984-I/212-218; Wolterstädt 1985/68; Ludewig 1986/133, 145, 151, 232-233; Demps 1987/108-109; Herrmann 1987/192-197; Kieling 1987/94-95; Kunstdenkmäler 1987/103, 135; Schulz/Gräbner 1987/82-83; Demps 1988; Kleines Berlin-Lexikon 1989/156; Baedeker 1992/418-419; Berlin Handbuch 1993/389-390, 443-444, 1016-1017; Dehio 1994/57-59; 110-111, 124-125

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