56 Berlin im Detail | Deutscher Dom |
Riskante Höhenflüge
Die Hohenzollern wollten in Berlin immer hoch hinaus. Die Residenzstadt sollte
durch riesige Türme glänzen. Doch sumpfiger
Boden, Schlamperei bei der Bauausführung und billiges Material machten solche
Höhenflüge zu einem riskanten Unternehmen.
Es kam immer wieder zu Zusammenbrüchen. Dieses Schicksal erlebten Schlüters
Münzturm sowie mehrere Kirchenspitzen. Als am 28. Juli 1781 der rundliche Turm der
Deutschen Kirche am Gendarmenmarkt mit großem Getöse in sich zusammenfiel, soll
Friedrich der Große getobt haben. Nicht nur,
weil viele Taler verloren waren und alles noch einmal von vorn begann, sondern weil
das Ansehen des »Alten Fritzen« als Bauherr von europäischem Rang auf dem Spiel stand. Der Monarch entband kurzerhand den
zuständigen Architekten Karl von Gontard seines Amtes. Sein Nachfolger Georg Christian Unger modifizierte Gontards Pläne und brachte die Errichtung der Kuppeltürme der Deutschen und der Französischen Kirche zum glücklichen Abschluß. Der
Name »Dom« ist übrigens irreführend, denn
die Gotteshäuser am Gendarmenmarkt sind weder Sitz eines Bischofs noch Hauptkirche
einer großen Stadt. Der Name wird vom französischen »le dome«, der Turm, abgeleitet.
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Helmut Caspar
Neues im alten Dom Der Deutsche Dom am Gendarmenmarkt, eines der schönsten Bauwerke Berlins, führte jahrelang ein
Dornröschendasein. Baugerüste verhinderten den Zugang.
Grüngewirkte Staubfänger verdeckten die
spätbarocke Architektur. Jetzt zeigt sich das Bauwerk nach jahrelanger Wiederaufbauarbeit wieder in voller Schönheit -
außen originalgetreu spätes 18. Jahrhundert, innen funktional-schlicht spätes 20. Jahrhundert. Alte Bäume, die bei den
Arbeiten hinter Bretterzäunen verschwunden
waren, sind wieder in ihrer Blätterpracht zu
erleben.
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Deutschen Dom erheblich größer waren
als beim Pendant, dem Französischen Dom, dauerten auch die Wiederaufbauarbeiten erheblich länger. Während der
Französische Dom bereits seit vielen Jahren wieder
Kirche, Hugenottenmuseum, Restaurant und Aussichtsplattform ist, zieht der
Deutsche Dom erst jetzt nach. Er war weitaus
länger Ruine, und das erklärt den schlechten
Zustand, als der Wiederaufbau in den 80er Jahren begonnen wurde.
In DDR-Zeiten plante man den Deutschen | Dom als Kunsthalle. Sozialistischer
Realismus sollte das alte Gemäuer schmücken.
Die Wende brachte solche Pläne zu Fall. Es wurde entschieden, die Ausstellung vom Reichstagsgebäude hier neu zu installieren. Da in dem umfunktionierten Gotteshaus große Platznot herrscht, muß die Dokumentation, die insbesondere den Kampf demokratischer Kräfte gegen Reaktion und totalitäre Regimes sowie die Geschichte der Weltkriege, der Teilung und Wiedervereinigung schildert, reduziert werden. | ||||||
Der Gendarmenmarkt bei der Grundsteinlegung des Schillerdenkmals im Jahre 1859. Hinten der Deutsche Dom, in der Mitte Schinkels Schauspielhaus, vorn Portikus des Französischen Doms. | |||||||
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Feuer in der Kuppel
Vergessen ist schon fast, daß der
Deutsche Dom im Herbst 1994 durch ein großes
Feuer heimgesucht wurde, das durch unvorsichtiges Schweißen im Kuppelbereich der
Kirche entstanden war. Glücklicherweise
fackelte der Turm nicht ab. Die
Bundesbaudirektion, die mit dem Ende der
Wiederaufbauarbeiten bereits Ende 1995 gerechnet hatte,
konnte die Schäden bald beheben. Der Deutsche Bundestag als neuer Hausherr lädt nicht
nur zum Besuch der Geschichtsausstellung ein, sondern bietet im wiederaufgebauten
Dom auch die Möglichkeit, an
Vortragsveranstaltungen, Filmabenden und ähnlichem
teilzunehmen. Damit besitzt die Stadtmitte einen weiteren kulturellen Glanzpunkt.
| dern ihn zu modernisieren und zu
erweitern. Bewußt wurde ein Gegensatz von barockem Zierat außen und nüchterner
Steinarchitektur unserer Zeit angestrebt.
Angenehmes Raumklima Im Inneren des Turms sind die Wunden des Krieges nicht übertüncht. Eine Wendeltreppe führt in die Höhe, zum Umgang, Erfrischungsraum und zu Vortragssälen. Lange Betonsäulen führen in die Kuppelspitze. Die letzten Treppenabsätze können nur in Begleitung des Aufsichtspersonals zurückgelegt werden. Ein Lift steht neuerdings auch zur Verfügung. Große Sorgen hatte die Bundesbaudirektion noch vor einigen Jahren mit der Durchfeuchtung der Mauern, hervorgerufen durch die jahrzehntelange Einwirkung von Regen- und Schmelzwasser auf die Ruine. Das Problem wurde gemeistert, so daß Besucher ein angenehmes Raumklima vorfinden, wenn sie das Baudenkmal mit neuem Inhalt betreten. | |||||
Bildquelle:
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Aus der Chronik des Gendarmenmarktes: 1701 König Friedrich I. läßt auf dem Hauptmarkt der Friedrichstadt, dem heutigen
Gendarmenmarkt, die Deutsche und Französische Kirche als Pendants
erbauen. Beteiligte Architekten waren Martin Grünberg, Giovanni Simonetti, Louis
Cayard und Abraham Quesnays.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 10/1996
www.berlinische-monatsschrift.de