82 Geschichte und Geschichten | Desaster am Gendarmenmarkt |
Herbert Schwenk
Desaster am Gendarmenmarkt Am 28. Juli 1781 stürzte bei den
Bauarbeiten zum Deutschen Dom auf dem Berliner Gendarmenmarkt der Kuppelturm ein.
| Französische Komödienhaus. Von 1777 bis
1785 ließ der König den Platz mit zwanzig
neuen Häusern bebauen, darunter mehrere
palastartige Bauten wie die Gebäude der
Seehandlung und der Lotterie-Direktion, die
Achardschen Stiftungshäuser, das Haus des Präsidenten
Rust und das französische Waisenhaus.
Als Krönung des neugestalteten architektonischen Ensembles sollten nach dem Vorbild der beiden Marienkirchen auf der Piazza del Popolo in Rom den beiden Kirchen zwei architektonisch gleiche, hohe Kuppeltürme vorgesetzt werden. Entwurf und Bauleitung lagen in den Händen von Carl von Gontard (17311791), dem bedeutendsten Architekten des spätfriderizianischen Rokoko. Nachdem der Nachfahre eines alten Hugenottengeschlechts 1763 in die Dienste Friedrichs II. getreten und zunächst in Potsdam tätig gewesen war, siedelte er 1779 nach Berlin über. Er wurde Königlicher Baudirektor und Mitglied der (unmittelbar dem König unterstellten) Immediatbaukommission. Schon 1777 hatte Gontard den Auftrag zum Bau der Kuppeltürme am Gendarmenmarkt erhalten. 1780 begannen die Arbeiten mit der Errichtung von kreuzförmigen, mit Portikusvorbauten an den Kreuzarmen geschmückten Unterbauten, aus denen jeweils ein schlanker Tambour mit Kuppel herauswuchs. Da geschah das Desaster. Wie schon 1706 Andreas Schlüter (um 16601714) beim Bau des Münzturmes am Berliner Schloß und 1734 Johann Friedrich Grael (17071740) beim Bau des Turmes der Cöllner Petrikirche, der höher werden | |||
83 Geschichte und Geschichten | Desaster am Gendarmenmarkt |
Der Gendarmenmarkt um 1883 | ||||||
sollte als das Straßburger Münster, ereilte nun Gontard das Mißgeschick: In der Nacht des 28.Juli 1781 stürzte mitten in den Bauarbeiten zur Deutschen Kirche auf dem Gendarmenmarkt der bereits bis zum Tambour errichtete Kuppelturm ein. Die Kunde vom Einsturz des Turmes verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt und lockte zahlreiche Schaulustige an. Der König, der die Nachricht »mit philosophischer Ruhe« aufgenommen haben soll, befahl den sofortigen Wiederaufbau. 1785 waren die Türme vollendet. Baumeister Gontard wurde zwar verhaftet, mußte aber als | schuldlos entlassen werden und die
Bauleitung nach dem Desaster an seinen Schüler
Georg Christian Unger (17431799) abgeben. Gontard konnte trotzdem weiter bauen und
gestaltete als Meister des Berlin-Potsdamer
Spätbarock maßgeblich den Übergang zum Klassizismus.
Das traurige Ereignis vom 28. Juli 1781 wurde von mehreren Künstlern festgehalten, darunter von einem damals erst siebzehnjährigen Zeichenschüler Johann Gottfried Schadow (17641850). Bildquelle: Max Ring, Die deutsche Kaiserstadt Berlin und Ihre Umgebung, Leipzig 1883 | |||||
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