LUISENSTADT In einer "Allerhöchsten Kabinetsordre" vom 4.4.1802 verfügte König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, Kg. ab 1797), der Cöllnischen oder Cöpenicker Vorstadt nach seiner Gemahlin, Königin Luise (1776-1810), "den Namen Luisenstadt beizulegen". Zugleich mit der Umbenennung sah sich die L. "zum sechsten Stadttheile der Königlichen Residenz erhoben". Sie wurde nördlich von dem alten Festungsgraben zwischen der Wallstraße und Jakobstraße, östlich von der Spree, südlich von der Stadtmauer und westlich von der Friedrichstadt begrenzt (FIDICIN, E. 1843/176 ). Im Jahre 1802 zählte dieser Stadtteil 13 058 Einwohner. Schon im 16. Jh. waren im Bereich der alten, Cölln umgebenden Feldmark neben dem Werder (Friedrichswerder) vor den entsprechenden Toren der Mittelalterlichen Stadtmauer auch die Cöllnischen Vorstädte "Gertraud- und Cöpnicker-Vorstadt" entstanden. Die ursprünglich dort befindlichen Wirtschaftsgebäude (Meierei, Schäferei, Schweinehof, Feldgüter) waren im Dreißigjährigen Krieg auf Befehl des damaligen Statthalters Adam Graf zu Schwarzenberg (1584-1641) aus Furcht vor einem Angriff der Schweden niedergebrannt worden (18.1.1641). Unter dem Großen Kurfürsten (1620-1688, Kfst. ab 1640 ) wurde der Stadtteil seit 1680 wieder aufgebaut, und die Köpenicker Vorstadt südlich von Cölln erheblich erweitert. 1681 erging an den Cöllnischen Magistrat der Befehl, die Bürger in der Köpenicker Vorstadt zum Bauen anzuhalten. 1734-1736 ließ Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, Kg. ab 1713) das erweiterte Berlin und seine Vorstädte mit einer hauptsächlich fiskalischen Zwecken dienenden neuen Akzisemauer umgeben, "wodurch die Luisenstadt durch das Köpenicker Feld einen bedeutend größeren Umfang erhielt" (ZEDLITZ, L. 1834/432). Ende des 17. Jh. waren bereits die meisten Straßen der späteren L. angelegt. Unter Friedrich II. (1712-1786, Kg. ab 1740) erfreute sich dieser Stadtteil "eines gedeihlichen Wachsthums" (FIDICIN, E. 1843/177). Um 1750 fanden sich in der Köpenicker Vorstadt "nun geregelte, angebaute, auch meist gepflasterte Straßen", an denen die Häuser der Ackerbürger, Gärtner und Handwerker lagen. Bald siedelten sich verstärkt Manufakturisten und Fabrikanten der verschiedensten Art an; die Einwohnerzahl stieg bis 1784 auf 8 819 an. Nach der Umbenennung im Jahre 1802 wuchs die innerhalb der Zollmauer gelegene L. weiter an. Die Köpenicker Straße , Alte Jacobstraße , Dresdener Straße , Stallschreibergasse , Husarenstraße , Feldstraße , Hasenhegerstraße u.a. erhielten neue und größere Häuser; andere Straßen wurden verlängert; neue (wie die Brückenstraße, die durch die Jannowitzbrücke die L. mit der Stralauer Vorstadt verbindet) kamen hinzu. In den 30 Jahren von 1797 bis 1827 war die Zahl der Häuser in der L. von 577 auf 631 und die der Einwohner von 12 323 auf 16 742 gestiegen. 1826 wurde ein Bebauungsplan für die südöstliche Erweiterung der L. ("äußere L.") aufgestellt, jedoch erst unter der Regierung Friedrich Wilhelms IV. (1795-1861, Kg. ab 1840) in Angriff genommen. Dazu wurde die L. über die Akzisemauer hinaus bis an den Schafgraben erweitert. Neben dem Aus- und Aufbau öffentlicher Einrichtungen (Umwandlung des Schafgrabens in den Landwehrkanal, Bau des Luisenstädtischen Kanals, Errichtung der Krankenanstalt Bethanien , Durchbruch der Köpenicker zur Wallstraße, Anlage des Köpenicker Tores am Lausitzer Platz usw.) wurde nun auch die Bebauung außerhalb der Zollmauer voll einbezogen. Nach 1860 entwickelte sich die L. mit ihrer typischen Mischung von Wohnen und Gewerbe, zum Teil auf einem Grundstück ("Kreuzberger Mischung"), zum größten der historischen Stadtteile von Alt-Berlin und galt als eines der dichbebautesten Stadtgebiete Berlins (1910 über 60 000 Menschen pro km²) mit intensiver Wirtschaftstätigkeit (Exportviertel Ritterstraße). 1900 erreichte die L. mit 306 512 ihre höchste Einwohnerzahl; 1910 waren es 267 339: Immer mehr Bewohner wurden durch den Druck der City und die Umwandlung von Wohnraum in Gewerberaum verdrängt. Wachstum der Bevölkerung in der Luisenstadt
Quelle: Leyden 1933/206 Im Ergebnis des Groß-Berlin-Gesetzes (1920) wurde die L. aufgeteilt und teils dem Bezirk Mitte, teils dem Bezirk Kreuzberg zugeordnet. Die Einwohnerzahl sank 1925 auf 236 713. Im II. Weltkrieg wurden große Teile der ehemaligen L. zerstört (Bombenangriff vom 3.2.1945), insbesondere das Gebiet zwischen Lindenstraße und Oranienplatz. Später entstanden in der ehemaligen L. die Neubaugebiete Otto-Suhr-Siedlung und Heinrich-Heine-Viertel. Nach der Vereinigung ist im ehemals brachliegenden Grenzbereich auf ca. 200 000 m² Fläche mit der Errichtung eines Wohngebietes mit zunächst zusätzlich ca. 1 500 Wohnungen und erforderlichen Infrastruktureinrichtungen sowie Flächen für Dienstleistungen und Gewerbe begonnen wurden. Damit werden "die beiden Teile eines ehemals Ganzen, die historische Luisenstadt und damit auch die beiden heutigen Stadtbezirke Mitte und Kreuzberg, wieder zusammenwachsen." (PROJEKTE DER RÄUMLICHEN PLANUNG 1993/15). Quellen
und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |