EXPORTVIERTEL RITTERSTRASSE
Mit
E. wurde ein etwa 24 ha großes Wirtschaftsgebiet bezeichnet, das
vor dem II. Weltkrieg im Bezirk Kreuzberg bzw. vor 1920 in der damaligen
Luisenstadt bestand und als bedeutendstes
Exportzentrum Berlins und darüber hinaus galt. Im E. konzentrierte
sich das klein- und mittelbetriebliche Luxusgewerbe mit Produktionsstätten
und Musterlagern. Das E. enthielt eine ständige Werbemusterschau
mit allen Funktionen einer Messe. Die Umsätze von Lederwaren und
Lampenschirmen, Galanterie- und Schmuckwaren, Glas- und Kristallerzeugnissen,
Silberbestecken und Elektroartikeln usw. im E. mit seiner markanten Zusammensetzung
von Ausstellung, Vertrieb, Produktion und Expedition wurden noch 1936
auf mehr als 100 Mill. Reichsmark jährlich geschätzt.
Das
E. war nach 1841 entstanden, als auf dem damaligen Köpenicker Feld
in Verlängerung der Junkerstraße die Ritterstraße angelegt
worden war. Auf einem zunächst 5,6 ha großen Block zwischen
Ritter-, Alte Jakob-, Oranien- und Alexandrinenstraße siedelten
sich neben manchen namhaften Künstlerpersönlichkeiten wie Adolph
von Menzel (1815-1905), Friedrich Drake (1805-1882) und Paul Lincke (1866-1946)
vor allem zahlreiche Kaufleute, kaufmännische Angestellte und Gewerbetreibende
an. 1910 gab es in dem beschriebenen Block 129 industrielle Betriebe sowie
106 Handelsunternehmen; nach dem I. Weltkrieg waren es sogar 206 Handelsunternehmen.
1914 waren in 24 Straßen, die zum Exportblock Ritterstraße
gerechnet wurden, 1 391 Fabrikanten, 2 943 Vertreter, 92 Exporteure und
21 Spediteure ansässig. Außerdem boten 1 344 ausländische
Firmen hier ihre Waren zum Verkauf nach Messemustern an. Zwischen den
beiden Weltkriegen verlor das E. an Bedeutung, nicht zuletzt infolge des
schlechten baulichen Zustandes der meisten Häuser. Bis 1935 war die
Zahl der Groß- und Exporthandelsunternehmen auf 128 gesunken, die
der industriellen Betriebe hatte sich um 26 verringert.
Im II. Weltkrieg
schwer zerstört, wurde das Revier des ehemaligen E. zu einem der
markantesten Modernisierungsvorhaben in Berlin-West in der Zeit zwischen
1978 und 1989. Im Wohnquartier "Ritterstraße Nord/Süd" nahmen
etliche Firmen wieder ihren Sitz, ohne daß das E. seine einstige
Bedeutung wiedererlangte. Als typische Gewerbehöfe des ehemaligen
E. sind erhalten: der "Ritterhof" (Ritterstraße 11), das "Pelikanhaus"
(Ritterstraße 10) mit seiner großflächig verglasten Fassade
(1901-1903), die "Aqua Butzke-Werke AG" (Ritterstraße 29) und der
"Oranienhof" (Oranienstraße 183).
Quellen
und weiterführende Literatur: 
Borstorff 1948/30; Lobes 1953/201-210; Sticha/Schneider 1986/11, 87; Baedeker
1992/309-310; Berlin Handbuch 1993/451-452, 677; Berliner Wohnquartiere
1994/276-285; Dehio 1994/285, 288; Kreuzberg 1994/251-264; Peters 1995/142-143
(c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004
Stadtentwicklung
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