KURFÜRSTENDAMM

Dia-Serie Kurfuerstendamm

Der K. gilt neben der Straße Unter den LindenUnter den Linden und der FriedrichstraßeFriedrichstraße als bekannteste Straße und repräsentativster Boulevard Berlins. Der etwa 3,5 km lange Straßenzug führt vom Breitscheidplatz zum Rathenauplatz in den Bezirken Charlottenburg und Wilmersdorf. Er bildet in seinem östlichen Teil, etwa ab Olivaer Platz, das Zentrum der City-West (CityCity). Der K. war ursprünglich ein unter Kurfürst Joachim II. Joachim II.(1505-1571, Kfst. ab 1535) etwa Mitte des 16. Jh. angelegter "schneller" Verbindungsweg vom SchloßSchloß zum 1542 errichteten kurfürstlichen Jagdschloß Grunewald, der erst 1767 streckenweise "Churfürstendamm" genannt wurde. Der zum Teil vom Zoologischen
        GartenZoologischen Garten durch Sumpfgelände führende und als Bohlendamm angelegte Weg bog damals am heutigen Olivaer Platz nach Südwesten auf einen alten Weg zum Jagdschloß Grunewald ab. Über drei Jahrhunderte lang blieb der K. ein unbedeutender Feldweg. Erst nachdem 1850 das anliegende Gelände in den Besitz des Staates übergegangen war, wurde es in die Bebauungsplanung der Umgebung Berlins einbezogen, und erst nach der Reichsgründung 1871 begann der Aufstieg des einstigen Knüppeldamms zum Boulevard von Weltruf. Nach den Vorstellungen von Otto von Bismarck Bismarck(1815-1898) sollte der Straßenzug in eine Prachtallee nach dem Vorbild der Pariser Champs-Elysées umgewandelt werden. Aber trotz Bismarcks Protektion wollte dieses "Unglückskind der Gründerjahre...nicht auf die Beine kommen" (LANGE, A. 1984-I/521). Der "Gründerkrach" verzögerte den Ausbau um ein Jahrzehnt. Erst mit der Anlage der Villenkolonie Grunewald begann der Ausbau. Seit 1882 betrieb die Kurfürstendamm-Gesellschaft den großzügigen Ausbau der Straße. Die Straße wurde ab 1883 von 30 auf 53 m verbreitert und allmählich bebaut. Ursprünglich reichte der K. von der Corneliusbrücke am Landwehrkanal bis Halensee. 1886 wurde die Straßenführung auf dem neu angelegten Auguste-Viktoria-Platz (heute Breitscheidplatz Breitscheidplatz) unterbrochen, wo 1891-1895 der mächtige Bau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche von Franz Heinrich Schwechten Schwechten(1841-1924) errichtet wurde.

Dieses Bauwerk im Stil der rheinischen Spätromantik mit seinem ehemals 113 m hohen Mittelturm und dem Grundriß eines gedrungenen lateinischen Kreuzes wurde nicht nur einer der markantesten Berliner Kirchenbauten, sondern zu einem die neue City-West prägenden Bauwerk. Von der im  II. Weltkrieg stark beschädigten Kirche wurde 1957-1963 nur die ruinöse Westfassade mit dem Turm-Torso erhalten, dessen Innenraum heute als Gedächtnishalle dient. Der Teil des K. östlich des Auguste-Viktoria-Platzes wurde schon 1925 in Budapester Straße (unter Beibehaltung der alten Nummerierung des Straßenzuges) umbenannt.

Die Bebauung des K. zwischen 1890 und 1912 zielte auf die neue reiche bürgerliche Klientel. Die Wohn- und Geschäftshäuser haben aufwendige Stuckfassaden, dekorative Treppenaufgänge, Großwohnungen (häufig nur zwei pro Stockwerk), Dienstbotenaufgänge und "eine in dieser Zusammensetzung und Dichte in Berlin einzigartige Erdgeschoßnutzung" (PAPE, CH. 1987/36). Das Bild der vornehmen Wohngegend mit Vorgärten, zwei Fahrdämmen, zwei Bürgersteigen, einem (von Bismarck durchgesetzten) Reitweg und einer Promenade wandelte sich jedoch nach dem I. Weltkrieg. Der K. wurde zum Vergnügungsviertel. Es etablierten sich Luxusgeschäfte, aber auch eine Vielzahl von Restaurants, Kaffeehäusern, Hotels, Kneipen, Weinstuben, Cafés, Tanzlokalen, Imbißstuben, Kinos (aus denen z.T. große Lichtspieltheater wie das Marmorhaus, Capitol, Universum hervorgingen), Kabaretts und andere Vergnügungsetablissements. "In diesem kleinen Abschnitt ballt sich Abend um Abend Vergnügungslust, Eleganz und Uneleganz, Besitz und Scheinbesitz..." (DÖBLIN, A., zit. in LANGE, A. 1987/435). Am Westende des K., in Halensee, entstand nach der Jahrhundertwende der berühmte Lunapark. Der "Amüsierbetrieb am Kudamm" mit seinem bunten Nachtleben erlangte ebenso Weltruf wie seine kulturelle Vielfalt. Caféhäuser wurden zum Treffpunkt von Literaten, Schauspielern und anderen Künstlern (Café Größenwahn, wo Rosa Valetti 1921 ihr Kabarett eröffnete; Romanisches Café, Café Schilling, ab 1932 Café Kranzler usw.). Am K. etablierte sich die "Berliner Sezession", eine Vereinigung Berliner Künstler (zum Beispiel Max Liebermann, Max Slevogt, Alfred Lesser, Lovis Corinth, Lesser Ury, Walter Leistikow, Käthe Kollwitz) mit einem eigenen Ausstellungshaus für Bildende Kunst, dessen Räume 1921 zum Theater am Kurfürstendamm umgestaltet wurden. Max Reinhardt eröffnete 1924 seine Komödie am Kurfürstendamm. Der K. entwickelte sich mit seinen Juweliergeschäften, Bekleidungsboutiquen, Buchläden, Geschäften mit Kunstgewerbe- und Geschenkartikeln, Autosalons usw. zu einer der attraktivsten Einkaufsmeilen Berlins. Zu einem besonderen Magneten wurden auch die großen Kaufhäuser, allen voran das 1906/07 von Johann Emil Schaudt Schaudt(1874-1957) erbaute Warenhaus "KaDeWe" Verweis und in der Tauentzienstraße: ein 5geschossiger Mauerwerksbau, der sich durch seine geschlossene einheitliche Fassade schlicht der Wohngegend anpaßte, im Inneren jedoch luxuriös und modern ausgestaltet wurde. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde mit dem Bau des U-Bahnhofs Wittenbergplatz und der kleinen Stichbahn bis zur Uhlandstraße schließlich auch der Anschluß dieses Areals an das Netz der Berliner U-BahnU-Bahn erreicht.

Der K. entwickelte sich so zu einem der belebtesten Boulevards der Reichshauptstadt und zum Mittelpunkt des "Neuen Westens", der West-City, die sich vom Wittenbergplatz, der Budapester und Tauentzienstraße zum Bahnhof Zoologischer Garten, zur Gedächtniskirche und zum K. erstreckte. Damit hatte die schon vor dem I. Weltkrieg begonnene Westsausdehnung der CityCity ihren Abschluß erreicht: von der Ost-City, der Gegend um den AlexanderplatzAlexanderplatz bis zur FriedrichstraßeFriedrichstraße, weiter zum "Alten Westen", der Gegend um die Leipziger Straße bis zum Potsdamer PlatzPotsdamer Platz schließlich hin zum "Neuen Westen".

Nach dem II. Weltkrieg verlor die schwer zerstörte einstige "Flaniermeile" ihren früheren Glanz. Es wurden viele der beschädigten Gebäude abgerissen und durch Neubauten des sog. Neuen Nachkriegsbaustils ersetzt. Das historische "Kudamm-Flair" erlitt durch Maßnahmen wie die Einstellung der Straßenbahn (1954) und die Umgestaltung des Mittelstreifens zu Autoparkplätzen weiteren Verlust. 1969-1972 entstand das von Werner Düttmann Düttmann(1921-1983) gestaltete Kudamm-Eck (-Karree) mit seiner 300  m² großen Lichtraster-Werbefläche als neues Einkaufs- und Vergnügungszentrum. An der Kreuzung K./Joachimstaler Straße wurde 1957/58 das Café Kranzler neu errichtet. Seit 1977 ist der K. "geschützter Baubereich", womit die weitere bauliche Gestaltung noch stärker an die historische Tradition gebunden werden soll. Erst seit etwa Mitte der 80er Jahre bemüht sich der Senat von Berlin unter Beteiligung von Anliegern, Stadtplanern und Behördenvertretern, dem K. im Rahmen der Stadtbildpflege seine ursprüngliche Eleganz und weltstädtische Atmosphäre zurückzugeben. Die im Oktober 1988 vorgelegten zehn Grundsätze zur städtebaulichen Entwicklung des Kurfürstendammbereichs präzisierten die Planungen.

Bei der Neugestaltung Berlins als Bundeshauptstadt erfährt auch die City-West Veränderungen. Hinter dem unter Denkmalschutz stehenden und seit Januar 2000 im Umbau befindlichen Café Kranzler, am sog. Neuen Kranzler Eck, errichtete die Deutsche Immobilienfonds AG Hamburg (DIFA) einen 55 Meter hohen, 16stöckigen gläsernen Bürokomplex (Architekt: Helmut Jahn [* 1940], Chicago). Auf dem Gelände zwischen Kant-, Hardenberg- und Joachimstalerstraße entsteht an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bis 2002 das 37geschossige, 118,8 m hohe "Zoo-Fenster" (Kosten: 350 Mill. DM, Architekt: Christoph Mäckler), gegenüber an der Kantstraße, zusammen mit dem "Zoo-Fenster" ein "Tor" bildend, bis 2003 das gleichhohe "Atlas"-Hochhaus (Kosten: 400 Mill. DM, Architekt: Christoph Langhof [* 1948]). Beide Projekte sind umstritten, weil befürchtet wird, daß die Turm-Riesen die Gedächtniskirche "in den Schatten" stellen könnten. Das gilt erst recht für den Turm-Giganten am Bahnhof Zoologischer Garten, der nach dem städtebaulichen Entwurf des Architekten Josef Paul Kleihues (* 1933) entstehen soll; mit 300 m Höhe wäre er das höchste Haus Europas (Höhendominanten
        im StadtbildHöhendominanten im Stadtbild). Das "Planwerk Innenstadt", das der Senat am 18.5.1999 als städtebauliche Leitlinie für die Neugestaltung und Verdichtung der InnenstadtInnenstadt verabschiedete, sieht vor, den Breitscheidplatz aufzuwerten und die "Mittelpunktfunktion der Gedächtniskirche" hervorzuheben. Dazu werden das denkmalgeschützte Schimmelpfeng-Haus aus den 50er Jahren abgebrochen, der Autotunnel unter der Budapester Straße zugeschüttet und die Bürgersteige verbreitert.

Der K. als die "Seele der West-City" wird auch künftig - auf seine Geschichte und sein "Flair" bauend - mit seiner Mischung aus Alt- und Neubauten, Geschäften, Gastronomie und Kultur ein international unverwechselbarer Boulevard bleiben und in der Konkurrenz mit den neu entstehenden Zentren im Osten Berlins (ZentrenkonzeptZentrenkonzept) bestehen - trotz der Probleme steigender Bodenpreise, schwindender Kaufkraft bei Teilen der Bevölkerung und verstärkter Präsenz von großen Banken und Handelshäusern.

Quellen und weiterführende Literatur: Literaturquellen
Lange 1984-I/521; Lange 1984-II/374, 471-473, 478; Kutzsch 1986/50-52; Ludewig 1986/174, 183; Metzger/Dunker 1986/7f.; Lange 1987/435, 583, 594, 725, 773; Topographischer Atlas 1987/36-38; Kleines Berlin-Lexikon 1989/105-106; Hofmeister 1990/155f.; Baedeker 1992/174-180; Berlin Handbuch 1993/172-173, 686-687, 699-701,; Dehio 1994/203; Wörner/Mollenschott/Hüter 1994/116-122, 244; Stürickow 1995; Schweitzer 1997/143-159; Berliner Zeitung v. 19. August 1996 und 27. März 1998; Bauen in Berlin 2000/403 u. 428

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