GEOGRAFISCHE BEDINGUNGEN
DER STADTWERDUNG
Die geographischen Bedingungen des Berliner
Raumes haben die Stadtwerdung und -entwicklung maßgeblich geprägt und
zum Teil erheblich begünstigt. Das gilt für mehrere Faktoren:
Erstens: Berlins geographische Lage im
Herzen Europas (topographischer Stadtmittelpunkt Rotes
Rathaus: 52° 31' 12'' nördlicher Breite und 13° 24' 36'' östlicher
Länge von Greenwich) und inmitten der Mark Brandenburg hat die Herausbildung
des Standortes Berlin als Kaufmanns- und Marktsiedlung günstig beeinflußt.
Berlin lag im Schnittpunkt bedeutender Handelsstraßen zwischen Rhein und
Oder in west-östlicher sowie zwischen Ostsee und Mitteldeutschland in
nord-südlicher Richtung. Infolge dieser verkehrsgeographischen Brückenlage
prägte sich frühzeitig für die Siedlungen Berlin und Cölln am Spreeübergang
die Funktion eines zentralen Marktortes heraus, dessen Bedeutung sich
nach der Stadtgründung
und frühen Stadtentwicklung durch die neue Rolle als Königliche
Haupt- und Residenzstadt weiter verstärkte. Die zentrale geographische
Lage begünstigte in den folgenden Jahrhunderten auch den ständigen Zuzug
von Lohn und Brot suchenden Handwerkern und Arbeitern, aber auch qualifizierten
Baumeistern und Architekten, Künstlern und Wissenschaftlern, die die Wirtschafts-
und Ausstrahlungskraft Berlins stärkten. Der Strom der Zuwanderer führte
zu immer neuen Ansiedlungen, seit dem 17. Jh. insbesondere zu rasch wachsenden
Vorstädten,
die in der Folgezeit durch mehrere Stadterweiterungen in die Residenz-
und Hauptstadt eingemeindet wurden.
Zweitens: In starkem Maße verdankt
Berlin sein Werden und Wachsen der Eigenart seiner eiszeitlich (glazial)
geformten Urlandschaft. "Berlin war immer von Sumpf umgeben. Aus dieser
Eigenschaft erwuchs auch seine Gründung." (OSTWALD, H. 1928/25) Im Ergebnis
der letzten Inlandvereisung (Weichseleiszeit) vor etwa 10 000 Jahren entstanden
Ablagerungen mit einer Mächtigkeit bis zu 200 m und eine morphologisch
weitgehend ebene Landschaft, "verhältnismäßig einfache Formen und Linien,
die die Landschaft um Berlin kennzeichnen" (LEYDEN, F. 1933/9): Grundmoränenplatten
(Barnim und Teltow) mit aufgesetzten Stau- und Endmoränen (die bebaute
Stadtfläche liegt 31-70 m über dem Meeresspiegel); höchste Bodenerhebungen
sind: Müggelberge 115 m, Teufelsberg 115 m, Ahrensfelder Berge 112 m,
Schäferberg 103 m, Kienberg 102 m, Havelberg 97 m. Beim Abschmelzen der
riesigen Eismassen hatte sich vor dem Rand des Eiskörpers ein breites
Urstromtal herausgebildet (Warschau-Berliner-Urstromtal), das etwa 32-35 m über NN liegt. Zwischen den Hochflächen des Barnim und des Teltow verengt
sich das Urstromtal auf 4-5 km, und die Spree wurde gezwungen, sich an
einer durch Talsande erhöhten Insel zu verzweigen. An dieser Stelle waren
die sumpfige Niederung und der Fluß leicht zu überqueren, und es entwickelten
sich, auf halbem Weg zwischen Köpenick und Spandau, seit Ende des 12.
Jh. die Brücken- und Handelsstädte Berlin und Cölln. In doppelter Weise beeinflußte die glaziale Hinterlassenschaft
die weitere Stadtentwicklung. Zum einen erlangten die glazialen und postglazialen
Ablagerungen der Gletscher, Schmelzwässer und Winde (Schlickablagerungen,
Sümpfe, Sölle, Pfuhle, Moore, Dünen usw.) über Jahrhunderte hinweg großen
Einfluß auf die Bebauung der Stadt. Die Stadtkerne von Alt-Berlin
und Alt-Cölln wurden auf Talsandinseln
(Dünenhügeln), drei auf Berliner und einer auf Cöllner Seite, errichtet.
Die Stadterweiterungen waren ständig mit dem Problem des instabilen Baugrundes
konfrontiert.
Zum anderen schuf die Eiszeit die Grundlage zahlreicher
Flüsse, Seen und Kanäle. Berlin zählt 62 Seen (die größten: Großer Müggelsee
766 ha, Tegeler See 380 ha, Langer See 300 ha, Großer Wannsee 274 ha,
Seddinsee 269 ha, Zeuthener See 233 ha) und über 100 kleinere Teiche und
Pfuhle; insgesamt durchfließen 189 Wasserarme, Kanäle und Flüsse die Stadt;
6,6 Prozent der Stadtfläche werden von Gewässern eingenommen (zum Vergleich:
Landwirtschaftsfläche 5,5 Prozent; Waldfäche 17,8 Prozent; Verkehrsfläche
15,2 Prozent; Gebäude- und Freifläche 40,1 Prozent. - Alle Angaben für
1999). Von ausschlaggebender Bedeutung für die Stadtgründung
und frühe Stadtentwicklung Berlins war die 398 km lange Spree, das
größte Fließgewässer Berlins. Der durchschnittlich ab Cottbus 4 Meter
tiefe Fluß, der in der sächsischen Oberlausitz entspringt und im Bereich
der historischen Altstadt von Spandau in die Havel einmündet, entwässert
ein Einzugsgebiet von 10 104 km². Auf dem Berliner Stadtgebiet liegt ein
45,1 km langer und durchschnittlich 50 m breiter Streckenabschnitt (einschl.
Müggelsee), der dem Warschau-Berliner-Urstromtal folgt. Für die relativ
hohe durchschnittliche Wasserführung der Spree spricht dies: Sie übertrifft
bei der Einmündung in die Havel bei Spandau mit 40 m³/s die Wasserführung
der Havel um fast das Dreifache. Die Lage Berlins im Zentrum des märkischen
Wasserstraßennetzes hat die Entwicklung der Stadt erheblich begünstigt.
Über die Havel, die Spree und zahlreiche Kanäle (Gesamtlänge innerhalb
Berlins rund 65 km) wurde Berlin seit dem 17. Jh. zunehmend an das deutsche
und internationale Wasserstraßennetz angebunden.
Drittens: Auch die klimatischen Bedingungen
beeinflußten ständig die Siedlungs- und Wirtschaftsverhältnisse im Berliner
Raum. Aus der Grenzlage Berlins zwischen ozea-nischem und kontinentalem
Klima resultiert ein kühl-gemäßigtes, feuchtes Übergangsklima mit hohen
Schwankungen in den Jahresabläufen. Dies war seit dem 13. Jh. ausschlaggebend
bei der Nutzung der Wasserkraft durch Anlage von Wassermühlen ( Mühlendamm).
Im Jahresmittel sind zu 64 Prozent ozeanische Luftmassen wetterwirksam.
Der Wechsel der Wetterlagen bewirkt ein für Berlin typisches Reizklima.
"Das Klima von Berlin ist gekennzeichnet durch seine Unbeständigkeit,
um nicht zu sagen: Unberechenbarkeit." (LEYDEN, F. 1933/13) Regelmäßige
Aufzeichnungen der Berliner Witterungsverhältnisse gehen auf das Jahr
1700 zurück (durch Astronom Gottfried Kirch, Mitglied der Preußischen
Akademie der Wissenschaften); 1847 wurde das Königlich Preußische Meteorologische
Institut gegründet. Aus den langjährig erfaßten Daten läßt sich das Typische
des Klimas von Berlin erkennen.
Das Temperatur-Jahresmittel lag in den 90er Jahren zwischen 7,8 (1996) und 10,2 (1994) Grad °C
Jahr |
1991 |
1992 |
1993 |
1994 |
1995 |
1996 |
1997 |
1998 |
Temperatur (Grad C) |
9,2 |
10,1 |
9,2 |
10,2 |
9,4 |
7,8 |
9,6 |
9,7 |
Das 60jährige Temperaturmittel von 1909-1969 (ohne
1945) betrug 8,8 Grad C; das der letzten 30 Jahre 9,4 Grad C (Vergleich:
Hamburg: 8,6 und München 8,0 Grad C). In der Berliner Innenstadt
ist die Lufttemperatur über ein Grad höher als in den Außenbezirken.
Auch die jährliche Niederschlagshöhe in Berlin
schwankte erheblich - zwischen 470 mm (1991)und 722 mm (1994):
Jahr |
1991 |
1992 |
1993 |
1994 |
1995 |
1996 |
1997 |
1998 |
Niederschlag (mm) |
470 |
596 |
659 |
722 |
600 |
550 |
500 |
602 |
Das Niederschlagsmittel von 1951-1980 lag bei 594
mm; das der letzten 30 Jahre bei 584 mm (Vergleich: Hamburg: 770 mm, München
967 mm). Im Jahresdurchschnitt fallen etwa an jedem dritten Tag Niederschläge
von mehr als 1 mm Höhe. Gewitter gab es 1995 an 23, 1996 an 29 und 1997
an 28 Tagen. Der Charakter des Klimas in Berlin schließt manches Witterungsextrem
ein, so zum Beispiel bei der Zahl der sog. Sommertage (mindestens 25 Grad
°C); der Jahresdurchschnitt solcher Tage liegt in Berlin bei 32-34 Tage:
1834 waren es jedoch 82 Tage, 1868 71 Tage, 1911 54 Tage, 1991 38 Tage,
1992 64 Tage, 1995 55 Tage, 1997 61 Tage, aber 1998 nur 25 Tage. Ähnliche
Extreme gibt es auch bei den sog. Eistagen (Maximum unter 0 Grad °C);
der Jahresdurchschnitt solcher Tage liegt in Berlin bei 24-26 Tagen: 1838
waren es jedoch 61 Tage, 1855 59 Tage, 1929 55 Tage, 1996 46 Tage, 1992
jedoch nur 9 Tage.
Daten zur durchschnittlichen Witterung von Berlin
(Jahresdurchschnitt 1951-1980)
• | Temperaturmittel (Grad C) | 8,8 |
• | Mittlere Sonnenscheindauer (Std.) | 1671,6 |
• | Sommertage (Maximum mind. 25 Grad C) | 32 |
• | Mittlere Bewölkung (Prozent) | 66 |
• | Eistage (Maximum unter Null Grad C) | 24 |
• | Tage mit Nebel | 38 |
• | Frosttage (Minimum unter Null Grad C) | 83 |
• | Tage mit Gewitter | 30 |
• | Mittlere relative Feuchte (7/14/21Uhr,Prozent) | 86/65/82 |
• | Tage mit Wetterleuchten | 6 |
• | Tage mit Schneefall (mind. 0,1 mm) | 16 |
• | Mittlere Niederschlagshöhe (mm) | 594,4 |
• | Tage mit Schneedecke (mind. 1 cm) | 42 |
Quellen: Deutscher Wetterdienst, Offenbach 1990; Institut
für Meteorologie der FU, Berlin 1994
Quellen und weiterführende Literatur:  Rumpf 1826/22-27;
Schwebel 1888-I/3-8; Ostwald 1928/25; Leyden 1933/9-22, 160-161; Louis
1936/3-12; Kellermann 1965/2-3; Natzschka 1971/11-22; Bauer/Hühns 1980/10;
Böse 1985/13-28; Kutzsch 1986/29-32; Herrmann 1987/1-20; Topographischer
Atlas 1987/10-12; Sukopp 1990/9-32; Baedeker 1992/61-63; Mauter 1993-1/7-19;
Berlin Handbuch 1993/379, 655-657; 724-729; Lemke 1994/11-24; Berliner
Morgenpost v. 9. Oktober 1994/14; Statistisches Jahrbuch 1997/10-21; Kleine
Berlin-Statistik 1999/01.1, 01.2 u. 06; Umwelt in Berlin, hrsg. v. Statistischen
Landesamt Berlin, Juni 2000
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2004
Stadtentwicklung
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