177   Geschichte und Geschichten Wetter in den Jahren 1933-1945  Nächstes Blatt
Paul Schlaak
Das Wetter in Berlin von 1933 bis 1945

Die Begriffe Wetter und Witterung sollten auch bei einem »Blick« auf den kurzen Zeitraum 1933-1945 deutlich unterschieden werden. Bezeichnet doch der Begriff Wetter den für unsere Sinne unmittelbar wahrnehmbaren Zustand der Lufthülle in einem gegebenen Augenblick oder während eines kurzen Zeitraumes von höchstens Tageslänge. Witterung ist dagegen das Gleichbleibende oder wenigstens annähernd Gleichbleibende in den atmosphärischen Erscheinungen während der Aufeinanderfolge mehrerer Tage, Wochen oder Monate bzw. Jahreszeiten oder sogar auch über mehrere Jahre hinweg im weitesten Sinne. Für diese Beurteilungen leisten Monatsmittelwerte der meteorologischen Elemente (Luftdruck, Lufttemperatur, Wind, Sonnenschein, Niederschlagsmenge oder auch Niederschlagsdauer usw.) bzw. auch die Abweichungen von vieljährigen Durchschnittswerten gute Einsichten in das Wechselspiel der Witterung.
     Der Betriff Klima leitet sich ab von dem griechischen Wort, das mit Neigung oder Himmelsgegend übersetzt wird. Die Klimazonen und Jahreszeiten der Erde resultieren allein aus der Neigung der Erdachse gegen die Umlaufbahn. Streng genommen dürfte von einer Klima- Änderung nur dann gesprochen werden, wenn sich die Neigung der Erdachse verändert!

Eine gewisse Begriffsverwirrung ergibt sich auch daraus, dass es den Begriff Witterung in anderen Sprachräumen leider nicht gibt. Während also im deutschen Sprachraum von Witterungsschwankungen gesprochen wird, werden die Veränderungen z. B. auch im englischen Sprachgebiet schon als Klimaänderungen bezeichnet.
     Wie sehr sich der Bedeutungswandel des Begriffs Klima schon vollzogen hat und nichts mehr mit seiner alten Bedeutung (Neigung usw.) zu tun hat, ist darin zu erkennen, dass man heute u. a. vom Stadt-Klima, vom Raum- oder Zimmer- Klima, ja sogar vom Verhandlungsklima oder auch Betriebsklima spricht, doch ist andererseits der Bedeutungswandel eines Wortes oder Begriffs durchaus ein normaler Vorgang in der Sprachentwicklung.
     Die von Menschen in den vergangenen 3000 Jahren erlebten so genannten Wetter- Katastrophen oder längerfristigen Witterungsunbilden, wie etwa die Kleine Eiszeit zwischen 1550 und 1850, gehören somit eigentlich zu den »normalen« Erscheinungen des Erd- Klimas!
     In den hier angesprochenen 13 Jahren hat es natürlich auch einige spektakuläre Wettererscheinungen gegeben, doch spielten sie sich durchaus im Rahmen der bisher zur Kenntnis gelangten extremen Wetterabläufe ab, ja man kann es eigentlich mit gutem Gewissen sagen, dass in früheren Jahrhunderten des gerade abgeschlossenen Jahrtausends die Wettervorgänge erheblich extremer oder intensiver waren.
BlattanfangNächstes Blatt

   178   Geschichte und Geschichten Wetter in den Jahren 1933-1945  Voriges BlattNächstes Blatt
Dies kann man verlässlichen Chroniken oder Aufzeichnungen entnehmen, die u. a. von R. Hennig im Jahre 1904 in einem »Katalog bemerkenswerter Witterungsereignisse von den ältesten Zeiten bis zum Jahr 1800« zusammengestellt und als Abhandlung des Königlich Preußischen Meteorologischen Instituts veröffentlicht wurden. Hier daraus einige wenige Beispiele:
1010/11Außerordentlich strenger Winter in ganz Europa. Auf dem Bosporus und selbst auf dem Nil Eis.
1303/04 Sehr heiße und trockene Sommer, so dass die Donau und der Rhein stellenweise durchwatet werden können.
1343Der Rhein und die Maas erreichen im Sommer eine bisher auch nicht annähernd erreichte Höhe. In Köln kann man in Kähnen über die Stadtmauer fahren.
1539Äußerst milder Winter. Zu Neujahr und am Dreikönigstag kommen die Mädchen in der Mark Brandenburg mit Kränzen von frischen Veilchen und Kornblumen zur Kirche.
Witterungsübersichten aus der Zeit 1933-1945

Die seit dem Jahr 1700 vorliegenden kontinuierlichen Wetterbeobachtungen und vor allem auch die instrumentellen Messungen aus dem Berlin- Raum geben die Möglichkeit, verlässliche Vergleiche bestimmter Zeiträume untereinander anzustellen.
     So zeigt die Tabelle 1 mit den Abweichungen der jeweiligen Jahresmitteltemperatur vom vieljährigen Durchschnitt 1909-1969, dass die 13 Jahre in ihrer Gesamtheit nur um +0,1 K vom 60- jährigen Durchschnitt abwichen. Zum Vergleich sind die Werte für die gleichen Jahre nach der so genannten Reihe »Mitteleuropa«, die seinerzeit von Prof. Dr. Franz Baur (1877-1977) aus den Messungen der vier Stationen Zwannen- Utrecht- De Bilt (Niederlande), Berlin- Potsdam, Wien Hohe Warte und Basel (Schweiz) für den 210- jährigen Zeitraum 1761 bis 1970 berechnet wurde, beigegeben. Für den 13- jährigen Zeitraum 1933-1945 ergibt sich danach ebenfalls nur eine geringfügige Abweichung vom 210- jährigen Durchschnitt, und zwar von +0,2 K, obwohl es doch einige bedeutende zu kalte und auch zu warme Jahre gegeben hatte, wie zum Beispiel 1940, 1941, 1942 sowie 1934, 1943, 1944.

BlattanfangNächstes Blatt

   179   Geschichte und Geschichten Wetter in den Jahren 1933-1945  Voriges BlattNächstes Blatt
Die zu kalten Jahre waren durch die drei extrem kalten Winter 1939/40, 1940/41 und 1941/42 geprägt, d. h. durch die so genannten drei strengen Kriegswinter, und die warmen Jahre durch die warmen und beständigen Sommer 1934, 1944 und auch durch die sehr milden Winter 1942/43 und 1943/44.
 
Berlin-DahlemMitteleuropa
1933-0,6 K-0,5 K
1934+1,7+1,4
1935+0,3+0,4
1936+0,4+0,4
1937+0,4+0,6
1938+0,8+0,5
1939+0,4+0,3
1940-1,8-1,4
1941-1,1-0,8
1942-0,9-0,7
1943+0,9+0,8
1944+0,6+0,3
1945+0,7+1,1
Mittel+0,1 K+0,2 K
Tabelle 1 Abweichungen der Jahresmitteltemperatur für die Jahre 1933-1945 nach der Reihe Berlin- Dahlem (1909-1969) und der 210- jährigen Reihe »Mitteleuropa« (1761-1970)
Die folgenden tabellarischen Zusammenstellungen mit Daten aus der jeweiligen kalten und warmen Jahreszeit der 13 Jahre ermöglichen einen etwas detaillierteren Einblick in den Witterungsablauf in diesem Zeitraum.
     Besonders informativ sind die jeweiligen Zahlen für die so genannten Sommertage (Tage mit einem Temperatur- Maximum von ³25°C), für die Heißen Tage (Tage mit einem Temperatur- Maximum von ³30°C) bzw. für die Frost-Tage (Tage mit einem Temperatur- Minimum unter 0°C) und für die Eistage (Tage mit einem Temperatur- Maximum £0°C) und auch die so genannte jeweilige Kältesumme, die sich aus der Summe der negativen Tagesmittel- Temperatur ergibt, so z. B. Tagesmittel- Temperatur -3,5°C + Tagesmittel- Temperatur -5,8°C = Kältesumme 9,3°C!

     Die durchschnittliche Zahl der Eistage in Berlin in den Jahren 1933-1945 entspricht genau dem 60- jährigen Durchschnitt 1909-1969! Die Zahl der Frosttage liegt nur um 2 über dem vieljährigen Mittel, obwohl es in diesem Zeitraum drei Super- Winter gegeben hatte. Schon hier zeigt sich die offensichtliche Tendenz, dass jeweils starke Abweichungen immer wieder kompensiert werden. So gab es z. B. in der 300- jährigen Berliner Meßreihe im Jahre 1740 das kälteste und schon 1756 das wärmste Jahr der ganzen Reihe.

BlattanfangNächstes Blatt

   180   Geschichte und Geschichten Wetter in den Jahren 1933-1945  Voriges BlattNächstes Blatt
Winter-Daten
BerlinMitteleuropaBerlin-Dahlem
KältesummeFrosttageEistage 
1932/33-0,8 K-0,4 K1928929
1933/34±0,0-0,81546620
1934/35+1,9+2,21206919
1935/36+1,2+1,658658
1936/37+0,2+1,31638324
1937/38+0,8+1,1917913
1938/39+1,3+1,11287117
1939/40-6,2-4,263511363
1940/41-2,9-2,233211442
1941/42-3,5-3,447311857
1942/43+1,8+1,6787214
1943/44+1,4+1,25310314
1944/45-0,1±0,01717223
Mittel-0,4-0,1204 (179)86 (88)26 (26)
Tabelle 2 Abweichungen der Winter- Mitteltemperatur (Dezember, Januar, Februar) für 13 Winter 1932/33 bis 1944/45 nach der Reihe Berlin- Dahlem 1908-1960 und der 210- jährigen Reihe »Mitteleuropa« (1761-1970) sowie die Zahl der Frost- und Eistage und der Kältesumme jeweils als Summe aus den Monaten September bis April.
Klammerwerte = 60- jährige Mittelwerte.
BlattanfangNächstes Blatt

   181   Geschichte und Geschichten Wetter in den Jahren 1933-1945  Voriges BlattNächstes Blatt
Ein Blick in die Berliner Schnee-Aufzeichnungen zeigt, dass es in den 13 Jahren »Weiße Weihnachten« nur in den drei Jahren 1935, 1938 und 1940 gegeben hatte:
 
23.24.25.26.27. Dezember
1933>>>>0
1934>>332
1935131313116
1936>>>>>
1937>>>>>
193888766
1939>>>>3
194011112
1941>>>14
1942>>>>>
1943>>>>>
1944>>>>>
1945>>>>>
Tabelle 3 Schneehöhen (cm) vom 23. bis 27. Dezember in Berlin- Dahlem im Zeitraum 1933-1945
 
BlattanfangNächstes Blatt

   182   Geschichte und Geschichten Wetter in den Jahren 1933-1945  Voriges BlattNächstes Blatt
Perioden von Frosttagen mit einer Dauer von 10 oder mehr Tagen:
Tiefste Temperatur
193311. Januar-31. Januar21 Tage-17,7°C25. 01.
14. Februar-2. März17 Tage-15,3°C21. 02.
29. November-20. Dezember22 Tage-18,0°C16. 12.
25. Dezember-5. Januar 193412 Tage-2,8°C28. 12.
19357. Januar-21. Januar15 Tage-12,6°C10. 01.
2. März-15. März14 Tage-10,8°C06. 03.
11. Dezember-26. Dezember16 Tage-10,4°C24. 12.
19368. Dezember-1. Januar 193725 Tage-4,7°C26. 12.
19378. Januar-2. Februar26 Tage-14,7°C26. 01.
6. Dezember-23. Dezember18 Tage-9,6°C23. 12.
26. Dezember-7. Januar 193813 Tage-13,9°C05. 01.
193812. Februar-27. Februar16 Tage-6,0°C18. 02.
15. Dezember-2. Januar 193919 Tage-16,6°C19. 12.
193915. März-26. März12 Tage-7,0°C17. 03.
8. Dezember-22. Dezember15 Tage-9,7°C21. 12.
26. Dezember-14. Januar 194020 Tage-20,9°C12. 01.
194016. Januar-23. Februar39 Tage-20,5°C02. 02.
29. Februar-11. März12 Tage-8,1°C02. 03.
14. Dezember-28. Dezember16 Tage-13,9°C18. 12.
30. Dezember-8. Februar 194141 Tage-20,0°C29. 01.
19426. Januar-16. März70 Tage-21,0°C26. 01.
24. Dezember-21. Januar 194329 Tage-15,4°C12. 01.
19432. Dezember-19. Dezember18 Tage-7,4°C07. 12.
194415. Februar-10. März25 Tage-6,3°C24. 02.
14. Dezember-3. Januar 194521 Tage-13,4°C26. 12.
194520. Januar-31. Januar12 Tage-12,1°C25. 01.

Die längste Periode mit Frosttagen in Berlin in den Jahren 1933-1945 hatte es also in den ersten drei Monaten des Jahres 1942 vom 6. Januar bis zum 16. März 1942 mit 70 Tagen gegeben! Im gleichen Zeitraum gab es in Berlin- Dahlem 48 Eistage, d. h. Tage, an denen die Temperatur nicht über den Gefrierpunkt gestiegen ist. Im vieljährigen Durchschnitt gibt es in Berlin nur 18 solcher Tage in den drei Monaten Januar, Februar, März. Der kälteste Winter war aber, wie die Tabelle 2 ausweist, der Winter 1939/40.
BlattanfangNächstes Blatt

   183   Geschichte und Geschichten Wetter in den Jahren 1933-1945  Voriges BlattNächstes Blatt
Sommer-Daten
Abweichungen der Sommer-SommertageHeiße Tage
Mitteltemperatur vom Mittel(über 25°C)(über 30°C)
BerlinMitteleuropaBerlinPotsdamBerlinPotsdam
abcdef
1933+0,1 K-0,9 K243634
1934+1,0+0,45963510
1935+0,9+0,73641911
1936+0,6-0,1303026
1937+0,7+0,3434779
1938+1,0+0,3464768
1939+1,0+0,3414455
1940±0,0-0,8353831
1941+0,5-0,1272788
1942-0,3-0,23135109
1943+0,7+0,33736912
1944+1,5+0,650491817
1945+0,6+0,9343488
Mittel+0,6+0,2384178
Tabelle 4 Abweichungen der Sommermitteltemperatur (Juni, Juli, August) für die Jahre 1933-1945 von der Reihe Berlin- Dahlem 1909-1969 (Spalte a) und der 210- jährigen Reihe »Mitteleuropa« 1761-1970 (Spalte b) sowie die Zahl der Sommertage (Spalte c u. d) und Heißen Tage (Spalte e/f) in Berlin- Dahlem und in Potsdam (Observatorium), jeweils für das ganze Jahr, d.h. im allgemeinen für die Monate März bis Oktober der einzelnen Jahre.
Die wärmsten Sommer in den 13 Jahren waren zweifellos in den Jahren 1934 und 1944 aufgetreten, wurden doch 59 und 50 Sommertage in Berlin- Dahlem registriert sowie 5 und 18 heiße Tage. Im vieljährigen Durchschnitt gibt es in Berlin nur 5 bis 6 heiße Tage, d. h. Tage mit einem Temperaturmaximum von 30°C und mehr.
BlattanfangNächstes Blatt

   184   Geschichte und Geschichten Wetter in den Jahren 1933-1945  Voriges BlattArtikelanfang
Die hier beigefügte Grafik mit den 5- jährigen Sommermitteln der Sonnenscheindauer, der Temperaturabweichungen und der Zahl der Sommertage in Berlin für den Zeitraum 1914 bis 1977 zeigt, dass der 13- jährige Zeitraum 1933 bis 1945 offensichtlich zumindest in der warmen Jahreszeit ein besonders warmer Witterungsabschnitt gewesen ist. Die Zahl der Sommertage war seit 1860 ständig zurückgegangen und erreichte im 5- jährigen Zeitraum 1924/28 mit 21 Sommertagen ihren ersten Tiefpunkt, stieg dann aber im Zeitraum 1929 bis 1953 stark an, erreichte 1934/38 mit 34 Sommertagen ihren Höhepunkt und dann im Jahrfünft 1954-58 mit nur noch 19 Sommertagen ihren absoluten Tiefpunkt in einem 200- jährigen Zeitraum.
5- jährige Mittelwerte der Sonnenscheinstunden, der Temperaturabweichung vom vieljährigen Mittelwert und der Zahl der Sommertage in den drei Sommermonaten. Die drei gemeinsamen Kurvenzüge beweisen, dass durchaus schon ein einziges Element die »Güte« eines Sommers bzw. eines Zeitabschnitts charakterisieren kann.
Zum Schluss noch ein Blick auf den Sonnenfleckenzyklus in den Jahren 1910 bis 1954:
SonnenfleckenmaximumSonnenfleckenminimum
1912/13
19171923
19281933
19371944
19471954
BlattanfangArtikelanfang

© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 9/2000
www.berlinische-monatsschrift.de