CÖLLNISCHES (CÖLLNER) STADTBUCH

Neben dem Berlinischen
        (Berliner) StadtbuchBerlinischen (Berliner) Stadtbuch gehört das mittelalterliche C. aus den Jahren 1442/43 zu den ältesten Quellen der Stadtgeschichte. Eine wissenschaftliche Abhandlung "Das Stadtbuch des alten Köln an der Spree aus dem Jahre 1442 mit geschichtlicher Einleitung und Erläuterungen" veröffentlichte 1921 der Historiker und Stadtarchivar Paul Clauswitz (1839-1927), der das Berliner Stadtarchiv von 1879-1912 geleitet hatte. In der geschichtlichen Einleitung zum Stadtbuch erläutert Clauswitz besonders die Vereinigung von Berlin und Cölln im Jahre 1432 und die Trennung der Städte 1442 durch Kurfürst Friedrich II. "Eisenzahn Eisenzahn" (1413-1471, Kfst. 1440-1470).

Die Entstehung des C. fällt in eine äußerst angespannte Zeit der Geschichte Berlin/Cöllns (Stadtgründung
        und frühe StadtentwicklungStadtgründung und frühe Stadtentwicklung; Alt-CöllnAlt-Cölln). Nachdem sich beide Städte 1307 zu einer Union zusammengeschlossen und diese 1432 erneuert und vertieft hatten, erlangte die Doppelstadt den Gipfel ihrer städtischen Autonomie. Berlin/Cölln wurde Mittelpunkt der Mark und Versammlungsort der Landstände. Zugleich nahmen Spannungen innerhalb der Stadt zwischen der vom patrizischen Rat ausgeübten Stadtherrschaft und der bürgerlichen Opposition, den Zünften ("Viergewerke" der Fleischer, Wollenweber, Schuster und Bäcker) und Bürgerschaften ("Gemeine"), die 1441 zum Ausbruch schwerer Kämpfe führten. Kurfürst Friedrich II. nutzte die Gunst der Stunde, stellte sich auf die Seite der Opposition und und warf 1442 im Bunde mit dieser die patrizische Stadtherrschaft nieder. Zugleich löste er die Union der Doppelstadt auf, entzog Berlin das 1391 erworbene Amt des Stadtrichters sowie das Recht der Niederlage, maßte sich selbst das Recht an, die Ratswahl beider Städte künftig zu bestätigen und trotzte Cölln einen Bauplatz an der Spree für sein künftiges Schloß
        (Stadtschloß)Schloß (Stadtschloß) ab, dessen Grundstein er 1443 legte. Gegen diese Willkür erhob sich die Berliner Bevölkerung im sog. Berliner Unwillen von 1447/1448.

In jener Zeit entstand das C. als bedeutendste Quelle der spätmittelalterlichen Stadtverfassung Cöllns, und zwar vor Wirksamwerden der kurfürstlichen Willkürmaßnahmen. Es enthält - typisch für alle mittelalterlichen Stadtbücher - Rechte und Pflichten des Rates und der Ratmannen, eine Übersicht über die Abgaben der Handwerker, die Bezüge der städtischen Bediensteten sowie die Grund-, Fischerei- und Zinsrechte. Das C. verankert auch Eidesformeln der Ratmänner und Meister. Der bescheidenen Größe Cöllns (ca. 1 000 Einwohner) entsprechen Inhalt und Umfang seines Stadtbuches.

Die Originalhandschrift des C. besteht aus 25 nicht numerierten Pergamentblättern. Die ursprünglich in hölzerne, mit dunkelrotem Papier überzogene Einbanddeckel gehefteten Blätter sind jedoch lose überliefert. Nur 11 Blätter bilden das eigentliche Stadtbuch, die übrigen 14 blieben leer und wurden zum Teil für Eintragungen genutzt, die aus der Zeit bis 1546 stammen. Das Stadtbuch ist "in schöner Schrift ausgeführt, vielfach mit roten Initialen geschmückt" (CLAUSWITZ, P. 1921). Das C. ist in mittelniederdeutscher Sprache abgefaßt, zum Teil jedoch mit Oberdeutsch und Latein durchsetzt. Die Eintragungen des eigentlichen Stadtbuchtextes beginnen 1442 und enden 1443 mit einem unvollendeten Satz, was auf eine geplante Fortsetzung, insbesondere die Privilegien der Stadt und der Innungen betreffend, schließen läßt. Die (sehr ähnlichen) Handschriften stammen von zwei Personen. Während der Verfasser des ersten Teils (1442) nicht genannt wird, hat den zweiten Teil (1443) der Stadtschreiber (Notarius) Nikolaus Molner, ein in Rechtssachen und Verwaltungsgeschäften belesener und erfahrener Geistlicher, niedergeschrieben.

Das C. enthällt einige für die Stadtgeschichte und historische Topographie bedeutsame Nachrichten und Aussagen. Im Abschnitt über die Zinsabgaben werden die "Buden" (Wohngebäude auf frei gebliebenen Plätzen), Badstuben ("Stofen") und der "Wursthof" erwähnt. Danach stand eine "Garbude" (Speisewirtschaft) am MühlendammMühlendamm, weitere befanden sich an der PetrikirchePetrikirche, in der Gegend der Scharrenstraße und der späteren FriedrichsgrachtFriedrichsgracht. Der Wursthof, eine privat betriebene Anlage zur Verwertung von Schweinen, befand sich am südlichen Ende der Fischerstraße und Fischerbrücke, eine beliebte Badstube, die der Stadt gehörte und 1444 an den Kurfürsten abgetreten werden mußte, an der Langen Brücke. Die Mitteilung über einen städtischen Weinkeller läßt auf einen hohen Weinkonsum in Alt-CöllnAlt-Cölln schließen. Einnahmen für die Stadtkasse erbrachten allerdings nur die auf eingeführten Wein erhobenen Abgaben, zum Beispiel den Rheinwein ("Renczker Win"). Wenn das C. in diesem Zusammenhang mitteilt, daß die Ratsherren als Abgabe auf importierten Wein "eine Büchse Zucker" erhielten, dann handelt es sich dabei um die einzige Quelle der mittelalterlichen Doppelstadt, in der Zucker erwähnt wird. Nicht minder bedeutsam ist der urkundliche Nachweis durch das C., daß im Cöllnischen Spreearm bereits 1443 eine Schleuse angelegt war. Da das Stadtbuch den Wasserlauf als "Graben" bezeichnet, das heißt als künstlich angelegte Wasserstraße, erkennt P. Clauswitz darin den Beweis, daß die Cöllnische Spreeinsel (FischerinselFischerinsel) "wohl nicht von Natur eine Insel gewesen sein kann" (CLAUSWITZ, P. 1921/78). Über den Cöllnischen "Stadtgraben" und seine Fischerei verfügte allein der Cöllner Rat. Wäre er ein "Arm der Spree" gewesen, hätte über ihn der Landesherr verfügt. Ferner gibt das C. mit seinen Angaben zu den Bürgerrechten auch einige Auskünfte über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt wie die Zufuhr von Holzkohle, Ziegelerde und Kalkstein, über Preise und den Fischfang. Schließlich wird aus den Mitteilungen über die Zahlungen der Stadt an Bedienstete (Stadtschreiber, Schulmeister und einige wenige andere) deutlich, wie sparsam damals mit Personalkosten umgegangen wurde: Die "Rideknechte" (Reitknechte) zum Beispiel erhielten als Ratsboten kein festes Gehalt vom Rat, sondern wurden nur für ihre geleisteten Dienste bezahlt.

AUS DEM CÖLLNISCHEN STADTBUCH, 1442/43: EIDESFORMEL FÜR BÜRGER VON CÖLLN, ABZULEGEN VOR DEM BÜRGERMEISTER

"Ich gelobe und schwöre, meinem gnädigen Herrn getreu und gegenwärtig zu sein, Schaden von ihm abzuwenden und seinen Nutzen zu vermehren, und in keiner Sache gegen seine Gnade und Herrschaft zu sein, so wahr mir Gott und die Heiligen helfen. Und ich will dem Rat getreu und gegenwärtig sein, wenn mich der Rat zu sich entbietet. Bei Tag und Nacht will ich gern zum Rat kommen und ein gehorsamer Bürger sein bei meinen Treuen und Ehren."

Quelle: Georg Holmsten: Die Berlin-Chronik. Daten- Personen- Dokumente. Reihe "Drostes Städte-Chronik", 3. Auflage, Düsseldorf 1990, S. 75

Quellen und weiterführende Literatur: Literaturquellen
Clauswitz 1921/Einleitung u. 41-42; Demps/Materna 1987/137-140; Holmsten 1990/76

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