BERLINER ABGEORDNETENHAUS
PREUSSISCHES ABGEORDNETENHAUS

Dia-Serie Berliner Abgeordnetenhaus

Das Parlamentsgebäude des ehemaligen Preußischen Abgeordnetenhauses und des heutigen Berliner Abgeordnetenhauses gehört zu den wenigen Berliner Bauten von historischer Bedeutung, die Bomben und Abrißbirne überstanden haben. Es wurde am 16.1.1899 den 433 Abgeordneten der im November 1898 neu gewählten Zweiten Kammer des Preußischen Landtages zur Bestimmung übergeben. Der prächtige Gebäudekubus im Stil italienischer Adelspaläste der Renaissance liegt etwas abseits der Leipziger Straße in der Niederkirchner Straße Niederkirchnerstraße 5, die bis 1951 Prinz-Albrecht-Straße hieß und in der während der NS-Zeit die Zentralen von Gestapo und SS ihren Sitz hatten. Mit seiner Hauptfassade, die einen breiten, durch Kolossalsäulen betonten Mitteltrakt enthält, ist das Gebäude der Niederkirchnerstraße zugewandt und entlang der von 1961-1990 die Mauer verlief. Der Monumentalbau gehört zu einem Gebäudekomplex, der von 1892-1904 für beide Kammern des Preußischen Landtages, des Preußischen Abgeordnetenhauses und des aus Vertretern des preußischen Königshauses und des Geburts-, Geld- und Geistesadels rekrutierten Preußischen Herrenhauses Herrenhaus, errichtet wurde. Die durch Funktionsbauten verbundenen Gebäude entstanden nach Plänen von Baurat Friedrich Otto Schulze Schulze(1843-1912, nach seinem Geburtsort Kolbitz bei Magdeburg auch Schulze-Kolbitz genannt), der seit 1880 in der Ministerial-Baukommission das Baugeschehen auf dem staatlichen Sektor in Preußen dominierte. Den allegorischen Figurenschmuck beider Gebäude schuf Otto Lessing Lessing(1846-1912).

Zur Bedeutung des Gebäudes trug sein Standort auf historischem Gelände bei. Als Preußen am 31.1.1850 konstitutionelle Monarchie geworden war, wurden für die Sitzungen beider Kammern des Preußischen Landtages entsprechende Gebäude benötigt. Das Herrenhaus Herrenhaus(1849-1854 "Erste Kammer") saß 1849/50 in der Oberwallstraße 4. Nachdem das Gebäude dort abbrannte, erhielt das Herrenhaus auf dem Grundstück Leipziger Straße 3 seinen neuen Standort. Schon über hundert Jahre zuvor, in der Ära des Baufiebers unter Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740, Kg. ab 1713 Friedrich Wilhelm I.), war hier 1735-1737 ein Adelspalais entstanden. Später hatte Johann Ernst Gotzkowsky Gotzkowsky(1710-1775), Kaufmann und Günstling König Friedrichs II. (1712-1786, Kg. seit 1740), das Grundstück für seine Samt- und Seidenmanufaktur erworben. Anschließend diente es Nachkommen des berühmten Philosophen Moses Mendelssohn Mendelssohn(1729-1786) als Wohnhaus, in dem auch der Enkel von Moses Mendelssohn, der "Wunderknabe" und später berühmte Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy Mendelssohn(1809-1847) lebte. 1850/51 baute Georg Heinrich Bürde Buerde(1796-1865) das Wohnhaus als Tagungsstätte für das Herrenhaus Herrenhaus um. Auch das ebenfalls schon 1735-1737 auf dem Nachbargrundstück Leipziger Straße 4 erbaute Adelspalais hatte Gotzkowsky 1761 für seine Porzellan-Manufaktur erworben, die mit der Übernahme durch den Staat zur Königlichen Porzellan-Manufaktur geworden war. 1871 ordnete Otto von Bismarck Bismarck(1815-1898) die Räumung des Grundstücks an, und es wurde nach Entwurf von Friedrich Hitzig Hitzig(1811-1881) ein provisorisches Gebäude für den Deutschen Reichstag (ReichstagsgebäudeReichstagsgebäude) errichtet. Nach Fertigstellung des neuen Reichstagsgebäudes (1894) wurden beide Gebäude auf den Grundstücken Leipziger Straße 3 und 4 abgerissen, um den geplanten Neubauten für das Abgeordneten- und Herrenhaus Herrenhaus Platz zu machen.

Im P. wurde Geschichte geschrieben. Hier fanden erbitterte parlamentarische Debatten statt. [gestr. 3. Auflage: so zur sog. Kanalfrage, zum Bau des Mittellandkanals (1899-1905), zur Reform des Gemeindewahlrechts (1900/01) und vor allem seit 1908 zum preußischen Militarismus nach den Enthüllungen des Abgeordneten Karl Liebknecht Liebknecht(1871-1919).] Im Herrenhaus Herrenhaus tagte nach der Novemberrevolution vom 16.-21.12.1918 der erste Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte, der den historischen Beschluß über Wahlen zur Nationalversammlung faßte. Am 30./31.12.1918 wurde im Kleinen Sitzungssaal des P. die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Von 1919 bis 1932 wirkte in diesem Gebäudekomplex auch die preußische Regierung des SPD-Ministerpräsidenten Otto Braun Otto Braun(1872-1955). Mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches lösten die Nazis 1934 den Preußischen Landtag auf. Das Gebäude des Abgeordnetenhauses wurde 1935 durch Ernst Sagebiel (1892-1970) zum "Haus der Flieger" umgebaut und ebenso wie das ehemalige Herrenhaus Herrenhaus(nunmehr "Preußenhaus") dem Reichsluftfahrtministerium H. Görings (1893-1946) zugeordnet.

Im  II. Weltkrieg schwer beschädigt, wurde das ehemalige P. teilweise wiederaufgebaut und zunächst Sitz der DDR-Regierung unter Otto Grotewohl (1894-1964). Später diente es dem Landwirtschaftsministerium und der Staatlichen Plankommission der DDR.

Die Wiedervereinigung Berlins eröffnete auch dem historischen Gebäude eine neue Perspektive. Am 25.10.1990 beschloß das neue Gesamtberliner Parlament, künftig das Gebäude des ehemaligen P. zu beziehen. Die über 40jährige auch räumliche Trennung der Berliner Parlamente als Folge des Kalten Krieges ging damit zuende. Seinerzeit hatte sich am 14.1.1949 im Rathaus Schöneberg die Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin konstituiert, aus der 1951 nach der Verabschiedung der Berliner Verfassung vom 1.10.1950 das Abgeordnetenhaus von Berlin hervorgegangen war. Erst mit dem Beschluß des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 23.11.1995 nach der Volksabstimmung der Bevölkerung Berlins vom 22.10.1995 hatte Berlin nun auch wieder eine für das gesamte Stadtgebiet gültige Verfassung erhalten.

Nach Sanierung und Umbau durch die Architektengemeinschaft Rolf Rave & Partner Stankovic und Krüger tagte das Abgeordnetenhaus von Berlin erstmals am 29.4.1993 an historischer Stätte. Das ehemalige Herrenhaus Herrenhaus, das zum Teil von der Akademie der Wissenschaften der DDR genutzt wurde, ist grundsaniert und für den Umzug des Bundesrates von Bonn nach Berlin hergerichtet worden.

Quellen und weiterführende Literatur: Literaturquellen
Schulz/Gräbner 1976/78; Trost 1984-I/228; Kieling 1987/113, 218-219; Reuter/Möschner 1993/83; Spenkuch 1993; Mollenschott/Hüter 1994/47; Dehio 1994/85-86; Verfassung von Berlin 1995; Herdmann/Richter/Steinmetz 1996

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