WINDMÜHLENBERG (MÜHLENBERG)

Während Wassermühlen am MühlendammMühlendamm ("molendam tu Berlin") schon 1298 urkundlich nachgewiesen sind, fehlen Nachrichten über Windmühlen im Umland von Berlin/Cölln bis nach dem Dreißigjährigen Krieg.

Die Bezeichnungen "Windmühlenberg Mühlenberg " und "Mühlenberg" werden heute meist synonym gebraucht. Ursprünglich kennzeichnete der Begriff "Wein- oder Mühlenberge" den gesamten südlichen Rand der Erhebung des Barnim (Geographische
        Bedingungen der StadtwerdungGeographische Bedingungen der Stadtwerdung) zwischen Rosenthaler und Prenzlauer Tor der vor allem zwischen 1734 und 1736 entstandenen AkzisemauerAkzisemauer. Später bezeichnete der Begriff "Windmühlenberg" nur die Anhöhe, auf der seit Mitte des 18. Jh. die Königlichen Windmühlen standen und der später "Prenzlauer Berg" genannt wurde. Laut einer Polizei-Aktennotiz von 1826 ist zweifelsfrei erwiesen, daß "Windmühlenberg" und "Prenzlauer Berg" identische topographische Objekte waren. Dieses Terrain wurde zum Ausgangspunkt der Besiedlung und Bebauung eines Territoriums, das 1920 vierter Groß-Berliner Verwaltungsbezirk "Prenzlauer Tor", seit dem 27.9.1921 "Prenzlauer Berg", wurde. Was damals Kleinstadt-Idylle am nördlichen Rand der Königlichen Residenzstadt war, wurde später Teil der Innenstadt und 1920 sogar mit 358,5 Einwohner pro Hektar der am dichtesten besiedelte Bezirk Groß-BerlinsGroß-Berlins. Jenes von der Metzer Straße, Saarbrücker Straße, Straßburger Straße und Prenzlauer Allee umrahmte Stadtquartier wurde zur Wiege der stadtgeschichtlichen Entwicklung des Bezirks Prenzlauer Berg. Die Geländeerhebung entstand vor etwa 10 000 Jahren beim Abschmelzen der großen Inlandvereisung an der Südgrenze der Grundmoränenplatte des Barnim und mit einem Gefälle von ca. 10 bis 15 Meter zum tiefer gelegenen Berliner Urstromtal. Auf der Anhöhe entstand dank ihrer geographischen Gunst im frühen 18. Jh. einer der bedeutenden vorindustriellen Wirtschaftsstandorte Berlins: ein Zentrum des Mühlengewerbes, der Gastronomie und der Wasserversorgung.

Nachdem in Berlin 1684-1686 die vermutlich erste Windschneidemühle von Benjamin van Raulé Verweis (1634-1707) in der Mühlenstraße errichtet worden war und fünf weitere Windmühlen im Stadtgebiet gefolgt waren, darunter auch auf ehemaligen Wällen der inzwischen militärisch wertlos gewordenen alten Festungsanlage
        (Fortifikation)Festungsanlage (Fortifikation), kam es unter König Friedrich II. Friedich II.(1712-1786, Kg. ab 1740) zur größten Konzentration von Windmühlen auf der Anhöhe vor dem Prenzlauer Tor. 1770 zierte den Berg ein Kranz von acht Windmühlen: vier Bockwindmühlen und vier sog. Holländer; sieben waren Königliche Windmühlen, die dem Kgl. Amt Mühlenhof unterstanden und von sog. Bescheidern verwaltet wurden; eine der Windmühlen war seit 1748 auf private Kosten erbaut und betrieben worden. Zu den Windmühlen führte 1795 zwischen zwei Scheunen ein schmaler mit Feldsteinen bepflasterter "Mühlenweg" hinauf, auf dem heute die Straßburger Straße (Name ab 1874) verläuft.

Später vollzogen sich einschneidende Veränderungen auf dem Windmühlenberg. Noch bevor die Anhöhe 1813 kurzzeitig von Russen besetzt und in den Kampf gegen die französische Besatzung Berlins einbezogen worden war, hatte das Edikt über die Gewerbefreiheit vom 28. Oktober 1810 eine neue Situation geschaffen. Die Mühlen auf dem Windmühlenberg unterlagen zunehmend der Konkurrenz von neuen privaten Mühlen. Nach einer Generalüberholung (1821) wurden die Königlichen Mühlen schließlich 1826 verkauft. Infolge der Aufhebung des feudalen Rechts am Boden wurde das alte Hufenland in frei veräußerliches Eigentum umgewandelt. Bisherige landwirtschaftliche Nutzflächen konnten nun in Bauland verwandelt werden. 1847 setzte ein Mühlenbesitzer die erste Dampfmaschine auf dem Berg ein.

Nachdem 1826 Christian Friedrich Bötzow, Sproß der alten Grundbesitzerfamilie, die Mühlen samt Gebäuden und Zubehör erworben hatte, wurden sie zwar noch einige Zeit betrieben und zum Teil weiterverkauft - ihr Verfall war mit Beginn des Industriezeitalters unausweichlich. Ungenutzte alte Windmühlen brannten nacheinander auf dem Berg ab, 1872 die letzten beiden. Aber der Name Windmühlenberg blieb nicht nur erhalten, sondern erfuhr sogar eine Ausweitung: Ende des 19. Jh. bezeichnete man die gesamte Gegend südlich des 1892 eröffneten Ringbahnhofs Prenzlauer Allee als Windmühlenberg und das gesamte Areal der Barnim-Hochfläche bis zur Ringbahn (seit 1930 S-Bahn) als Prenzlauer Berg.

Indes hatten sich parallel zum Niedergang des Mühlengewerbes und Überlebenskampfes der Müller neue Gewerbe auf dem Windmühlenberg etabliert: Gastronomie, Wasserwerk und Brauereigewerbe. 1835 kaufte Theodor Würst (geb. 1807, allgemein "Wurscht" genannt) Gelände und Bescheiderhaus, und es entstand eines der beliebtesten Ausflugslokale Alt-BerlinsAlt-Berlins: "Würst's Bürger-Tabagie" inmitten der noch einige Jahre klappernden Windmühlen, mit einem romantischen Garten, in dem ein kleines Streichorchester spielte, mit Karussel, Schaukel, Kegelbahn und Panoramablick auf die Stadt.

Neben der Mühlen- und Gastronomiewirtschaft etablierte sich ein weiteres bedeutendes Wirtschaftsunternehmen auf der Barnim-Anhöhe: eine Wasserwerksanlage. Am 1.7.1856 wurden durch die englische Wasserwerksgesellschaft "Berlin-Waterworks-Company" Anlagen in Betrieb genommen, die zum ältesten Berliner Wasserwerk vor dem Stralauer Tor gehörten. Mittels Dampfkraft wurde Wasser aus der Spree geschöpft, gereinigt und in ein Rohrleitungsnetz der niedrigen Stadtteile im Spreetal, allerdings nur bis zur Höhe des zweiten Stockwerks, gedrückt. Auf dem W. war ein großer offener Vorrats- und Hochbehälter mit einem Fassungsvermögen von etwa 3 000 m³ für die Zeiten des Stillstands der Pumpmaschinen am Stralauer Tor errichtet worden. Zugleich hatte man auf dem Windmühlenberg einen weithin sichtbaren Standrohrturm zur Sicherheit gegen Überdruck im Rohrnetz gebaut. Erst am 1.7.1873 gingen die Wasserwerke in das Eigentum der Stadt Berlin über. Zur Behebung der schwierigen Wasserversorgung in den neuen höher gelegenen Gebieten des "Prenzlauer Berges" ("Hochstadt") entstand 1875-1877 neben der alten Anlage ein neuer 6geschossiger "dicker Wasserturm" aus gelben Klinkern mit neuem Hochwasserbehälter und Maschinenhäusern. Er wurde 1888 erweitert, die alten Anlagen von 1856 aber erst endgültig 1914 stillgelegt. Der neue gotisierend gestaltete Wasserturm war noch bis 1952 in Dienst; die im Turm eingebauten Wohnungen wurden weiter genutzt; zur Zeit wird die Anlage denkmalpflegerisch saniert.

Schließlich hatte auch das Brauereiwesen vom "Prenzlauer Berg" Besitz ergriffen. Die inzwischen florierende Gastronomie auf der Anhöhe nutzend, gründete hier Julius Albert Bötzow (1811-1873), Enkel Christian Bötzows, 1864 eine Flaschen-Lagerstätte (Kellerei) seiner Brauerei in der Alten Schönhauser Straße. Damit wandelte sich der einstige Windmühlenberg zum "Bötzow-Berg Bötzowberg ". Noch im Jahre 1864 errichtete Bötzow einen eigenen Brauereiausschank auf dem mit Bäumen bepflanzten Abhang des Berges, und seine Erben erweiterten 1884 den Ausschank zu einem riesigen Gartenlokal, das bei "prächtigen Militärkonzerten und schöner Aussicht von der luftigen Höhe" bis zu 6 000 Gästen Platz geboten haben soll. Schließlich wurde die gesamte Brauerei an den "Fuß" des "Bötzow-Berges" in die Prenzlauer Allee verlegt, wo 1885 die neuen Brauereigebäude in Betrieb genommen wurden.

OSKAR SCHWEBEL (1845-1891), 1888: VORSTADTIDYLLE

"Wandern wir nun weiter nach Osten, so erblicken wir den Weinberg vor dem Rosenthaler Thore, ehemals ein gräflich Sparrsches Eigentum, dann die ,Mollardsche Meierei’; - überschreiten wir aber vor dem Schönhauser Thore die prächtige Linden-Allee, welche nach Pankow und nach dem Nachbardorfe mit dem lieblichen Namen Schönhausen hinausführt, so bleibt uns rechts, am Schönhauser Thore, noch eine andere, große königliche Meierei liegen. [gestr. in der 3. Aufl.: Eine hohe Mauer umgiebt dieselbe; Amoretten halten auf ihren Pfeilern die Wacht.] Zwischen dem Schönhauser- und dem Prenzlauer Thore aber steigt in ziemlicher Steilheit der 'Windmühlenberg' auf; sodann bildet am 'Neuen Königsthore', wie jetzt das alte 'Bernauer Thor' schon fast allgemein genannt wird, die Stadtbefestigung eine fast bastionförmige Ausbiegung, welche den neuen Schützenplatz, sowie verschiedene Weinberge und Gärten umfaßt. [gestr. in der 3. Aufl.: Außerhalb der Palissaden haben wir im Norden der Stadt nun eigentlich nichts mehr zu sehen als die Voigtsche Maulbeerplantage 'nebst einem großen Obst- und Küchengarten, sowie einer Auftrift für fremde, - namentlich für moldauische Schweine' dicht am Landsberger Thore.]"

Quelle: Oskar Schwebel: Geschichte der Stadt Berlin, zweiter Teil, Berlin 1888, S. 330

Quellen und weiterführende Literatur: Literaturquellen
Schwebel 1888-II/330; Behrendt/Malbranc 1928/22-26; Rieseberg 1983/52-59; Herzberg/Rieseberg 1986/152-213; Berlin Handbuch 1993/1376; Grubitzsch 1995/49-61

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