STRASSENDURCHBRÜCHE 1925 veröffentlichte Erich Giese (* 1876 in Küstrin) die Studie "Straßendurchbrüche als Mittel für die Lösung des Berliner Verkehrsproblems". Giese, der seit 1911 Ordentlicher Professor an der TH Braunschweig und von 1920 bis 1945 Honorarprofessor für Großstädtisches Verkehrs- und Eisenbahnwesen an der TH Berlin sowie Mitglied der Akademie des Bauwesens und der Deutschen Akademie für Städtebau, Reichs- und Landesplanung war, zeigte in seiner Studie Lösungen der in den 20er Jahren rasch gewachsenen Verkehrsprobleme Groß-Berlins (Groß-Berlin-Gesetz [1920]) auf, insbesondere des Straßenbahn- und Autoverkehrs. Bereits 1919 hatte der engagierte Fürsprecher der Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin mit seiner Arbeit "Verband Groß Berlin: Das zukünftige Schnellbahnnetz für Groß Berlin" auf die Zuspitzung der Berliner Verkehrsprobleme aufmerksam gemacht. Insgesamt hatte sich in den Jahren von 1913 bis 1924 die Zahl der Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin von 107,5 auf 128,8 Mill. Personen erhöht; die Zahl der Kraftfahrzeuge im gleichen Zeitraum sogar vervierfacht: von ca. 10 000 auf 35 000, davon 14 000 Personenkraftwagen. Bis Januar 1933 erhöhte sich der Kfz.-Bestand sogar auf 92 569, davon der Pkw-Bestand auf 41 832. Die Zahl der Brücken betrug Ende 1932 707 (plus 389 Eisenbahnbrücken); 1920 waren es zusammen 911 gewesen. In der Leipziger Straße wurde 1926 die erste zentralgesteuerte "Grüne Welle" installiert. Aus einer Analyse der Belastung der Straßenzüge Berlins leitete Giese die Notwendigkeit einer "höheren Leistungsfähigkeit der Straße" ab. Die bisher dazu eingeleiteten Maßnahmen reichten nicht aus. Giese forderte den Ausbau des S-Bahn-Netzes ( u.a. Verlängerung der Nord-Süd-U-Bahn nach Tempelhof, Bau der Linie durch die Frankfurter Allee und den Kurfürstendamm), die Anlage von Tunneln für die Straßenbahnen im Zuge der stark belasteten Hauptverkehrswege der Innenstadt, die Einführung zweistöckiger Straßenbahnwagen, besondere Verkehrsregelungen in den Straßen und vor allem die Beseitigung der Mängel des Bebauungsplanes durch Öffnung neuer Verkehrswege mittels Straßendurchbrüchen. "Die Anlage der Straßen muß so sein, daß Verkehrsanhäufungen an verhältnismäßig wenigen Punkten vermieden werden und daß der Verkehr eine gute Abwicklung und Verteilung erfährt. Die Verkehrsknotenpunkte müssen daher durch die Öffnung anderer Verkehrsstraßen eine angemessene Auflösung erfahren. An die Stelle der Zentralisation muß die Dezentralisation des Verkehrs treten. Hierzu sind Straßendurchbrüche ein unerläßliches Erfordernis. Sie sind das naheliegendste und zugleich das wirksamste Mittel zur Behebung der Verkehrsschwierigkeiten auf der Straße." (GIESE, E. 1925/44-45) Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jh. waren infolge des zunehmenden Verkehrs Straßendurchbrüche erfolgt (zum Beispiel die Voßstraße vom Wilhelmsplatz zur Königgrätzer Straße, heute Stresemann-Straße, zur Entlastung des Verkehrs nach dem Potsdamer Platz; die Hedemannstraße zur Entlastung der unteren Friedrichstadt durch die Königgrätzer Straße zum Halleschen Tor; die Linden-Passage, angelegt 1869-1873, die den Fußgängerverkehr von der Straße Unter den Linden zur Friedrichstraße vermitteln sollte). Erich Giese ging ein halbes Jahrhundert später diesen Weg weiter. Zur Entlastung der Potsdamer und Leipziger Straße schlug Giese Straßendurchbrüche im Bereich nördlich der Leipziger Straße vor: der Behrenstraße, Jägerstraße, Taubenstraße, Mohrenstraße-Voßstraße und Kronenstraße. Einer der Durchbrüche sollte die Französische Straße mit der Budapester Straße (heute Ebertstraße) verbinden, wobei das Gebäude des Preußischen Justizministeriums und ein Gebäude der Deutschen Bank (Mauerstraße 37) zu durchbrechen gewesen wären. Dieses
Vorhaben sollte im Zusammenhang mit einem umfassenden Ausbau der Tiergartenstraße,
der Hitzigstraße und des Kurfürstendamms
stehen, um einen geradlinigen Straßenzug in Ost-West-Richtung zu
schaffen, der auch für den Straßenbahnverkehr genutzt werden
sollte. Ein weiterer Entwurf betraf einen Straßendurchbruch zwischen
dem Askanischen Platz und der Kochstraße, um einen durchgehenden
Straßenzug Kurfürstenstraße-Schöneberger Straße
mit einem Tunnel unter den Gleisanlagen des Potsdamer Bahnhofs in Anbindung
zur Anhalter- und Kochstraße zu schaffen. Quellen
und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |