Berliner Mauer Als B. wird umgangsprachlich die Gesamtheit der 155 km langen Sperranlagen (davon 107,3 km Betonplatten) um West-Berlin bezeichnet, die die DDR am 13.8.1961 und danach errichtet hatte und die insgesamt 28 Jahre, zwei Monate und 27 Tage in Funktion waren. Die B. trennte West-Berlin auf 43,1 km Länge von Ost-Berlin und auf 111,9 km Länge vom DDR-Umland. Sie war zugleich die vierte der "Mauern", die in der Geschichte Berlins eine höchst unterschiedliche Rolle gespielt hat (Mittelalterliche Stadtmauer, Festungsanlage [Fortifikation], Akzisemauer). Mit der Abriegelung der Sektorgrenzen zwischen Ost- und Westberlin war am 13.8.1961 kurz nach Mitternacht durch Einheiten der Volkspolizei, Nationalen Volksarmee und DDR-Betriebskampfgruppen, gestützt auf voran gegangene Beschlüsse der Warschauer Vertragsstaaten (11.8.) sowie der SED- und DDR-Staatsführung (12.8.) begonnen worden. 69 von 81 Übergangsstellen wurden geschlossen, am 23.8.1961 waren nur noch 7 geöffnet. Noch im ersten Jahr folgten Einrichtungen zur Fluchtverhinderung wie Stolperdrähte, Stacheldrahtverhaue, elektrisch geladene Zäune, Laufgräben, Hoch- und Unterstände, Bunker und Schützenstellungen; Wachtürme wurden aufgerichtet, Sichtblenden aufgestellt, Unterwassersperren versenkt, Schneisen geschlagen und Panzersperren aus zusammengeschweißten Stahlträgern einbetoniert. Bereits am 15.8. begann die DDR, an einigen Stellen Betonplatten zu einer Mauer aufzuschichten und zunehmend durch gemauerte Abschnitte zu ergänzen. Fenster und Türen, die (wie in der Bernauer Straße an der Sektorengrenze Mitte/Wedding und in der Bouchéstraße an der Sektorengrenze Neukölln/Treptow) direkt auf die Sektorengrenze stießen, wurden vermauert, ab 20.9.1961 entsprechende Wohnungen zwangsgeräumt. Bei Fluchtversuchen verunglückten bereits 1961 4 Personen durch Sprünge aus Fenstern, die ersten beiden Toten wurden in der Bernauer Straße 1 und 48 im damaligen Bezirk Wedding beklagt, als der 47jährige Rolf (Rudolf) Urban am 19.8. und Ida Siekmanm (*1902) am 22.8. bei Fenstersprüngen tödliche Verletzungen erlitten. "Die Mauer" zerschnitt zahlreiche Lebensadern der Stadt. Der Durchgangsverkehr auf 192 Haupt- und Nebenstraßen, von denen 97 nach Ost-Berlin und 95 in die DDR führten, ferner 4 Linien der U-Bahn, 8 Linien der S-Bahn und der Fahrgastschifffahrt zwischen beiden Stadthälften wurden eingestellt, der Bahnhof Friedrichstraße zum Sektorenübergang umgestaltet. Mitte 1964 hatte "die Mauer" bereits eine Gesamtlänge von 15 km. Ab 1965 wurden die Sperranlagen durch mehrere Hindernisse verstärkt und verschärft. Schrittweise wurden die bisherigen Anlagen zu einem tief gestaffelten "ponier- und signaltechnisch ausgerüsteten Absperr- und Kontrollsystem" ausgebaut, dessen Kern etwa 3,5 m hohe Betonplatten waren, die mit einem Asbestrohr von 40 cm Durchmesser abschlossen. Damit erreichte die Mauer eine Gesamthöhe von knapp 4 m. Zu dem System gehörten auch Panzersperren, mehrere Metallgitter- und Grenzsignalzäune, Kontrollstreifen, Hundelaufanlagen und anderes. Zuletzt waren die Sperranlagen meist über 100 m breit. "Die Mauer" bestand aus insgesamt 45.000 "Mauerelementen", 834 je km, 29.000 standen in Berlin und 16.000 an verschiedenen Stellen des Außenrings. Eines jener Segmente kostete in der Herstellung 359 Mark der DDR, zusammen waren das Kosten in Höhe von 16,2 Mill. M. 37 km Mauer verliefen überwiegend durch Wohngebiet, 17 km durch Industriegebiet, etwa 30 km durch Waldgebiet, 24 km durch Gewässer, 54 km auf Bahndämmen, durch Felder, Sumpfgebiet u.ä. Der Mauerbau wurde in Ost und West äußerst konträr beurteilt. Während ihn die DDR und UdSSR als Akt der Souveränität verstanden und mit Argumenten des Schutzes der Staatsgrenze und der Friedenssicherung zu rechtfertigen versuchten ("Es ist an den West-Berliner Grenzen eine verläßliche Bewachung und eine wirksame Kontrolle zu gewährleisten, um der Wühltätigkeit den Weg zu verlegen", DDR-Ministerrat am 12.8.1961), wurde dieser Schritt im Westen und von großen Teilen der Bevölkerung im Osten als Akt der Unmenschlichkeit verurteilt. US-Vizepäsident Lyndon B. Johnson (1908-1973, 1963-1969 36. Präsident der USA) erklärte am 19.8.1961 vor dem Berliner Abgeordnetenhaus: "Eine Schranke von Stacheldraht wurde quer durch Eure Stadt gezogen. Sie hat für Euch und , was noch wichtiger ist, für Eure Brüder im Osten lebenswichtige, menschliche Bande zerrissen, Bande, die das Leben von Familien und Freunden in dem langen Leben dieser ... Stadt miteinander verknüpfen." Heute ist unbestritten, dass der Mauerbau ein Bestandteil des Kalten Krieges, insbesondere der seit 1958 andauernden sog. Berlin-Krise war und sich vor allen aus den inneren politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der DDR ergab. Der Mauerbau war das in Beton gegossene Eingeständnis der Unfähigkeit von SED und DDR, die verbreitete Unzufriedenheit der Bevölkerung, die sich in einem breiten Flüchtlingsstrom manifestierte, zu beheben. Flüchtlingsstrom aus der DDR 1949-1962
Quelle: Chronik Berlin, 3.,aktualisierte Auflage, Berlin 1997, S. 506 Zwischen 1949 und 1962 hatten 2.689.922 Menschen die DDR verlassen und waren in den Westen geflohen. Nimmt man die gesamte Abwanderung aus "Mitteldeutschland" seit 1945, so wird die Zahl auf 3,6 Mill. geschätzt (Krumholz, W. 1965/172). Bereits im Januar 1953 existierten in West-Berlin 74 Flüchtlingslager. Rund die Hälfte sämtlicher Flüchtlinge war unter 25 Jahre alt. Allein zwischen 5.-11.8.1961 flohen 12.448, am am 11. und 12.8 nochmals 2.622 Menschen. Insofern gilt der Bau der Mauer als Anfang vom Ende der DDR. "Der 13. August 1961 markierte für Jahrzehnte den Beginn einer neuen Zeitrechnung in unserem Land: Vor der Mauer und nach der Mauer. Ihr Bau war der Höhepunkt des Kalten Krieges - und zugleich dessen Wendepunkt. Es war das Ereignis, das den Niedergang des sowjetischen Imperiums ebenso einleitete wie die deutsche Einheit." (Egon Bahr: Der Anfang vom Ende. In: Vor 40 Jahren - Der Bau der Berliner Mauer. Neues Deutschland, Beilage v. 11.8.2001) Bereits vom 13.8.1961-10.8.1964 kamen offiziellen Verlautbarungen zufolge 52 Personen an der Berliner Grenze/Mauer bei dem Versuch ums Leben, sich oder andere durch Flucht in den Westen zu retten. Bis 1989 erhöht sich die Zahl auf insgesamt 255, davon 16 vor dem 13.8.1961 und 239 danach. Das erste, durch DDR-Schußwaffen ums Leben gekommene Opfer war Günter Litfin (*1937), der am 24.8.1961 versucht hatte, schwimmend durch den Humboldthafen zu fliehen, die beiden letzten Todesopfer an der Berliner Mauer waren der Junge Chris Gueffroy (*1968), der in der Nacht zum 6.2.1989 bei einem Fluchtversuch in Berlin-Treptow erschossen wurde und der 32-jährige Winfried Freudenberg, der am 8.3.1989 mit einem selbstgebastelten Ballon abstürzte. Internationales Aufsehen erregte vor allem der Mord an dem jungen Peter Fechter (*1944), der am 17.8.1962 bei einem Fluchtversuch in der Zimmerstraße (Kreuzberg), als er, bereits auf der Mauer stehend, angeschossen wurde und verblutete, weil er erst nach 50 Minuten abtransportiert worden war.
An den Grenzen der DDR kamen insgesamt 916 Menschen ums Leben, vor dem 13.8.1961 160, danach 756. An der Grenze zur BRD verloren bei Fluchtversuchen 371 Menschen ihr Leben, über die Ostsee 189, über die Grenzen von Polen, Bulgarien und Ungarn 44. Unter den Menschen, die an den Grenzen starben, waren auch 27 Militärangehörige der DDR und 6 Fahnenflüchtige der Sowjetarmee. (Daten nach Winfriede Otto 2001/2) Der internationale Entspannungprozess seit Anfang der 70er Jahre (Helsinki-Prozess, Vier-Mächte-Abkommen mit den deutsch-deutschen Folgevereinbarungen) brachte zwar eine Reihe von Erleichterungen im Leben der geteilten Stadt, die Mauer jedoch blieb als unmenschliches Symbol des Kalten Krieges bis 1989 bestehen - und an den Grenzen wurde weiter geschossen. Dabei nahm die DDR eine Missachtung der KSZE-Schlussakte von Helsinki in Kauf: Nach deren Unterzeichnung (1.8.1975) wurden noch 2905 Personen beim Versuch der Grenzdurchbrechung verhaftet, sogar in 148 Fällen von der Schusswaffe Gebrauch gemacht und 17 Menschen tödlich verletzt. Weltweit geriet die DDR zunehmend an den Pranger - bis es am Abend des 9.11.1989 infolge des Drucks der Bevölkerung der DDR, jedoch unter dubiosen Umständen, zur überraschenden Öffnung der Berliner Mauer und innerdeutschen Grenze kam. Es folgte am 22.1.1989 die Öffnung des Brandenbuger Tores, und am 28.4.1990 begann schließlich der Abriss der Panzermauer am Brandenburger Tor, einige Wochen später an der Bernauer Straße, der Ende November 1990 mit der Beseitigung eines letzten Teilstücks an der Provinzstraße in Pankow und bis Ende 1991 mit dem Abriss der Grenzanlagen zum Umland im wesentlichen abgeschlossen wurde. Eine GmbH zu Verwertung der Mauer wurde gegründet, Mauerreste durch "Mauerspechte" massenhaft zerkleinert und für verschiedene Zwecke genutzt, ein Teil auch verkauft, wobei der Erlös gemeinnützigen Zwecken zugute kam. Mauerandenken finden sich heute auf allen 5 Kontinenten; auch Ronald W. Reagan (*1911, 1981-1989 40. Präsident der USA) erhielt in Kalifornien ein Exemplar. An die Berliner Mauer erinnern heute, außer Gedenkstätten für die Opfer, kleine erhaltene Teilstücke und andere Relikte sowie die seit September 1990 gestaltete East-Side-Gallery an der Mühlenstraße im Bezirksteil Friedrichshain - zur Erinnerung und Mahnung wider das Vergessen. Quellen
und weiterführende Literatur: (c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004 |