STADTERNEUERUNGSPROGRAMM,
ERSTES (1963)
Stadterneuerung
zielt auf eine Sanierung ganzer Stadtteile, die sich dem Stadtganzen wieder
einfügen. Nachdem ab 1960 das Falkenhagener
Feld als erste von mehreren West-Berliner Großsiedlungen
entstanden war und 1959 und 1960 jeweils 23 000 WE in Berlin-West neugebaut
worden waren, kam eine vom Senat in Zusammenarbeit mit den 12 West-Berliner
Stadtbezirken 1961 durchgeführte Untersuchung zu der Feststellung,
daß etwa 470 000 vor dem I. Weltkrieg gebaute Wohnungen in "erneuerungsbedürftigen
Gebieten" liegen. Nach Abzug einiger Zehntausend nicht sanierungsbedürftiger
Wohnungen verblieben rund 430 000 als "verbesserungsfähig oder abbruchreif"
eingeschätzter Wohnungen.
In Konsequenz dieser Situation verkündete der 1957-1966 Regierende
Bürgermeister Willy Brandt (1913-1992) am 18.3.1963 vor dem Abgeordnetenhaus
das Erste St. von Berlin-West. Es sah für einen Zeitraum von 10-15
Jahren die durchgreifende Umgestaltung und Sanierung von geschlossenen
Bereichen mit rund 56 000 erneuerungsbedürftiger Wohnungen für
140 000 Einwohner und 7 600 Arbeitsstätten in den innerstädtischen
Bezirken Kreuzberg, Wedding, Tiergarten, Charlottenburg, Schöneberg
und Neukölln auf 450 ha Gesamtfläche vor. Ferner waren zahlreiche
Einzelsanierungen sowie die Neuordnung des Märkischen
Viertels im Bezirk Reinickendorf (280 ha) vorgesehen. Mit dem Gebiet
Brunnenstraße entstand im Wedding das größte zusammenhängende
Sanierungsgebiet Deutschlands mit etwa 17 000 Wohnungen und 39 000 Einwohnern.
Bis Ende 1970 wurden rund 11 800 erneuerungsbedürftige Wohnungen
frei gemacht und rund 700 Betriebe geräumt oder umgesetzt.
19 300 Wohnungen entstanden neu, 6 800 befanden sich im Bau.
Noch vor Beendigung des Ersten St. beschloß der Senat am 26.11.1974,
weitere 8 Gebiete als ersten Abschnitt eines Zweiten St. in Angriff zu
nehmen.
Im Zusammenhang mit den ersten Programmen zur Stadterneuerung machte sich
wachsende öffentliche Kritik wie folgende an der "Kahlschlagsanierung"
breit: "Hätte nicht eine frühzeitige Orientierung des gesetzlichen
Förderungssystems auf Erhalt statt Abriß, auf Verwertung alter
statt neuer - oder alter ebenso wie neuer - Gebäude auch andere wirtschaftliche
Verhaltensweisen und andere bautechnische Ausstattungen ergeben?" (ENDLICH,
ST. 1987/209). Erst ein Jahrzehnt später setzte im Zusammenhang mit
dem Thema "Behutsame Stadterneuerung", ausgelöst durch das Planungsteam
der Internationalen Bauausstellung 1984/87 (IBA), ein Prozeß des
Umdenkens im Bereich der Stadtsanierung ein.
GUSTAV
HEINEMANN (1899-1976), 1974: SPIEGELBILD ARCHITEKTUR
"Zu allen Zeiten
war es so, daß die Architektur ein Spiegelbild der Gesellschaftsordnung
darstellte."
Quelle:
Zitiert nach: Katalog zur Ausstellung "Profitopolis": Von der Profitopolis
zur Stadt der Menschen, München 1979, S. I/2
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Quellen und weiterführende Literatur:
Baubilanz 1971/24-25; Struve/Fanselau 1974/3-10, 81-91, 127-149, 159-167;
Endlich 1987/209-214; Hofmeister 1990/220-229; Stadterneuerung 1990/8-9,
26-44; Berlin Handbuch 1993/1139-1140; Kühne 1993/227, 229; Peters
1995/232-233; Stadt der Architektur 2000/295-327
(c) Edition Luisenstadt (Internet-Fassung),
2004
Stadtentwicklung
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