HANSAVIERTEL
Das
ursprüngliche H. entstand nach der Reichsgründung am nordwestlichen
Rand des Tiergartens "hinter" dem Schloß Bellevue
im sog. großen
Spreebogen. Nachdem die Berlin-Hamburger Immobilien-Gesellschaft das morastige
Gelände der ehemaligen Schöneberger Wiesen aufgekauft hatte,
entstanden hier von 1877-1879 auf einem riesigen Bauplatz und Baugrund,
der mit großen Mengen Sandes aus den Gatower Sandbergen befestigt
werden mußte, Mietshäuser für Besserverdienende. Um 1900
wohnten etwa 15 000 Menschen im dichtbesiedelten H. Von 1878-1882 wurde
die Berliner Stadtbahn (S-Bahn)
gebaut, deren Trasse zwischen den Bahnhöfen Bellevue und Tiergarten
das H. durchquerte. Das alte H. mit seinen 345 Häusern wurde im II.
Weltkrieg, insbesondere in der Bombennacht vom 23./24.11.1943, fast vollständig
zerstört.
Zu den bedeutendsten städtebaulichen Neugestaltungen nach dem II. Weltkrieg in Berlin gehört der Neuaufbau des Hansaviertels. Er erfolgte
auf der Grundlage des internationalen Wettbewerbs "Hauptstadt Berlin"
von 1957/58, der schon seit Ende der 40er Jahre geplant war. Die städtebauliche
Neugestaltung der Berliner City
nach modernsten Gesichtspunkten wurde zum Kernstück der "Internationalen
Bauausstellung Berlin 1957" (Interbau) zum Thema "Stadt der Zukunft".
54 Architekten aus 13 Ländern, darunter Walter Gropius (1883-1969),
Le Corbusier (1887-1965) und Oscar Niemeyer (* 1907) erbauten in lockerer
Bauweise, die von 16- bis 17geschossigen Punkthäusern bis zu Einfamilienhäusern
mit Gartenhof reicht, das neue H.
Die Neuanlage des H. mit seinen frei im zugeordneten Grüngebiet stehenden
2- bis 8geschossigen Wohnzeilen sowie 16- bis 17geschossigen Punkthäusern,
zumeist als Stahlbetonbauten erstellt und bei denen es keinen Unterschied
zwischen Vorder- und Hinterfassaden gibt, war "als Demonstrationsvorhaben
und Vorbild gedacht" (PETERS, G. 1995/203), und zwar in Entgegensetzung
zur Stalinallee
in Berlin-Ost . Der Vielzahl der beteiligten Architekten entspricht die
Vielfalt der Wohntypen vom Einfamilienhaus mit Gartenhof über den
Zeilenbau bis zum Scheiben- und Punkthochhaus. Das H. gilt als vorbildliche
Lösung für den Berliner Städtebau, "die leider bis heute
keine Nachfolge gefunden hat". (REUTHER, H. 1985) Die Grundsteinlegung
erfolgte am 5.8.1955. Von 1955-1958 wurden im südlichen Hansaviertel
ca. 1 230 Wohnungen mit entsprechenden Folgeeinrichtungen (Ladenstraße,
Kino, Schule, Kindertagesstätte, zwei Kirchen) errichtet. Bereits
während der Interbau waren von den 50 Objekten 20 bezogen worden.
Als US-amerikanischer Beitrag zur "Interbau" entstand nach Entwürfen
von Hugh A. Stubbins (* 1912) unter Mitarbeit von Werner Düttmann
(1921-1983) die im September 1957 eingeweihte Kongreßhalle (heute
Haus der Kulturen der Welt ), deren 18 m hohes, kühn gewölbtes
Dach 1980 infolge Materialfehler teilweise eingestürzt war und 1987
wiederhergestellt wurde. Das nördlich der S-Bahn-Linie bis zur Spree
liegende Gebiet des H. wurde im Anschluß an die Interbau von verschiedenen
gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften unter Einbeziehung der erhaltenen
Altbauten errichtet.
Quellen und weiterführende Literatur:
Rave u.a. 1960/41; Berlin und seine Bauten 1964/63-73; Krumholz 1969/296,
327; Reuther 1985/190; Endlich 1987/206-207; Kleines Berlin-Lexikon 1989/82;
Hofmeister 1990/211-218; Baudisch/Cullen 1991/55-56, 99, 118-121; Baedeker
1992/164-166; Berlin Handbuch 1993/533-534; Hein 1993; Kühne 1993/223;
Berliner Wohnquartiere 1994/179-184; Dehio 1994/483-484; Peters 1995/200-203;
Bauen in Berlin 2000/232 u. 256; Architektur in Berlin und Brandenburg
1997/195-197
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2004
Stadtentwicklung
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