Kleingartenkolonien

Charlottenburg,
Wilmersdorf,
meist auf Pachtland gelegene Kleingartenanlagen mit Gärten von etwa 100 bis 500 m² Größe.

Die Kleingartenbewegung hat viele Wurzeln. Die Berliner Kleingartenkolonien entstanden aus der Wohnungsnot heraus als Behelfsunterkünfte, besonders zwischen 1880 und der Jahrhundertwende. Gartenbewirtschaftung stand hier auch aufgrund der unzureichenden Bodenqualität an zweiter Stelle. Baugesellschaften nutzten ihr auf Wertsteigerung (Bodenspekulation) angelegtes Land gewinnbringend, indem sie zwischenzeitlich Kleingartenanlagen einrichteten und verpachteten. Auf dem Territorium des heutigen Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf sind zwischen 1885 und 1999 mehr als 85 Kleingartenkolonien entstanden. Als älteste Kolonie erscheint die Kleingartenanlage des Charlottenburger Vereins für Naturgemäße Gesundheitspflege e. V. (1885). Zu einer ersten Gründungswelle kam es aber erst zwischen 1900 und 1914. In diesem Zeitraum entstanden die Kolonien Alt Rheingau (1911), Bismarckruh (1906), Birkenwäldchen (1911), Braunsfelde (1904), Habsburger Ufer (1906), Oeynhausen (1904), Pretoria (1902), Sonntagsfrieden (1904), Westend (1905) und Wiesengrund (1906) u. a. Die Kolonien Jungfernheide (1904), Königsdamm (1908), Neuer Fürstenbrunner Weg (1901) und Weidenbaum (1906) waren als Arbeitergärten des Roten Kreuzes entstanden und gehen auf einen philanthropisch motivierten Vertreter des Reichsversicherungsamtes, den Geheimrat Alwin Bielefeldt, zurück. In Kriegs- und Krisenzeiten erlangten die Kleingartenanlagen für die Lebensmittelversorgung eine große Bedeutung. In einer zweiten Gründungswelle von Kleingartenanlagen während des Ersten Weltkrieges und kurze Zeit danach spiegelt sich das Bedürfnis wider, mit Hilfe einer intensiven Kleingartenbewirtschaftung zusätzliche Nahrungsmittel zu gewinnen und die aus den Kriegsfolgen resultierende soziale Not zu lindern. Hinzu kommt die Tatsache, dass das von der Regierung Weimarer Republik erlassene erste deutsche Kleingartengesetz von 1919 Rechtssicherheit (Kündigungsschutz) und die Beseitigung des gewerbsmäßigen Generalpachtsystems brachte. In dem Zeitabschnitt während des Ersten Weltkrieges und kurz danach entstehen die Kolonien Am Fenn (1916), Am Stadtpark (1919), Durlach (1915), Friedrichshall (1919), Hundekehle (1915), Olympia (1919), Pascalstraße (1918), Roßtrappe (1921), Schleusenland (1915), Spreeblick (1919), Trendelenburg (1917), Wiesbaden (1920) und Württemberg (1921). Der Suche nach Obdach und Nahrung galten auch die Gründungen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges und kurz danach. In diesem Zeitrahmen entstanden die Kolonien Am Heckerdamm (1944/1945), Bleibtreu II (1945), Buchenweg (1947), Bundesallee (1946), Dahmshof (1945), Degenhof (1945), Frischer Wind (1945), Gemütlichkeit (1945), Golfplatz (1945), Gute Hoffnung (1945), Heideschlösschen (1945), Hinckeldey (1946), Loewe (1944), Pferdemarkt (1945), Stichkanal (1945), Waldschulallee (1946), Waldschule (1945) und Zukunft (1945). Als Namen für die im 20. Jahrhundert entstandenen Kolonien wurden oftmals einfach Bezeichnungen der Lage gewählt. Eine ganze Reihe von Charlottenburger und Wilmersdorfer Kolonien trägt die Namen von Straßen, in deren Nähe sie angelegt worden sind, wie z. B. die Kolonien Durlach (Durlacher Straße), Johannisberg (Johannisberger Straße), Königsdamm, Oeynhausen (Oeynhauser Straße), Neuer Fürstenbrunner Weg, Saatwinkler Damm, Bundesallee, Hohenzollerndamm, Württemberg (Württembergische Straße), Wiesbaden (Wiesbadener Straße) usw. Einige Namen der Kolonien beziehen sich auf alte Flurnamen wie z. B. Hundekehle ( Kontext zu: HundekehleseeHundekehlesee), Am Fenn (Fennsee), Jungfernheide ( Kontext zu: Volkspark JungfernheideVolkspark Jungfernheide), Spreegrund, Spreewiesen usw. Auch andere Örtlichkeiten konnten den Ausschlag für die Namensgebung geben, wie z. B. Am Stadtpark I ( Kontext zu: Volkspark WilmersdorfVolkspark Wilmersdorf), Stichkanal (Westhafen-Kanal), Wasserturm ( Kontext zu: Wassertuerme am Spandauer DammWassertürme am Spandauer Damm 165-167). Mehrere Namen beziehen sich auf den Freizeitcharakter des Kleingartenwesens, so z. B. Abendruh, Gemütlichkeit, Sonnenheim, Sonntagsfrieden, Wochenend, Blumenpflege usw. Heute haben sich Kleingärten vor allem zu liebevoll gehegten Freizeitrefugien für Gartenfreunde und Tüftler entwickelt und dienen als Wochenendquartier mit Vereinsleben. Die Mehrzahl der Charlottenburger und Wilmersdorfer Kleingartenkolonien ist in dem Bezirksverband Charlottenburg der Kleingärtner e. V. und dem Bezirksverband der Kleingärtner Berlin Wilmersdorf e. V. zusammengeschlossen. Seit dem 1984 vorgelegten Flächennutzungsplan wird im Bezirk ein verstärkter Kampf gegen die zunehmende Verdrängung der Kleingärtner geführt.

Quellen und weiterführende Literatur:
Literatur[ Kleingartenwesen, Schrebergärten ]

 

© Edition Luisenstadt, 2005    Stand: 3. Jan. 2005
Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf
www.berlingeschichte.de/Lexikon