ZWECKVERBAND
GROSS-BERLIN (1911/12)
Bevor
das Groß-Berlin-Gesetz
am 1.10.1920 in Kraft trat, wurde per Gesetz vom 19.7.1911, das zum 1.4.1912
wirksam wurde, der Z. gebildet. Dies geschah unmittelbar im Anschluß
an den im Jahre 1910 abgeschlossenen Wettbewerb Groß-Berlin, der
einen Grundplan der weiteren städtebaulichen Entwicklung Berlins
gefordert hatte. Da zu jener Zeit die Eingemeindung nicht erreichbar war,
wurde der Z. als ein "großer Fortschritt in der Behandlung der Groß-Berliner
technischen Fragen" gewertet. (STUEBBEN, J., in: POSENER, J. 1979/314)
Berlin
hatte in dem halben Jahrhundert nach der Reichsgründung einen großen
Aufschwung seiner Stadtentwicklung erfahren. "Für Berlin ist die
Zeit des Kaisers durch eine rapide Expansion und gleichzeitig durch eine
Konsolidierung gekennzeichnet. Seine Bevölkerung wächst rapide.
Sein Stadtgebiet breitet sich stärker aus als je zuvor..." (POSENER,
J. 1979/11; vgl. Übersicht "Ausgewählte Daten zur Stadtentwicklung
1871 bis 1919"
Ausgewählte Daten zur Stadtentwicklung
1871 bis 1919
|
1871 |
1919 |
Zuwachs |
Stadtgebiet (ha) Einwohner
Wohnungen (WE)
Unterrichtsgebäude usw.
Krankenhäuser u.a. Gebäude
Militärgebäude
Fabrik- und Lagerbauten
Hotels, Gasthöfe o.ä.
Kirchen, Kapellen usw.
Straßen, Plätze usw.
Brücken
Wasserrohrnetz (km)
Kanalisationsnetz (km)
Gasleitungsnetz (km)
Stromversorgungsnetz (km) |
5 920 774 452
166 144
144
46
66
536
116
66
607
96
251
-
403 - |
6 572 1 893 721
604 006
356
297
58
- 6 467
217
143
1 220
108
1 140
966
1 600
7 770 |
652
1 119 269
437 862
212
251
- 8
5 931
101
77
613
12
889
966
1 197
7 770 |
Quelle:
PETERS, G. 1995/148
Die
Stadtgebietsfläche
war um mehr als ein Zehntel gewachsen, und die Einwohnerzahl hatte sich
mehr als verdoppelt. Zugleich waren die Städte und großen Gemeinden
in unmittelbarer Umgebung Berlins gewachsen, und es kam immer mehr zu
einem kostspieligen Neben- und mitunter sogar Gegeneinander in der Verwaltung
und Unterhaltung der zahlreichen städtischen Einrichtungen. So arbeiteten
zum Beispiel im Großraum Berlin 17 Wasser-, 43 Gas- und Elektrizitätswerke
sowie fast 60 Kanalisationsbetriebe. Seit 1908 hatten 14 Gemeinden im
Großraum jede für sich Bebauungspläne aufgestellt. Eine
effektivere Verwaltung und Vereinheitlichung der Städte- und Verkehrsplanung
wurde immer dringlicher. Da jedoch die Nachbargemeinden auf ihrer Eigenständigkeit
beharrten und Konkurrenzdenken vorherrschte, konnte sich die Idee, ein
"Groß-Berlin" als Einheitsgemeinde zu schaffen, zunächst noch
nicht durchsetzen. So kam es lediglich zu einem lockeren Zusammenschluß
Berlins mit mehreren Nachbarstädten und zwei Landkreisen zu einem
Kommunalverband. Damit reichte der Z. weit über das 1920 gebildete
Groß-Berlin hinaus. Ihm gehörten die Stadtkreise Berlin, Charlottenburg,
Wilmersdorf, Lichtenberg und Spandau sowie die Landkreise Teltow und Niederbarnim
an. Paragraph 1 des Gesetzes bezeichnete die Erfüllung folgender
kommunaler Aufgaben als Ziel des Z.:
1. |
Regelung
des Verhältnisses zu öffentlichen, auf Schienen betriebenen
Transportanstalten mit Ausnahme der Staatseisenbahnen; |
2. |
Beteiligung
an der Feststellung der Fluchtlinien- und Bebauungspläne für
das Verbandsgebiet
und Mitwirkung an dem Erlasse von Polizeiverordnungen; |
3. |
Erwerbung
und Erhaltung größerer, von der Bebauung frei zu haltenden
Flächen (Wälder, Parks, Wiesen, Seen, ... usw.). |
Die
Tätigkeit des Z. war in erster Linie auf eine Reform des Groß-Berliner
Bau- und Siedlungswesens gerichtet und blieb demzufolge nur auf wenige
Aufgabenbereiche beschränkt: Bebauungsplanung, Straßen-, Schnell-
und U-Bahnen, Freiflächen und Wälder. Wichtige Einrichtungen
wie etwa das Schulwesen und die Armen- und Krankenfürsorge lagen
nicht in seiner Zuständigkeit. Das Grundproblem, "die verfassungsrechtliche
Zersplitterung eines zusammengehörenden Wirtschafts- und Verkehrskomplexes",
konnte nicht gelöst werden (HAMPE, O. 1992/7). Der Z., der von 1912
bis 1920 bestand, blieb in seiner Wirksamkeit äußerst begrenzt.
Eine räumliche Zusammenfassung Groß-Berlins erfolgte erst mit
dem Groß-Berlin-Gesetz
(1920).
Quellen
und weiterführende Literatur: 
Pries 1953/151-152; Kettig 1962/430-433; Berlin und seine Bauten 1964/33-41;
Posener 1979/313-315; Lange 1984-II/462f; Endlich 1987/199-201; Hofmeister
1990/25-29, 32; Holmsten 1990/308-309; Hampe 1992/7-8, Reuter/Möschner
1993/105; Ribbe/Schmädeke 1994/127-128, Peters 1995/122-124
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Stadtentwicklung
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