Eine Annotation von Wolfgang Buth
Schiller, Doris und Dieter:
Der Bodensee
Literarische Erkundungen rund um das Schwäbische Meer.
Klett-Cotta, Stuttgart 1996, 197 S.
In der beliebten Reihe Literarische Erkundungen (mal heißt es auch Literarische Entdeckungen oder Literarische Spaziergänge oder Literarischer Reisebegleiter; vgl. BLZ, Heft 2/1998, S. 72) von Klett-Cotta liegt nun in 2., überarbeiteter Auflage Der Bodensee vor. Die beiden Autoren, Doris und Dieter Schiller aus Stuttgart, reisen selbst seit vielen Jahren immer wieder aufs neue an den Bodensee, für sie das Schwäbische Meer (die Badener nennen ihn das Badische Meer!), und organisieren und begleiten Gruppenreisen. Sie verraten uns: Eine Reise auf den Spuren der Dichtung führt, auch in einer Landschaft, die man gut zu kennen glaubt, zu ganz neuen Entdeckungen und Begegnungen. (S. 7)
Bevor die Reise - Literarische Erkundungen rund um das Schwäbische Meer - losgeht, unbedingt noch etwas Geographie: Der Bodensee (539 km2) ist Deutschlands größter See, an ihm haben außer Deutschland (Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern) auch die Schweiz und Österreich Anteil. Aber: Bodensee ist nicht Bodensee! Das Gewässer gliedert sich in verschiedene Abschnitte. Hauptteil ist der Obersee, der sich im Westen in zwei Zipfel teilt: in den Überlinger See mit der Insel Mainau im Norden und den durch den 4 km langen und 500 m breiten Rheinlauf mit dem Obersee verbundenen Untersee mit der Insel Reichenau im Süden. Der Rhein mündet bei Rheinegg in den Obersee und verläßt bei Stein den Untersee.
Auf vier Routen rund um den See und einem Exkurs zum Rheinfall von Schaffhausen ist das Buch literarischer Reisebegleiter. Jede Route führt an einen anderen Bereich des Sees und bietet vielfältige literarische Bezüge.
1. Route: Überlinger See. Diese Reise führt uns von Meersburg über Hagenau, Birnau und Überlingen bis zur Ruine Hohenfels und macht uns mit Leben und Werken von Annette von Droste-Hülshoff, Heinrich Hansjakob, Gustav Schwab, Ernst Jünger, Heinrich Seuse, Martin Walser sowie Burkhard von Hohenfels bekannt.
2. Route: Lindau/Obersee. Unsere literarische Fahrt geht von Lindau in zwei Richtungen: einmal ins österreichische Bregenz, zum anderen über Wasserburg, Selmnau bis nach Langenargen. Mit von der Partie sind Horst Wolfram Geisler, August Strindberg, Friedrich Hölderlin, Hugo von Montfort, Wilhelm Raabe, Ulrike Längle, Horst Wolfram Geißler, Martin Walser, Eduard Mörike und wiederum Annette von Droste-Hülshoff, die ganz verzaubert von Langenargen 1842 an Levin schrieb: ... versäume ja Langenargen nicht ... Lieber Himmel, warum habe ich einen so schönen Tag ohne Dich genießen müssen!
3. Route: Konstanz/St. Gallen. Diese Route führt von Konstanz (Heinrich Sense, Johannes Hus) in die Schweiz: nach Münsterlingen (Conrad Ferdinand Meyer) und nach St. Gallen mit seiner berühmten Stiftsbibliothek im ehemaligen Kloster (Notker der Stammler, Joseph Victor von Scheffel).
4. Route: Die letzte Bodensee-Reise beginnt im schweizerischen Gottlieben (Conrad Ferdinand Meyer, Emanuel Bodman, Jochen Kelter) und führt uns über Arenenberg (Napoleonmuseum; Golo Mann) und die Insel Werd bei Stein am Rhein (Walahfried Strabo) wieder auf die deutsche Seite: nach Gaienhofen/Höri (Hermann Hesse, Ludwig Finckh) zur Insel Reichenau (Pirmin, nochmals Strabo und Scheffel). Spätestens in Kattenhorn/Höri schreckt der an die romantischen Schilderungen der Naturschönheiten dieser Bilderbuchlandschaft gewöhnte Leser auf; in diesem Ort schlägt der zeitgenössische Schriftsteller Werner Dürrson (Jahrgang 1932) kritische Töne an, indem er in seinem Gedicht Ins Freie den Ausverkauf dieser herrlichen Landschaft anprangert.
Der abschließende Exkurs: Der Rheinfall von Schaffhausen bringt uns Auszüge aus dem Reisetagebuch von D. H. Lawrence sowie dem Reisebericht Victor Hugos und endet mit Eduard Mörikes Gedicht Am Rheinfall, das mit den Worten beginnt: Halte dein Herz, o Wanderer, fest in gewaltigen Händen! / Mir entstürzte vor Lust zitternd das meinige fast. (S. 193) - Den Rat Mörikes im wahrsten Sinne des Wortes beherzigend, beenden wir wohlbehalten unsere Reise.
Ausgestattet mit einer einfachen Übersichtskarte, einem Quellenverzeichnis und stimmungsvollen Bildern aus alter und neuer Zeit, ist dieses Büchlein allen Bodensee-Reisenden mit literarischen Ambitionen bestens zu empfehlen.