Türkisches Zelt - Gesetzlose Gesellschaft

Charlottenburg,
Otto-Suhr-Allee 50-54.

Ein gutbürgerliches Ausflugslokal, trug seit 1816 diesen Namen. Die Entstehung und Bedeutung des Namens sind umstritten. So soll nach einer Version die damalige Besitzerin Sophie Friederike Pauly, die 1812 das Grundstück für 13 000 Taler gekauft hatte, ein Zimmer im türkischen Stil hergerichtet haben. Dies geschah angeblich, weil der türkische Gesandte mit seinen Beamten häufig die Gastwirtschaft aufsuchte (nach anderen Angaben bezieht sich der Name auf das von  Kontext zu: Friedrich Wilhelm IIIFriedrich Wilhelm III. benutzte türkische Zelt im Charlottenburger Schlosspark). 1818 ließ Frau Pauly das alte Vordergebäude abreissen und einen zweigeschossigen Neubau errichten, der mit zwei Sälen und einem Billardzimmer ausgestattet war. Bedeutung erlangte das Lokal in dieser Zeit auch als Sommerquartier der 1809 gegründeten "Gesetzlosen Gesellschaft". Patriotisch eingestellte Geistes- und Naturwissenschaftler, Dichter, Künstler, Beamte und Offiziere trafen sich 14tägig samstags zur heiteren geselligen Runde. Zu ihnen gehörten namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie z. B. der Theologe Friedrich  Kontext zu: Schleiermacher FriedrichSchleiermacher, der Heeresreformer Hermann von  Kontext zu: Boyen Hermann vonBoyen und der spätere Kultusminister Friedrich Eichhorn (1779-1856). Der Zusammenschluss entsprach dem Bedürfnis von Vertretern des fortschrittlichen Bürgertums nach einer Gelegenheit zu offenem Gedankenaustausch über die gesellschaftlichen Zustände im damaligen Preußen. Anlässlich des 100. Geburtstages von Friedrich von Schiller (1759-1805) wurden 1859 die offiziellen Schillerfeiern der Stadt Charlottenburg in dieser Restauration abgehalten. In einen Ort religiösen Geschehens verwandelte sich das T. durch die 1875 gegründete Jüdische Religionsgemeinschaft Charlottenburg e. V., die in einem hier gemieteten Saal Gottesdienste abhielt. Nach mehreren Besitzerwechseln wurden 1889 alle Gebäude abgerissen und an ihrer Stelle ein Prachtbau errichtet. 1898 erfolgte der Anbau einer Bühne und 1910 der Einbau eines Kinos mit 309 Plätzen. In diesen Jahren diente das Lokal auch als Versammlungsort der Charlottenburger Ortsgruppe der Nationalliberalen Partei. Zwischen 1926 und 1945 erfolgten zahlreiche bauliche Veränderungen. Ein Obersaal bot 514 Gästen Platz, ein Untersaal fasste bis zu 250 Personen. Das Unterhaltungsangebot reichte von Amateurboxkämpfen bis hin zu Theater- und Filmvorführungen. 1941 erfolgte ein Umbau der Festsäle zu Gemeinschaftswohnräumen für die Firma Siemens & Halske. Während des Zweiten Weltkrieges fiel das Bauwerk dem Bombenhagel zum Opfer. 1957/58 wurde das Gelände mit einer Wohnanlage überbaut ( Kontext zu: Wohnanlage Otto Suhr AlleeWohnanlage Otto-Suhr-Allee).

Quellen und weiterführende Literatur:
Literatur[ Charlottenburg ]

 

© Edition Luisenstadt, 2005    Stand: 3. Jan. 2005
Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf
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