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Helmut Koch
Denkmalrücken Unter den Linden

Generalsmonumente erhalten ihren Stammplatz zurück

Gebhard Leberecht von Blücher, Fürst von Wahlstatt (1742–1819), der legendäre »Marschall Vorwärts«, war kaum tot, als König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840, König ab 1797) den Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777–1857) beauftragte, ein Denkmal für den Helden der Befreiungskriege zu schaffen, das Unter den Linden in Berlin aufgestellt werden sollte. Rauchs für damalige Zeit ungewöhnlicher Entwurf, Blücher in voller zeitgenössischer Uniform darzustellen, eingehüllt in einen langen Reitermantel, den Säbel angriffslustig nach vorn gestreckt und einen Fuß auf eine Haubitze gestellt, fand allerhöchsten Beifall beim preußischen König.
     Dieses 3,25 Meter hohe Denkmal auf einem 4,60 Meter hohen Sockel wurde 1855 durch die ebenfalls von Rauch geschaffenen Denkmäler der Generale Yorck von Wartenburg (1759–1830) und Gneisenau (1760–1831) vervollständigt. Die Dreiergruppe stand bis nach dem Zweiten Weltkrieg an der Straße Unter den Linden neben dem

Prinzessinnenpalais, Schinkels Neuer Wache schräg gegenüber, die bis dahin von den Marmordenkmälern der Generale Scharnhorst (1755–1813) und Bülow (1755–1816) flankiert wurde.

Neue Abstellplätze

Den Zweiten Weltkrieg hatten diese Figuren sowie das Reiterstandbild Friedrichs des Großen (1712–1786, König ab 1740) und andere Monumente eingemauert auf den zur Via triumphalis avancierten »Linden« überstanden. Nachdem sie in den fünfziger Jahren abgebaut und auf der Museumsinsel

Blücher: »Uff meenen Ofen kommt mir keener, ick habe ja selber kaum Platz druff.«

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sowie an anderen Orten eingelagert worden waren, wurden Blücher, Yorck und Gneisenau sowie Scharnhorst in den frühen sechziger Jahren an neuen Standorten im Prinzessinnengarten zwischen Deutscher Staatsoper und Prinzessinnenpalais, dem heutigen Opernpalais, aufgestellt. Scharnhorst verschwand in den neunziger Jahren im Restaurierungsatelier und wartet mit seinem Pendant auf die Heimkehr links und rechts der Neuen Wache, während die drei Generale auf ihrem neuen Standplatz – wenigstens von den Linden aus – kaum zu sehen waren. Erwähnt sei, daß es bei der Restaurierung der Denkmäler von Scharnhorst, Yorck und Gneisenau kleine, aber für die DDR-Zeit bezeichnende Veränderungen gegeben hat. Die mit einem Adler geschmückten Widmungstafeln, die König Friedrich Wilhelm III. als Stifter nennen, wurden durch die Namen derer ersetzt, die auf den Sockeln stehen.
     Die unbefriedigende Aufstellung der Generalsfiguren soll sich im Zusammenhang mit der Rekonstruktion historischer Zustände Unter den Linden ändern, die in Höhe der Staatsoper und Neuen Wache ihre ursprüngliche Breite zurückbekommt, wobei der Parkplatz verschwinden soll. An seiner Stelle soll am Bebelplatz eine unterirdische Garage geschaffen werden. Kollisionen mit der Gedenkstätte auf dem Platz zur
Erinnerung an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 gebe es nicht, versicherte Senator Klemann. 1999 jedenfalls werden Blücher, Yorck und Gneisenau wieder nach vorn, an den Straßenrand zurückversetzt. Mit dieser schon lange vom Berliner Denkmalschutz geforderten Maßnahme rücken einzigartige Zeugnisse der Bildhauer und Gießerkunst des frühen 19. Jahrhunderts wieder ins rechte Licht. Für September 1999 ist auch die Aufstellung des mit einem Aufwand von zwei Millionen Mark restaurierten Reiterdenkmals Friedrichs des Großen an seinem alten Standort geplant.

Bülow: »Donnerwetter, sind meine Hosen naß! Sollte ick damit vielleicht heimlich in't Wasser jefallen sind!?«

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Überwältigendes Mißfallen

Christian Daniel Rauch hatte am Modell des Blücherdenkmals, das in der Königlichen Eisengießerei zu Berlin in Bronze gegossen wurde, lange gearbeitet. Als es am 18. Juni 1826 Unter den Linden enthüllt wurde, war der Künstler mit seinem Werk wenig zufrieden: »Der erste Anblick einer beinahe vierjährigen, im Detail mit großer Aufmerksamkeit durchgeführten

Gneisenau: »Meene Handschuhnummer, Frollein? Sehen Se mal zu, ick gloobe, zehn und halb wer ick brauchen!«

Arbeit stand nun mit einem Mal, ohne alles Detail mit einem Blick als ganzes vor mir. Ein überwältigendes Mißfallen, ja ein Schreck war der erste Eindruck von der Schloßbrücke bis zur Wache; zu lang, zu breit war mein erstes Besinnen, die Statue starr und ungelenk!« Erst der vergleichende Anblick seines bereits neben der Neuen Wache stehenden Bülowdenkmals habe ihn zu »aussöhnenden Reflexionen« ermutigt. Nun kam ihm das Blücherdenkmal nicht mehr so überdimensioniert vor. An den gerade in England weilenden Schinkel (1781–1841) schrieb er: »Das Denkmal Blücher's scheint den Leuten zu gefallen; nur fehlt das Portepee, und das Piedestal ist von vorne gesehen ihnen nicht breit genug. – Übrigens füllt es seinen Platz.«
     Rauch, der mit der Übernahme des von Schadow (1764–1850) modellierten Blücherkopfes (für ein Blücherdenkmal in Rostock) eine Anleihe bei seinem Bildhauerkollegen vorgenommen hatte, schuf aussagestarke Reliefs für den Sockel. Verherrlicht werden teils mit antikisierender Symbolik, teils mit zeitgenössischer Kostümierung Leben und Taten des Marschalls sowie Episoden aus den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815. Vorn auf dem Sockel prangt das Blüchersche Wappen, ergänzt durch die Inschrift »Friedrich Wilhelm III. dem Feldmarschall Fürsten Blücher von Wahlstatt im Jahr 1826« und die Jahreszahlen in römischen Ziffern 1813, 1814 und 1815. Seitlich hat sich ein
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Löwe zur Ruhe gelegt. Ein ähnlicher Löwe schmückt auch das von Rauch und Christian Friedrich Tieck (1776–1851) nach Schinkels Entwurf geschaffene Grab des 1813 bei Prag gefallenen Generals Gerhard von Scharnhorst auf dem Invalidenfriedhof.
     Wer das grün patinierte Blücherdenkmal betrachtet, sieht, wie der als antiker Held dargestellte Feldmarschall die Waffen empfängt beziehungsweise nach vollbrachtem Waffengang von Borussia, der Symbolfigur

Scharnhorst: »Horch, da kommt wieder die scheene Musike!«

Preußens, mit dem Siegeslorbeer ausgezeichnet wird. Auf einem schmalen Bilderfries rund um den Sockel erkennt man unter anderem die Rekrutierung und Bewaffnung der Soldaten, den Zug der Landsturmmänner, die Reiterei und Männer bei der Kampfespause im Biwak. Gezeigt wird auch der Einzug preußischer Truppen ins eroberte Paris. Neben Vertretern der Krone und des Militärs hat Rauch berühmte Zeitgenossen porträtiert: Theodor Körner (1791–1813), Wilhelm von Humboldt (1767–1835), Karl Friedrich Schinkel, den Gestalter des »neuen Berlin«, und viele andere. Rauch zeigt sich selbst, wie er gerade dabei ist, die 1806 von Kaiser Napoleon I. (1769–1821) nach Paris verschleppte Quadriga vom Brandenburger Tor wieder in Richtung Berlin zu rollen.

Das völlig Moderne

Kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) zeigte an den Blücherdenkmälern in Berlin und in Rostock großes Interesse und beriet die Bildhauer Schadow und Rauch. Nachdem Rauch Abformungen der Sockelreliefs vom Berliner Blüchermonument nach Weimar gesandt hatte, schrieb Goethe zurück: »Das wohldurchdachte Basrelief hat unseren Patrioten an die zwar gefahrvolle, aber doch glücklich vorübergegangene

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Epoche tröstlich erinnert.« Wer in solchen Darstellungen immer ein altertümliches Kostüm vor sich zu sehen gewohnt war, dem mag das »völlig Moderne« dieser Basreliefs beim ersten Anblick auffallend erscheinen. »Wer jedoch eine Zeit lang hin und hergegangen, wird sich gar bald überzeugen, wie sehr eine solche Darstellung der Denkweise des Volkes gemäß sei, das nicht sowohl fragt, was die Figuren bedeuten, als was und wer sie seien, das sich erfreut, Portraite und National-Physiognomien darauf zu finden, das sich die Geschichte vorerzählt und vorerzählen läßt, das das Symbolische, das dergleichen Kunstwerke immer behalten, doch zuletzt erklärlich und faßlich findet.«
     Die Aufstellung der drei Figuren (1826 Blücher, 1855 Yorck und Gneisenau) fand nicht ungeteilten Beifall. Der liberale Zeitkritiker Karl Varnhagen von Ense (1785–1858) notierte, die Denkmäler stünden zu dicht beieinander und bildeten dennoch keine Gruppe. Der Unterschied im Größenverhältnis mache in diesem Zusammenhang ebenfalls einen »üblen Eindruck«.
     Auch wenn die Heimkehr der drei Generale an ihren Stammplatz entschieden ist, so bleibt noch unklar, ob Rauchs Marmorstandbilder der Generale Scharnhorst und Bülow wieder links und rechts der Neuen Wache aufgestellt werden. Die Erben von Käthe Kollwitz (1867–1945) verwahren sich dagegen und bezeichnen die im Inneren
des Mahnmals für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft aufgestellte »Pieta« der Künstlerin als unvereinbar mit der Präsenz preußischer Generalität vor dem Wachgebäude. Denkmalpfleger verweisen darauf, daß die Via triumphalis erst dann komplett ist, wenn auch Scharnhorst und Bülow an ihre alten Plätze zurückkehren.

Bildquelle:
Berliner Denkmäler im Volkswitz, Atlantis Verlag, 1933

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© Edition Luisenstadt, 1999
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