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107 Berichte und Rezensionen
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Seidenproduktion und Seidenhandel in Berlin
Eine neue Ausstellung im Knoblauchhaus Das Knoblauchhaus, Poststraße 23 - dieses einzige erhaltene Originalgebäude aus der historischen Altbebauung des 18./19. Jahrhunderts im Nikolaiviertel - ist 1988 als Beispiel bürgerlicher Wohnkultur der Berliner Biedermeierzeit vom Märkischen Museum eingerichtet worden. Schon damals konnte der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, daß ein bedeutender Teil der Originalgegenstände aus dem Privatbesitz der Familie Knoblauch zur Verfügung gestellt worden sei - nur ging im beiderseits prestigeträchtigen Gerangel um ein deutsch- deutsches Kulturabkommen damals weithin unter, daß die weitverzweigte Familie (ebenso wie die mit ihr verschwägerte und mit der Geschichte des Hauses ebenfalls verbundene Familie Keibel) ihre diversen Sitze inzwischen in der Bundesrepublik hatte. Es war ein Verdienst des Familienseniors Paul Knoblauch, der in der Nähe von Stuttgart lebt, daß ein von ihm kurzerhand in der Vorbereitungsphase unternommener Ausflug nach Ostberlin sofort zu einer von beiderseitiger Sympathie getragenen engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der Leiterin des Hauses, Hannelore Bolz, und den Familien führte. Paul Knoblauch war auch der Spiritus rector des inzwischen gegründeten Fördervereins des Museums Knoblauchhaus", an dessen Wirken bei Gelegenheit der Würdigung dieser musealen Stätte gern und dankbar erinnert wird.
| der Stiftung Stadtmuseum Berlin (Landesmuseum für Kultur und Geschichte Berlins), Prof. Reiner Güntzer, und einer beträchtlichen Anzahl von Vertretern der Familien Knoblauch und Keibel, durch einen instruktiven Beitrag von Kurt Winkler (Leiter der Abteilung Handel, Handwerk und Gewerbe der Stiftung) die neueste Ausstellung des Knoblauchhauses eröffnet wurde. Sie kleidet den Reichen - Sie naehret den Armen" (das Motto auf einer Gedenkmedaille, die der preußische Minister Graf Ewald von Hertzberg, Gutsherr auf Britz - das er zu einem Musterbetrieb für Seidenproduktion ausbaute - 1793 prägen ließ) beschäftigt sich mit Berliner Seide und Seidenhandel. Das paßt hervorragend in diese Lokalität, denn die Keibels und Knoblauchs waren seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts profilierte und verwandtschaftlich verbundene Manufakturisten" in der Seidenbranche, ja, die Seiden Band Fabrik Carl Knobloch" existierte in der Poststraße 23 bis weit in unser Jahrhundert hinein, und das Haus diente der Familie als Wohnhaus gar bis 1945. Die Sonderausstellung brilliert mit Sachzeugen, die überzeugend den hohen Stand der Herstellung von Seidenprodukten in und um Berlin im 18./19.Jahrhundert belegen: Seidentapeten, -taschen, Seidenjacken (sogenannte Caracos) und -kleider, seidene Hüte und Schuhe, Schärpen und - in Preußen wie für den Export besonders wichtig! - Ordensbänder. Eine großzügige Stiftung der Familie Knoblauch läßt den Besucher auch seidene Strümpfe (die sind als persönliche Verbrauchsgegenstände verständlicherweise in musealen Sammlungen besonders rar!) sehen und stellt eine Schute (eine biedermeierliche feminine Kopfbedeckung) der Henriette Knoblauch (1818-1834, Nichte von Eduard Knoblauch, dem Architekten der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße) vor. Musterbücher, Lehrtafeln und -bücher über Seidenraupenzucht und etliche auf Seidenbau, Seidenproduktion und Seidenhandel bezügliche Edikte vervollständigen die Schau. |
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108 Berichte und Rezensionen
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Daß während der französischen Besetzung Berlins 1806-1808 zugunsten des konkurrierenden Gewerbestandorts Lyon das Berliner Seidengewerbe durch Besatzerwillkür gezielt in eine tiefe existentielle Krise getrieben wurde, verschweigt (angesichts des gemeinsamen deutsch- französischen Marsches nach Maastricht- Europa?) allerdings die Museumshöflichkeit.
Die Ausstellung wird ergänzt durch ein wissenschaftliches Begleitheft, das von der Stiftung zwar als Katalog bezeichnet wird, aber die gewöhnlichen Merkmale eines solchen (Aufzählung und Beschreibung der Objekte) vermissen läßt - dafür jedoch in sechs instruktiven Beiträgen in die allgemeine Problematik der Seidenproduktion, die Geschichte des Seidengewerbes in Preußen, die spezielle Seidenbandherstellung und die Knoblauch- Keibel'sche Familiengeschichte einführt. Eine höchst verdienstvolle Aufzählung der letzten verbliebenen Zeugen preußischen Seidengewerbes im Berliner Stadtgebiet - der im 18. Jahrhundert in Menge gepflanzten Maulbeerbäume, deren Blätter den Seidenraupen als Futter dienten - fand in dem Beiheft leider keine Aufnahme und muß auf einem zusätzlichen Informationsblatt mitgeteilt werden. Wir sehen es als unsere Pflicht an, sie auch an dieser Stelle bekanntzumachen: Charlottenburg:
Friedrichshagen:
Friedrichshain:
Kreuzberg:
Lichterfelde:
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Lübars:
- ein Baum vor dem südlichen Portal der Dorfkirche Pankow:
Staaken:
Steglitz:
Weißensee:
Zehlendorf:
Der Baum in der Friedrichstraße 129, Mitte, ist der Aufmerksamkeit des Vereins offenbar entgangen. Auf dem Schulhof des Andreasgymnasiums in der Friedrichshainer Koppenstraße konnte dagegen nur ein Gingkobaum entdeckt werden. Die Ausstellungsdauer ist vorläufig bis zum 2. Januar 1997 festgesetzt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10.00 bis 18.00 Uhr Kurt Wernicke |
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/1996
www.berlinische-monatsschrift.de