Die Berliner
Du bist verrückt, mein Kind,
Du kommst nach Berlin,
Wo die Verrückten sind,
Da gehörst du hin!

Wer sich längere Zeit in Berlin aufhalten oder hier seine Zelte für immer aufschlagen will, sollte einiges über den hiesigen Menschenschlag wissen. Die Berliner haben den Ruf, ein besonderes Völkchen zu sein. Ob »waschecht« oder »eingebürgert« - es sind vor allem Leute mit »Herz und Schnauze«.

In den Adern der Berliner fließen, wenn man Meyers Konversations-Lexikon aus dem Jahre 1890 Glauben schenken will, 37 Prozent germanisches, 39 Prozent romanisches und 24 Prozent slawisches Blut. Aus dieser Mischung nun soll sich der eigentliche Typus des Berliners entwickelt haben. Unter anderem mit solchen Eigenschaften wie Ausdauer, Gemütlichkeit und Leichtlebigkeit. Auch Eitelkeit, Großsprecherei und Launenhaftigkeit sind ihm nicht fremd. Kurzum - der Spree-Athener ist volkstümlich, gutmütig, leicht gerührt und wohltätig. Er kann aber auch schnell aufbrausen, neigt zum Streit, ist rechthaberisch und deftig. Nicht jeder kommt damit zurecht.

Johann Wolfgang von Goethe beklagte sich zum Beispiel so:
     »Es lebt dort, wie ich an allem merke, ein so verwegner Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.«

Die wohl passendste Antwort darauf fand sein langjähriger Freund Carl Friedrich Zelter, Leiter der Berliner Singakademie:
     »Endlich, ganz ehrlich gesprochen, wißt Ihr Herren in der Fremde doch nichts von Berlin, wo eine lebendige Gegenwart jede Vorstellung und Gedanken Lügen straft. Ich bin wenig herumgekommen - aber wo ich gewesen bin, habe ich bald genug wahrgenommen, daß sie auch mit Wasser kochen.«


© Edition Luisenstadt, CD-ROM 1997: Berlin. Ansichten.
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