Eine Rezension von Kathrin Chod


Zwischen Heideröslein und Rollerskates

„Ich bin so guter Dinge“.
Goethe für Kinder.

Ausgewählt von Peter Härtling.
Insel Verlag, Frankfurt/M. 1998, 95 S.

 

Wer den Untertitel des vorliegenden Buches „Goethe für Kinder“ liest, wird unversehens an die eigene Schulzeit erinnert. Wer nicht zuvor schon den Blick in einen Goethe-Band im elterlichen Bücherregal geworfen hatte, der hatte spätestens in der Schule seine erste Begegnung mit dem Dichter. Und die sollte eine folgenreiche werden, denn was noch recht harmlos anfing mit ein paar Verszeilen, ging weiter mit langen Balladen und endete mit Faust. Aber wenn der an die Reihe kam, dann waren die Schüler schon in einem Alter, in dem sie kaum noch als Kinder bezeichnet werden wollten. Wie auch immer, Goethe für Kinder, das bedeutete zumeist nur Goethe zum Pauken. Als Ergebnis blieb der Dichter und sein Werk für viele etwas, dem man nicht noch einmal wiederbegegnen wollte. Die erste Begegnung mit dem Klassiker muß ja nicht unbedingt so ablaufen, dachte sich wohl Peter Härtling, als er sich an dieses Buch setzte. Er präsentiert einen Goethe, der seinen Platz im Kinderzimmer neben Benjamin Blümchen oder Astrid-Lindgren-Büchern finden könnte. Unterstützt wird dieses Anliegen durch wunderschön respektlose Illustrationen von Hans Traxler, da blicken etwa vom Titelbild zwei mit Rollerskates, Walkman und Skateboard bewaffnete „Kids“ verdutzt auf den Geheimrat im braunen Hausmantel. „Fürchtet Euch nicht vor dem großen Goethe!“ könnte Härtling an sie appellieren, und so könnte auch seine Einführung überschrieben sein. In einem Brief wendet sich der Autor an seine jungen Leser, in dem er ihnen den großen Dichter als Kind päsentieren will. Hierbei erkennt Härtling, Goethe sei nie ein Kind gewesen, da Kinder seinerzeit schon früh als kleine Erwachsene behandelt wurden. So gibt es auch recht wenig Berichtenswertes vom jungen Johann Wolfgang, was ihn Kindern von heute näherbringen könnte: Was Papa Goethe so alles für den kleinen Buben kaufte, ein Rüschenkleid, ein teures Winterkleid. Oder das Klein-Goethe wohl ganz gern kokelte und so mit Räucherkerzen Brandflecken auf seinem Pult hinterließ. Das ist natürlich nicht viel, andererseits vermeidet Härtling glücklicherweise jede Anbiederung mittels eines aufgepeppten Klassikers an sein jugendliches Publikum. Bleibt das Wichtigste: Goethes Texte. So folgt der Einführung eine Auswahl von kleinen Geschichten und Gedichten. Da darf natürlich der schaurige „Erlkönig“ ebensowenig fehlen wie der etwas didaktische „Zauberlehrling“. Der „Osterspaziergang“ fand seinen Platz, wie der „König von Thule“, das „Heidenröslein“ oder „Der Fischer“, dazu eine Anzahl Verse, wie der titelgebende. Viel Arbeit habe er in diese Auslese gesteckt, meint Härtling: „Begreift ihr nun, wie schwer ich es mir gemacht habe, um Euch das Vergnügen an Goethe nicht zu nehmen?“ Doch die Mühen des Autors sollten den jungen Lesern egal sein. Gelungen ist jedenfalls eine unterhaltsame, unvoreingenommene Annäherung an einen der größten deutschen Dichter.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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