Eine Rezension von Eberhard Fromm


„Ein Mensch in seinem Widerspruch“

Wolfram Bickerich: Franz Josef Strauß
Die Biographie.

Econ & List Taschenbuch Verlag, München 1998, 376 S.

 

Die bereits 1996 im Düsseldorfer Econ Verlag erschienene Arbeit des langjährigen „Spiegel“-Redakteurs Wolfram Bickerich (1942) ist die bisher letzte Biographie in einer langen Reihe von Darstellungen des Politikers Franz Josef Strauß. Von Thomas Dalbergs frühem Porträt eines Politikers (1968) über Otto Zierers Lebensbild des F.J.S. (1979) bis zur Biographie von Rudolf Schröck (1990) reicht die Palette der verschiedensten Beschreibungen. Und zumeist waren die Meinungsäußerungen über Strauß von einem deutlichen Pro oder Contra bestimmt: verehrungsvolle und kritiklose Darstellungen, in denen der Vollblutpolitiker Strauß als eine der größten Hoffnungen der deutschen Nachkriegszeit gesehen wird; oder scharfe Angriffe auf Strauß, die bis zu unbewiesenen Unterstellungen reichen und zur Schmähung dieses Mannes als eine Gefahr für die Bundesrepublik. Strauß hat als Politiker wie kaum ein anderer die Menschen polarisiert - und seine Biographen haben sich zumeist auf der einen oder anderen Seite der so entstandenen Fronten befunden.

Aber eine gute, d. h. vor allem eine lesbare Lebensbeschreibung kann weder von einer Position totaler Verehrung noch totaler Ablehnung geschrieben werden. Der Verfasser muß ein Verhältnis zu seinem „Helden“ finden, das es ihm erlaubt, ihn zu verstehen und zugleich auf Distanz zu bleiben. Sonst wird es eine Kampfschrift für oder gegen eine Persönlichkeit, mit der der Leser auf die eine oder andere Position gezogen werden soll.

Franz Josef Strauß hat sich einmal selbst charakterisiert als einen „Menschen in seinem Widerspruch“. Mit einer etwas einfacheren Wertung wird Willy Brandt zitiert: „Er ist zwar eine der großen Begabungen in der Politik, aber eine, die mit dem Hintern oder dem Mundwerk wieder umstößt, was die Hände gerade aufgebaut haben.“

Und in ebendieser Widersprüchlichkeit, in einer zeitweiligen Zerrissenheit wird Strauß von Bickerich gesehen und vorgestellt. Man spürt natürlich, daß der Autor keine tiefen Sympathien für den Mann hegt. Aber es werden ehrlich und zu gleichen Teilen alle Seiten des F.J.S. betrachtet. Da wird der militante Antikommunist gezeigt, dem im Kampf gegen Moskau beinahe jedes Mittel und jeder Verbündete recht ist; und da ist der DDR-Kreditbeschaffer, der Erich Honecker besucht und die Friedensabsichten eines Michail Gorbatschow preist. Kein Wunder, daß da so mancher seiner Anhänger an ihm zu zweifeln begann.

Es wird der engagierte Verteidigungsminister vorgeführt, der mit Energie um diesen Posten gerungen hat, ihn mit seiner ganzen Person ausfüllt und dann in der Spiegel-Affäre nicht nur alles aufs Spiel setzt, sondern auch alles verliert. Auch die Wiederkehr nach Bonn als Finanzminister, seine Erfolge und seine Niederlagen auf diesem so brisanten Gebiet werden weder verschwiegen noch geschönt.

Der Autor stellt das Leben von Strauß in vierzehn Zeitetappen vor, von „Jugend und Krieg“ (1915-1945) bis „Immer auf der Suche“ (1978-1988). Dabei werden immer wieder Kapitel eingeschoben, die sich mit einem Problem über einen längeren Zeitraum befassen wie z.B. „Die Kunst des Redners (1946-1988)“ oder „Falsche Freunde (1958-1978)“. So entsteht ein Lebensbild, das einerseits den Werdegang des am 6. 9. 1915 in München geborenen Metzgersohnes über die Stationen des Landrats in Schongau, des CSU-Politikers in München, des Bundestagsabgeordneten und des Ministers in Bonn, des Kanzlerkandidaten der CDU/CSU bis hin zum CSU-Parteichef und bayerischen Ministerpräsidenten aufzeigt, als der er am 3.10. 1988 stirbt. Andererseits kann der Autor immer wieder übergreifende Entwicklungen zusammenhängend darstellen. Als zentrale Lebensachse des ehrgeizigen Strauß erscheint sein Kampf um den Posten des Bundeskanzlers. Darauf zielt er frühzeitig hin, dafür setzt er die unterschiedlichsten - auch nicht immer die besten und ehrlichsten - Mittel ein; und gerade hierin scheitert er. Und nicht nur das. Seine Aussage von 1976 zu den Chancen Kohls als Bundeskanzler ist eine seiner größten Fehleinschätzungen: „Herr Kohl, den ich ... trotz meines Wissens um seine Unzulänglichkeiten um des Friedens willen als Kanzlerkandidat unterstützt habe, wird nie Kanzler werden. Er ist total unfähig, ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen.“

Im Anhang des Buches werden einige Dokumente veröffentlicht, die den Politiker Strauß in all seinen Schattierungen zeigen und die zugleich eine Reihe interessanter neuer Einsichten - so in Zusammenhänge der Spiegel-Affäre - vermitteln. Es sind dies zwei Briefe an Konrad Adenauer (1954, 1962), die Reden von Sonthofen (1974) und im Münchner „Wienerwald“ (1976). Wenn man den Band aus der Hand legt, kann man sich entscheiden, ob Strauß für die Geschichte der Bundesrepublik ein Gewinn oder eine Gefahr war - oder beides. Und er kann darüber spekulieren, was wäre, wenn F.J.S. tatsächlich Bundeskanzler geworden wäre ...


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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