Eine Rezension von Horst Wagner


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Nachwäsche zu einem bekannten Thema

 

Elisabeth Pfister: Unternehmen Romeo
Die Liebeskommandos der Stasi.

Aufbau-Verlag, Berlin 1999, 208 S.

 

Titel samt Unterzeile versprechen eine spannende Story und saftige Enthüllungen. Ganz so toll wird es allerdings nicht. Das Thema und die interessantesten Stellen sind hinreichend bekannt: aus Boulevardzeitungen und Nachrichtenmagazinen, nicht zuletzt auch aus Markus Wolfs Memoiren Spionagechef im geheimen Krieg. Die vorliegende Arbeit der in Frankfurt/M. und Bonn lebenden Fernsehjournalistin Elisabeth Pfister ist nichts anderes als das Buch zu bzw. nach ihrem 1998 von der ARD gesendeten Film. Das Material sei damals so umfangreich gewesen, so die Autorin im Vorwort, daß sie nun gern etwas mehr mitteilen, sozusagen eine „Nachwäsche“ vornehmen möchte.

In Buch und Film geht es um die Umkehrung der klassischen Methode, bei der eine „Julia“, eine attraktive Spionin wie z. B. Mata Hari, einen hohen Offizier oder anderen Geheimnisträger zwecks Tauschs von „Liebe“ gegen Information verführt. Die Stasi praktizierte es (zynisch könnte man sagen: im Zuge der Gleichberechtigung) bekanntlich auch andersherum. Ob ihr freilich dafür das Erfinderpatent oder gar das Alleinvertretungsrecht gebührt, bleibt zweifelhaft. Markus Wolf hat auf Vorbilder aus der biblischen Geschichte verwiesen. Auch Frau Pfister räumt ein, daß die Romeo-Methode keine Erfindung der HVA ist. Sie habe sie nur „so erfolgreich praktiziert wie kein anderer Geheimdienst der Welt“. Der BND habe die Romeo-Methode nicht angewandt. Dies sei allerding nicht moralischen Bedenken geschuldet. „Man kam einfach nicht darauf.“ Was der zeitweilige BND-Chef Hellenbroich noch heute bedauere und seinen Konkurrenten Wolf wegen dessen Erfolgen auf dieser Strecke beneide.

Von den drei Dutzend enttarnten „Romeo-Opfern“ konzentriert sich die Autorin im ersten Kapitel auf drei: Die bei der amerikanischen Botschaft in Bonn für die DDR spionierende Gabriele K., die im Bundeskanzleramt auch für das MfS tätige Karin S. und die u. a. in der BRD-Botschaft in Warschau Kundschafterdienste leistende Gerda O. Ihre Fälle sind auch aus anderen Veröffentlichungen bekannt. Aber Elisabeth Pfister versteht es, daraus eine anrührende, zuweilen krimihafte Geschichte zu knüpfen. Sicher werden die dabei offenbar unvermeidlichen Elemente der Kolportage und des Kitsches nicht jedermanns Geschmack sein. Wesentlich sachlicher geht es im zweiten Kapitel mit der Überschrift „Der Apparat und seine Romeos“ zu. Allerdings erscheinen manche Ableitungen der Autorin aus aufgefundenen Stasi-Instruktionen ausgesprochen kühn. So, wenn sie von der Tatsache, daß an der juristischen Hochschule des MfS auch Psychologie gelehrt wurde, auf einen „erschreckenden Mißbrauch der Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie in der ehemaligen DDR“ schließt. Eine echte Neuentdeckung - jedenfalls für den Rezensenten - ist dagegen die von Frau Pfister recht sympathisch geschilderte Geschichte des „Romeo“ Wilhelm M. aus Eisenhüttenstadt. Ihm wird als Gegenfigur, als echter Fiesling, der gleichfalls für die HVA als Liebeswerber tätige Theaterintendant Roland X. zur Seite gestellt. Wobei für neugierige Leser ein Vergleich mit Markus Wolfs ganz anderer Sicht auf die gleiche, bei ihm allerdings Roland G. genannte Person (Spionagechef im geheimen Krieg, München 1997, S. 152) interessant sein dürfte.

Im Schlußkapitel erwähnt die Autorin dann noch, daß es unter den sogenannten Romeo-Op fern auch Frauen gegeben hat, die „außer ihrem emotionalen Engagement auch politische Motive“ für ihre Kundschaftertätigkeit hatten. Sie nennt in diesem Zusammenhang die für die DDR im NATO-Hauptquartier in Brüssel tätig gewesene Ursel Lorenzen sowie die im BND als „Topspionin“ wirkende Gabriele Gast, deren hochinteressante Erinnerungen Anfang 1999 im Eichborn Verlag erschienen sind. Elisabeth Pfisters Schlußfolgerung aus dem Ganzen ist natürlich eine moralische Verurteilung der Romeo-Praxis. Sie räumt aber auch ein: „Macht hat überall nur einen primären Zweck: den ihres Erhalts oder, noch besser, ihrer Expansion. Das gilt für alle Staaten ... Moral ist eine Kategorie, die der Macht wesensfremd ist.“ Und an anderer Stelle gibt sie zu bedenken: „Die Romeo-Methode wäre jedoch ohne die systematische soziale Diskriminierung, der die Frauen in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft jahrzehntelang ausgesetzt waren, nicht umsetzbar gewesen, zumindest nicht so erfolgreich.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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