Eine Rezension von Bernd Heimberger


Die Striptease-Story

Lucinda Jarrett: Striptease
Die Geschichte der erotischen Entkleidung.

Rütten & Loening, Berlin 1999, 240 S.

 

Auch Men-Strip ist längst salonfähig. Als feministische Rache oder Rache an den Feministinnen? Das dürfen Experten beantworten! Schon was von Kids-Strip gehört? Die Mini-Playback-Show haben wir bereits im Fernsehen. Seelen-Strip ist hier nicht das Thema. Es geht um den klassischen Strip. Also um Entkleidung. Nicht um die einfache, „erotische Entkleidung“, die stündlich in sämtlichen Winkeln der Welt stattfindet. Von der Emanzipation der erotischen Entkleidung kann da wohl nicht gesprochen werden! Es scheint, Strip und Stripperinnen waren auf dem Weg der Emanzipation schon weiter. Wie die Feministinnen, die den Londoner Stripperinnen vor zwei Jahrzehnten mit intellektueller Überheblichkeit das Leben höllisch erschwerten. Was bei heutigen Strip-Shows zuerst auf der Strecke bleibt ist die Erotik. Am Anfang war die Erotik. War der erotische Tanz, den die westlichen Kulturen den östlichen abguckten. Erotischer Tanz und Striptease - im besten Sinne - haben eins gemeinsam, „eine gewisse Intimität zwischen Darstellern und Publikum“. Behauptet die englische Publizistin Lucinda Jarrett, die eine Story des „Striptease“ verfaßte.

Sie hat sich der Sache mehr mit Ehrgeiz und Ernst als Eleganz angenommen. Wen der Titel anmacht, der wird um sein Preis-Geld geprellt. Die seltenen und seriösen Fotos des Bandes eignen sich nicht für eine erotische Anmache. Das Buch ist eine solide Kulturgeschichte des Striptease. Für den simplen Kaschemmen-Strip ist keine Seite frei. Die Kultur des Striptease hat ihre Wurzeln in der Burleske, die ab 1860 von der perfekten Blondine Lydia Thompson in London populär gemacht wurde, im französischen Cancan, in den Nackttänzen, die nach dem Ersten Weltkrieg in Europa und Amerika Vergnügen in die gediegenen Etablissements brachten. Eine der Königinnen der Freikörperkunst war die Deutsche Anita Berber.

Von Tanz, immer wieder Tanz, ist die Rede. Geboten wird den Neugierigen keine Geschichte des skandalösen, sondern des glamourösen Stripteasedance und Biographien meisterlicher Stripteasetänzerinnen. „Stimmen der Tänzerinnen“ sind im Schlußkapitel zu hören. Das ist der aufregendste Teil des Buches. Nicht nur, weil dem Ton der Autorin Nuancierungen fehlen. Vom Glanz und Elend der Stripteasetänzerinnen ist in den Selbstäußerungen viel zu erfahren. So schlecht der Ruf des Strip inzwischen auch ist, Lucinda Jarrett hat alles zum Ruhm und zur Ehre des Stripteasetanzes aufgeschrieben. Die Erotik bleibt auch in dem Buch in der Ecke, aus der der gewöhnliche Strip kommt. „Man hat uns die Erotik so radikal ausgetrieben, daß wir sie nur wiederentdecken können“, gibt uns eine bekannte Soho-Stripperin der siebziger und achtziger Jahre mit auf den weiteren Weg. Wie weise!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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