Eine Rezension von Hans Aschenbrenner


Vom „Tor zur Welt“ zum „Geister-Flughafen“?

Franz Schmitz: Flughafen Tempelhof
Berlins Tor zur Welt.

be.bra verlag, Berlin 1997, 139 S.

Noch in ziemlich unmittelbarer Erinnerung ist, welche Rolle der Flughafen Tempelhof einst als Berlins Tor zur Welt gespielt hat. Sein Name steht für Luftfahrtgeschichte, Berliner und deutsche Geschichte, für Kalten Krieg und Rosinenbomber. Heute verlieren sich die Flugzeuge auf dem riesigen Flughafengelände ebenso wie die Menschen in der großen Abfertigungshalle. Teile des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes (einer der größten Europas mit 242 000 Quadratmetern Nettogeschoßfläche) stehen leer, längst nicht ausgelastet sind die schon vermietbaren Büroflächen.

Franz Schmitz beschreibt in dem reich bebilderten Band die wechselhafte Geschichte des heutigen Geister-Flughafens, der schon ganz andere Zeiten erlebt hat. Natürlich wird am Anfang auf die Geschichte des Tempelhofer Feldes eingegangen. Lange bevor es Flugplatz wurde, haben mutige Pioniere der Luftfahrt vom „Feld“ aus Flugversuche unternommen, einem staunenden Publikum ihre Flugmaschinen vorgeführt. Noch viel früher pflanzten Bauern hier Rüben und Kartoffeln an und weideten ihr Vieh. Der Ort wurde bald auch Parade- und Exerzierplatz des preußischen Heeres. Bei den Berlinern war er als willkommenes Ziel für Wochenendausflüge und sportliche Betätigung überaus beliebt. Letzteres wird vom Autor, abgesehen von einer Andeutung am Schluß des Buches, leider unterschlagen wie so manche anderen interessanten Details, z. B. von der Flugplatzeröffnung. Mitunter wäre im Buch eine bessere Gewichtung und sorgfältigere Formulierung der Fakten wünschenswert gewesen - Schwächen, die kraß im Klappentext und selbst im Kurztext auf der letzten Umschlagseite auftreten.

Die Frage, auf dem Tempelhofer Feld ein Messegelände oder einen Flughafen zu errichten, wurde erst 1923 zugunsten der letzteren Variante entschieden. Man wollte einen dem Zentrum weitaus näher gelegenen Airport, als das bei den Flughäfen Johannisthal im Osten (als erster deutscher Flugplatz 1909 eröffnet) und Staaken im Westen der Stadt der Fall war. Der „Flughafen Tempelhofer Feld“, so hieß er anfangs noch, wurde schließlich am 8. Oktober 1923 für den provisorischen Betrieb freigegeben. Der Autor schildert im weiteren die Entwicklung des Flughafens, der schon um 1930 als „Luftkreuz Europas“ anerkannt war. Zum „Weltflughafen“ wollten ihn die Nazis ausbauen. Der von ihnen entfachte Zweite Weltkrieg sollte sie jedoch bald dazu zwingen, die Arbeiten an dem Prestige-Bau zu stoppen. Was schon fertig war, einschließlich eines weitläufigen Systems von Kellerräumen und Tunneln, später Ursache mancher Legendenbildung, wurde immer mehr Kriegszwecken untergeordnet, unter anderem zur Produktion von Jagdflugzeugen genutzt. Den Krieg hat der Flughafen trotz Bombardierungen so überstanden, daß er bereits während der Blockade 1948/49 wichtiger Start-, Lande- und Umschlagplatz der von den westlichen Alliierten eingerichteten Luftbrücke genutzt werden konnte. Tempelhof fungierte später bis weit in die 60er Jahre hinein als Zentralflughafen der eingeschlossenen Halbstadt, der dann aber durch den Ausbau von Tegel zur Statistenrolle degradiert wurde.

Zwischenzeitlich hat der Flugverkehr in Tempelhof sogar wieder einen kleinen Aufschwung genommen. Kann das nach der Entscheidung, Schönefeld zum Großflughafen „Berlin-Brandenburg-International“ auszubauen, an seinem Schicksal, nun aufs Altenteil zu kommen, noch etwas ändern? Wird der Tempelhofer Airport letztendlich nicht nur für den großen Passagier-, sondern tatsächlich auch für den Geschäftsverkehr, für kleine Chartermaschinen stillgelegt werden? Voraussichtlich, so jedenfalls mutmaßt Frank Schmitz, wird sich nach der Schließung im Flughafengebäude eine Mischung ganz verschiedener Nutzer etablieren; und nach mehr als einem Dreivierteljahrhundert könnte das Tempel-hofer Feld, so der Autor weiter, wieder Naherholungsgebiet werden. Aber, so sein Schlußsatz: „Bis sich die Berliner am Wochenende wieder zu einem Ausflug auf das Tempelhofer Feld aufmachen können, wird es noch einige Jahre dauern.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite