Eine Annotation von Thomas Przybilka


Raymond, Derek:
Die verdeckten Dateien
DuMont Buchverlag, Köln 1999, 450 S.

James, Russel:
Underground
ebd., 280 S.

Gash, Jonathan:
Lovejoys Duell
ebd., 207 S.

Whittington, Harry:
Im Netz
ebd., 202 S.

Miehe, Ulf:
Puma
ebd., 491 S.

Pelecanos, Georg P.:
Das große Umlegen
ebd., 453 S.

 

„Harte Zeiten brauchen harte Bücher ...“, so titelt die Presseabteilung des DuMont Buchverlages zu ihrer neuen Reihe, die von Martin Compart als Herausgeber betreut wird. In hartem, aber elegantem Schwarz kommt sie daher - DuMONT Noir. Der DuMont Buchverlag, bereits bestens eingeführt mit seiner hervorragenden Krimireihe „DuMont’s Kriminalbibliothek“, herausgegeben vom Kölner Professor Volker Neuhaus, leistet sich und allen Krimienthusiasten mit der neuen „Schwarzen Serie“ ein echtes Schmankerl! Die Cover der Reihe sind aufgemacht wie Filmplakate, die einzelnen Teile der Krimis werden durch schwarze Trennblätter hervorgehoben, und jedes Buch wird mit einem Nachwort Comparts oder einem ausführlichen Material-Anhang (wie z. B. bei Miehes Puma) vorzüglich ergänzt. Inzwischen sind die ersten 6 Titel greifbar - schon jetzt darf man konstatieren, daß die Noir-Serie ein echtes Sammlerobjekt darstellt.

Vertreten sind neben den „Großmeistern“ der Kriminalliteratur auch Autoren, die in anderen Ländern bereits Kultstatus erreicht haben. Allen Titeln gemeinsam aber ist die für den Noir-Roman charakteristische Mischung aus raffiniert geknüpftem spannungsgeladenen Plot - nicht umsonst wird immer wieder auf die „cineastische“ Qualität dieser Romane hingewiesen - und einer existentialistisch-zynischen Sicht auf die Welt.

Den Auftakt der Reihe bilden Die verdeckten Dateien, die autobiographischen Erinnerungen und literaturgeschichtlichen Betrachtungen von Derek Raymond. Der kürzlich verstorbene Raymond veränderte den englischen Kriminalroman der 80er Jahre nachhaltig. Seine Krimis leiteten die Renaissance des „Schwarzen Romans“ in Großbritannien ein und setzten damit neue Maßstäbe. Die Wiederentdeckung dieses Autors mit seinen brillanten Analysen ist ein eleganter, der Serie gerecht werdender Auftakt.

In Russel James Underground ist ein Mann auf der Flucht. Ein Profi. Die düsteren und gefährlichen Gegenden des nächtlichen London werden sein Versteck. Er lernt dort eine junge Frau kennen, die arbeits- und hoffnungslos versucht, im Land der Job-Wunder zu überleben. Ein rabenschwarzer Thriller mit Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten.

Hallodri, Chauvi und Zyniker Lovejoy, der Serienheld von Jonathan Gash, ist zudem ein amoralischer Antiquitätenhändler und ein Frauenheld. „Über Sex und Zärtlichkeit gelangen Mann und Frau ganz allmählich zu einem Punkt, an dem sie das Wesen der Liebe erfassen. Ich arbeite auf dieses Ziel hin, so oft und wo immer ich kann. Problematisch ist dabei nur, woher man jedesmal die nächste Frau nehmen soll.“ Die Philosophie eines Schwerenöters. In Lovejoys Duell wird er in die aufregende Jagd nach zwei alten Steinschloß-Duellpistolen verwickelt. Man sollte nicht meinen, daß die Suche nach diesen Antiquitäten derartig lebensbedrohend sein kann. Frauenheld Lovejoy ist einer der originellsten Charaktere der Kriminalliteratur unserer Insel-Nachbarn. Und wer sich auch noch für Antiquitäten interessiert, wird hier bestens bedient - jeder Lovejoy-Krimi ist informativer als viele antiquarische Fachbücher.

Noir-Klassiker Harry Whittington gilt als einer der besten „Plotter“ der Kriminalliteratur. Die Kenntnisnahme seiner Krimis in Deutschland ist längst überfällig gewesen. Anwalt Bower und seine atemberaubende Sekretärin Laura, denen man nun Im Netz begegnen kann, lieben Sex und Geld. Warum also nicht Bowers steinreiche Ehefrau umbringen? Der perfekte Mord ist leider doch nicht so perfekt, wie von den beiden ausgetüftelt. Und besonders für Anwalt Bower hält das Leben nach der Tat einiges bereit, was ihm schlimmer als der Gang in die „Death-Row“ des Gefängnisses vorkommen mag.

Jörg Fauser schrieb einmal über Ulf Miehe, daß er der beste Krimiliterat ist, den Deutschland bisher hervorgebracht hat. Die Neuauflage von Puma ist eine Referenz an den Autor und deutschen Crime-Klassiker zu dessen 10. Todestag. Nach Jahren im französischen Gefängnis kommt der elsässische Gangster, von allen Puma genannt, frei. Mit seiner Freilassung beginnt eine Unterweltballade zwischen Paris, München und New York. Ergänzt wird der Krimi durch Briefe, Interviews und anderen Materialien.

Zwischen 1946 und 1959 spielt die Handlung von Das große Umlegen, dem ersten Krimi einer in Washington, D.C. angesiedelten Trilogie. Es ist die Welt der kleinen Leute, die sich aus griechischen Einwanderern rekrutiert. Pelecanos schildert eindrucksvoll, wie sich seine Protagonisten von Tagelöhnern und Aushilfsjobbern zu Mitgliedern von Gangs entwickeln, um auch ein möglichst großes Stück vom Kuchen des amerikanischen Traums abbeißen zu können. Die Weichenstellung zu einer Entwicklung des organisierten Verbrechens und die Jagd nach einem Frauenmörder, der sein Unwesen unter den Prostituierten der amerikanischen Hauptstadt treibt, werden gekonnt in Szene gesetzt. Anfangs ruhig, dann immer schneller, bewegen sich beide Parallelstränge aufeinander zu.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite