Eine Annotation von Bernd Grabowski


Heine, Heinrich: Briefe aus Berlin

Bibliothek der Erzähler.
Herausgegeben von Jürgen Manthey.

Steidl Verlag, Göttingen 1998, 94 S.

 

„Ich habe gestern im Café royal den Kammermusikus getroffen. Er hat mir eine Menge kleiner Neuigkeiten erzählt ...“ So ist bald eine Prüfung bei Musiklehrer Dr. Stöpel angesagt, Graf Brühl wird von seiner Krankheit ganz genesen sein, Herr und Frau Wolff gastieren in Leipzig und Dresden, Michael Beer hat eine neue Tragödie geschrieben usw. usf. Und die großen Neuigkeiten, die Heinrich Heine in Form von drei im Januar, März und Juni 1822 verfaßten Briefen aus Berlin berichtet? Da hat doch die preußische Prinzessin Alexandrine den mecklenburgischen Erbgroßherzog Paul Friedrich geheiratet, und man erfährt in ironisch-satirischer Art, wie prächtig die Equipagen der illustren Gäste, wie gold- und silbergeschmückt die Livreen der Kutscher aussahen.

Namen über Namen! Namen von Straßen und Plätzen Berlins, von Cafés und Restaurants und vor allem immer wieder von Personen: Goethe und Schiller, Bopp und Rust, Hermann und Thusnelda, Böhringer, Bosko und Blondin, Christiani, Pinetti und Spontini, Neumann, Hoffmann und Schuhmann. Schier endlos scheint die Reihe, spärlich die Aussagen zu jedem. Meist fehlen die Vornamen; nicht nötig, damals kannte sie der gebildete süddeutsche Leser, für den die fingierten Heine-Briefe im „Rheinisch-Westfälischen Anzeiger“ bestimmt waren. Manchmal sind jedoch nur Kürzel, z. B. ***li, von B., oder Umschreibungen verwandt, da wird es schon schwieriger. Auf den Vorwurf, manche Persönlichkeiten zu sehr namentlich hervorgehoben zu haben, antwortet Heine mit der damals sicherlich zutreffenden Feststellung: „Wenn ich von einem großen norddeutschen Juristen spreche, der das schwarze Haar so lang als möglich von der Schulter herabwallen läßt, mit frommen Liebesaugen gen Himmel schaut, einem Christusbilde ähnlich sehen möchte, übrigens einen französischen Namen trägt, von französischer Abstammung ist und doch gar gewaltig deutsch tut, so wissen die Leute, wen ich meine.“ Wer kommt da heute noch sofort auf Friedrich Karl von Savigny (1779-1861)?

Hätte der Herausgeber dem Heine-Text hilfreiche Erklärungen vor allem zu Personen- und Ortsangaben sowie die Übersetzungen der nicht immer fehlerfreien französischen und englischen Sätze und Wendungen hinzugefügt, wäre der Gewinn der Lektüre ungleich größer.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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