Eine Annotation von Björn Berg


Junghans, Kurt: Bruno Taut 1880-1938

Architektur und sozialer Gedanke

E. A. Seemann Verlag, Leipzig 1998, 288 S.

 

Was hat Bruno Taut die Tränen in die Augen getrieben? Aldo Rossis kleinteilige bunte Bebauung des Karrees an der Berliner Schützenstraße? Die massive Blockbebauung in der Berliner Friedrichstraße? Taut war kein Gegner der Blockbebauung. Taut liebte es bunt. Sein in Dahlewitz gebautes Privathaus, wenige Kilometer vor der Hauptstadtgrenze, hat so viele Farben wie das Alphabet Buchstaben.

Mit der Gartenstadt Berlin-Grünau, der Waldsiedlung Berlin-Zehlendorf, der Hufeisensiedlung Berlin-Britz, den Wohnarealen von Magdeburg bis Rotterdam wies sich der Architekt als Macher und Meister der bunten Blockbebauung aus. Vor einem dreiviertel Jahrhundert riefen die kantigen farbigen Reihenhäuser des Bruno Taut reichlich Widerspruch hervor. Völlig unbeachtet blieb in den Kontroversen, daß der Baumeister nicht versuchte, mit den Baukronen zu konkurrieren und am Himmel zu kratzen. Der Bauplaner ließ sich von den Gegebenheiten des Baugeländes leiten. Das bedeutete, der Landschaft gemäß zu bauen. Der Architekt kultivierte Wohnlandschaften, die immer seltener in Zweifel gezogen wurden. Bruno Tauts Wohnsiedlungen haben sich beliebt gemacht. Sie müssen nicht mehr nach ihrem Zweck befragt werden. Sie haben ihren Zweck längst erfüllt und erfüllen ihn noch. Sie werden ihrem Zweck, soziale Wohnungen zu sein, eher gerecht als die meisten Sozialwohnungen der Gegenwart. Natur und Mensch waren für den Baumeister die Maßstäbe, um das Nötige und Nützliche, das Schöne und Soziale im Bauen zu harmonisieren und zu verwirklichen. Was Bruno Taut tat, um als Baumeister was zu gelten, ist Kurt Junghanns bereits vor Jahrzehnten ein Buch wert gewesen, als sich kaum jemand um das Werk des Architekten kümmerte. Je mehr sich die Achtsamkeit für Taut steigerte, desto mehr verbesserte der Autor sein Buch Bruno Taut 1880-1938, Architektur und sozialer Gedanke, das nun der tatsächlichen Bedeutung und Akzeptanz des Bruno Taut entspricht.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 4/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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