Eine Rezension von Christa Niemann


Eine Frau als Spielball im Kampf um Macht und Reichtum

Diana Norman: Die Brautgabe

Roman.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1998, 352 S.

Die Autorin beschreibt in ihrem Roman Die Brautgabe den Zustand bzw. die Verhältnisse im und um das englische Königshaus im 12. Jahrhundert. Die Zeit ist geprägt von ständig aufflammenden Unruhen und erbitterten Kriegen zwischen den rechtmäßigen und unrechtmäßigen Erben König Heinrichs des Ersten von England und Herzogs der Normandie. Kaiserin Matilda, die Tochter und rechtmäßige Nachfolgerin Heinrichs, wird nach dessen Tod durch den Neffen des Königs, Graf Stephan von Blois, um die Erbfolge gebracht. In einem perfekten Schachzug gelingt es ihm mit Hilfe untertäniger, einflußreicher Verbündeter, sich zum König von England krönen zu lassen, noch bevor Heinrich I. beigesetzt ist.

In den folgenden zwanzig Jahren - von 1135 bis 1154 - wird das englische Reich von unzähligen Kriegen zwischen Matilda und Stephan und deren jeweils wechselnder Gefolgschaft heimgesucht. Spielbälle der grausigen Fehden sind meist junge Adlige und ihre Vasallen, die - abhängig vom Ausgang der Kämpfe - geopfert oder belohnt werden.

Zentrale Figur in dem blutrünstigen Geschehen ist die normannische Erbin Matilda de Risle, eine für diese Zeit bemerkenswert kluge junge Frau von Adel. Gerade vierzehnjährig, wird sie zum erstenmal standesgemäß verheiratet. Ihren Mann, den Angelsachsen Sigward, Lord von Hatfelde, liebt sie zwar nicht, respektiert ihn aber und kann sich mit ihm arrangieren. Sie weiß, daß es für eine Frau ihres Standes das schlimmste ist, von einem Mann verstoßen zu werden, und ist daher bereit, durch Willfährigkeit und Demut gegenüber Sigward, sich dessen Gunst zu erhalten. Als Dank für die gelungene Hochzeitsnacht schenkt er ihr die Insel Dungesey in den ostenglischen Fens, einem öden Sumpfgebiet. Beim ersten Besuch ist sie zunächst enttäuscht ob der Kargheit und Armut, die dort herrschen. Im Verlauf ihres gefahrvollen Lebens soll gerade diese Insel für sie zu einem Ort werden, der ihr zumindest zeitweise Ruhe und Sicherheit bietet, den sie schätzen und lieben lernt und mit dessen Bewohnern sie sich verbunden fühlt. Auf Dungesey wird ihr Sohn Edmund geboren, und hier erreicht sie auch die Nachricht vom Tod Sigwards. Obwohl noch jung an Jahren, ahnt sie bereits, daß sie und das Kind in dieser von machthungrigen Intriganten beherrschten Gesellschaft ein schweres Schicksal erwartet. Als schutzlose Frau ist sie Unterpfand in den Händen der jeweils Herrschenden im Kampf um Macht und Reichtum. Sie kann nach Belieben wieder verheiratet werden und wird weitere Kinder gebären müssen, die ihrem Erstgeborenen nach Leben und Besitz trachten könnten. Einerseits ist sie realistisch genug zu erkennen, daß sie sich der Rolle, die einer Frau in ihrer Lage aufgezwungen wird, nicht entziehen kann, andererseits übernimmt sie nach Sigwards Tod die Verantwortung für Edward und beschließt, alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihn und sein Erbe zu schützen.

In den folgenden Jahren wird sie noch zweimal gegen ihren Willen verheiratet; einmal mit Vincent, dem Sohn des königstreuen Lords Serlo de Luard, einem „Kindmann“, der bisher im Kloster erzogen wurde und auch gern dort geblieben wäre. Er muß sich jedoch den Interessen seines Vaters beugen und diese Ehe eingehen, um an Matildas Besitz zu kommen. In erster Linie wird jedoch erwartet, daß ein Erbe aus dieser Verbindung hervorgeht. Matilda versucht mit ihren bescheidenen Möglichkeiten, sich zu wehren, kann die Heirat aber nicht verhindern. So trifft sie denn Vorsorge, indem sie Edward nach Dungesey in die Fens bringen läßt. Dort soll er dem Zugriff der neuen Verwandten entzogen bleiben und fernab allen kriegerischen Geschehens aufwachsen. Ihr selbst gelingt es mit einigen schon damals bekannten Tricks, eine erneute Schwangerschaft zu verhindern. Vincent, den Anforderungen des weltlichen Daseins und den an ihn gestellten Erwartungen nicht gewachsen, wird wahnsinnig und verstirbt bald, ohne einen Erben gezeugt zu haben. Matilda ist frei, verfügt wieder über ihre Besitzungen und kehrt auf die Insel zurück. Hier muß sie feststellen, daß die Auswirkungen der Kriege auch diesen vermeintlich sicheren Hort erreicht haben. Es wartet eine dramatische Zeit auf sie, voller Gefahren und Intrigen, einschließlich einer weiteren Heirat, die ihr brutal aufgezwungen und ohne ihr Einverständnis vollzogen wird; aber auch das Erlebnis einer echten, innigen Liebe, frei von materiellen strategischen Überlegungen. Am vorläufigen Ende der wechselvollen Ereignisse steht eine gereifte, veränderte Frau. Die Autorin schafft mit der Romanheldin eine beeindruckende Frauengestalt, die sich wandelt von der ergebenen Dienerin in Verfügung der Männer - seien es der Vater, der Ehemann, männliche Verwandte oder letztlich der Sohn - zur bewußt handelnden Frau, die die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen im Rahmen der gesellschaftlichen Verhältnisse erkennnt und ausschöpft, um sich und ihrem Kind in einer intriganten, von Männern beherrschten Welt eine - wenn auch bescheidene - Unabhängigkeit zu erkämpfen.

Es ist das bewegende Lebensbild einer mutigen Frau, eingebettet in eine packende Geschichte über die historischen Ereignisse des 12. Jahrhunderts um die englische Königskrone, der der Leser trotz der teilweise verwirrend geschilderten Verschlingungen unterschiedlicher Herrscherhäuser mit Interesse und Spannung folgen wird.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite