Eine Rezension von Hans Wiesner


Ein Schelmenroman in Schwejkscher Manier

Pavel Kohout: Meine Frau und ihr Mann. Eine Beichte.

Aus dem Tschechischen von Karl-Heinz Jähn.

Albrecht Knaus Verlag, München 1998, 284 S.

„Sich in einem naßkalten November um halb vier früh auf der Straße zu finden, ohne die eigene Gattin, ohne Wohnung und gar ohne Kommunistische Partei, welche die versprochene Ewigkeit ohne Vorwarnung auf bloße 41 Jahre verkürzt hatte, und dabei nicht zu verzweifeln, das erforderte schon ein erhebliches Maß von Selbstverleugnung.“ (S.162) So läßt Pavel Kohout, uns bisher bekannt vor allem als Autor ebenso vergnüglicher wie gesellschaftskritischer Theaterstücke, in seinem neuesten Werk, einer Art Schelmenroman in der Tradition des Simplizissimus und des Braven Soldaten Schwejk, den Ich-Erzähler die Wende in seinem persönlichen wie im politischen Leben seines Landes schildern.

Vor einem Feuerwerk politischer Satire, gekonnter Kreuz- und Querschüsse auf Ereignisse der tschechischen Geschichte vor und nach den Umbrüchen von 1948 und 1989 erzählt der 1928 in Prag geborene Kohout, der als einer der Wortführer des Prager Frühlings 1969 aus der KPTsch ausgeschlossen wurde und später gemeinsam mit Václav Havel das Gründungsdokument der Bürgerbewegung „Charta 77“ verfaßte, die Liebes- und Leidensgeschichte eines Antihelden. Es handelt sich dabei um ein geistig wie körperlich nicht allzu bedarftes scheues Muttersöhnchen namens Rosol (zu deutsch: Sülze), der auf einem Betriebsvergnügen die Helikon-Bläserin einer Damenkapelle kennenlernt, sich von ihr erst zu fleißigem Sex verführen, dann zur Ehe zwingen, später aus der Wohnung vertreiben und zum vielfach gehörnten Doofling machen läßt, bis er am Schluß einer Art Geschlechtsumwandlung unterliegt, einen Sohn erwartet und plant, seine treulose Gattin samt anderen unliebsamen Zeitgenossen in die Luft zu sprengen.

Erstaunlich und vergnüglich an dieser „Beichte“, mit welcher Vielfalt an Worten Kohout das Liebesspiel und seine Instrumente zu beschreiben versteht, wobei er vom liebenswürdig Lustigen allmählich ins grob Groteske übergeht. Parallel dazu wandelt sich der politische Hintergrund von der satirisch-kritischen Schilderung realsozialistischer Verhältnisse in die drastisch-düstere Ausmalung eines Nachwende-Kapitalismus, in dem, so Kohout, das „bolschewistische Geschwafel“ über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit durch die „Losung des Tages: Leistung, Expansion und Rentabilität“ ersetzt sei. Was seinen Ausdruck zum Beispiel darin findet, daß das Altenheim, in dem des Ich-Erzählers Eltern wohnen, in ein Luxusbordell umgewandelt wird und die Alten überredet werden, sich zwecks Entsorgung einschläfern zu lassen.

Starker Tobak auch, daß der Verwalter dieses Altenheims, ein Schnell-Wendehals, seinen Namen von Husak in Havel umschreiben läßt und daß an anderer Stelle der Prager Korrespondent einer deutschen Tageszeitung mit der Meldung zitiert wird: „Der Präsident, in seiner Nebenrolle ein Dramatiker, plane der Reihe nach vier Hochzeiten mit vier Starschauspielerinnen aus Frankreich, Polen, wie aus den alten und neuen Bundesländern mit dem Ziel, daß Böhmen wieder über Europa herrsche, nach dem bewährten Muster Kaiser Karls IV., der nur durch seine Eheschließungen mit den Prinzessinnen von Valois, Schweidnitz Pfalz und Pommern das Heilige Römische Reich ohne Krieg schuf, das er ebenfalls von der Prager Burg aus regierte.“ (S.282) Auch der geneigte Leser wird nicht alle diese Anspielungen und Querschüsse politisch korrekt finden, das ganze Buch aber sicher vergnüglich und auf seine Weise zur literarischen und historischen Bildung beitragend.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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