Eine Rezension von Manfred Lemaire


Mit der Queen auf Tuchfühlung

C. C. Benison: Mord auf Sandringham

Ein königlicher Kriminalroman.

Aus dem Amerikanischen von Peter Beyer.

Econ & List Taschenbuch Verlag, Düsseldorf 1998, 406 S.

Dies ist mal ein origineller Krimi: Wir sind eingeladen auf Schloß Sandringham, eine von fünf Hauptresidenzen der englischen Königin, und erleben dort die Verwicklungen um einen Mord, der in unmittelbarer Nähe von Elisabeths Gemächern an einem Bediensteten verübt wird. Eigentlich sind es ja zwei Morde, denn zuvor wurde eine Frau erschlagen, die auf einer Laienbühne die Queen parodiert hatte, und dies ausgerechnet auf königlichem Grund und Boden, in einem zum 20 000-Morgen-Gut Sandringham gehörenden Gemeindehaus. Dorthin war die Queen mit Gästen zwecks Einnahme eines frugalen Jagdessens gekommen, just zu dem Zeitpunkt, da die Leiche der fürwitzigen Laiendarstellerin gefunden wurde. Und ausgerechnet Majestät, noch gut gelaunt und rotbäckig von dem könig-lichen Vergnügen des Tierabschießens an frischer Winterluft, müssen die Doppelgängerin erblicken, die schon seit dem Vortag hinter der Bühne gelegen hat.

An diesen wenigen Einzelheiten läßt sich bereits erkennen, daß hier nach bester englischer Thrillertradition von der Autorin Filigranarbeit geleistet wird, von einer jungen Autorin übrigens, die Kanadierin ist, also einerseits mit dem gehörigen Respekt vor ihrer Monarchin schreiben sollte, andererseits aber mit einer dünn aufgetragenen feinen Ironie berichten möchte, wie sie eine emanzipierte Bürgerin des großen Kanada gegenüber dem in seiner Tradition erstickenden England haben darf. Die Filigranarbeit nun besteht darin, daß eine gerade noch akzeptable Vielzahl von Personen in ein Beziehungsgeflecht gebracht wird, das bis kurz vor dem unvermeidlichen Ende der Geschichte weder den einen noch den anderen oder nur den einzigen Mörder erkennen läßt, sofern es denn keine Mörderinnen sind oder keine Doppelmörderin ist. Alles bleibt offen in dieser Story, deren Diktion sich am klassischen englischen Krimi orientiert und nicht am US-amerikanischen, der ärmer an Personen und reicher an mörderischer Action ist (Ausnahmen bestätigen die Regel). Diese fehlt hier weitestgehend, was kein Nachteil ist.

Die Jungautorin, die schon für einen ähnlich angesiedelten, aber selbstverständlich etwas anders gestrickten Krimi - Mord im Buckingham Palast - verantwortlich zeichnet, schreibt auf erfrischende, ungekünstelte Weise in Ich-Form. Sie ist das bei der Queen angestellte Stubenmädchen Jane aus Kanada. Man merkt, daß sie sich mit der jungen spürnasigen Saubermacherin identifiziert, die offenbar von Morden nach deren Stattfinden magisch angezogen wird und sich dann um deren Aufklärung kümmert - mehr, als es die Polizei tut und erlaubt. Eine pikante Note bekommt das Geschehen dadurch, daß Jane den Untaten zusammen mit der Königin nachgeht, die ihrer kanadischen Untertanin sogar unter Ausschluß der Polizei einen Teil der Aufklärungsarbeit überträgt. Den Knoten entwirren Majestät schließlich höchstderoselbst.

Besonders reizvoll an dem Buch ist die im Zuge des Geschehens vermittelte Bekanntschaft mit einem Teil der königlichen Familie, vor allem mit der Hausherrin „Lilibet“ nebst farblosem Gemahl und Schwester Margaret, genannt Margo, die allerdings durch starken Schnupfen etwas behindert ist. Zum Glück taucht in dem 1996 bei Bantam Books, New York, erstveröffentlichten Krimi die angeheiratete Prinzessin Diana, in Paris verunfallt, nicht auf. Erklärlich - die Queen hat sie nie gern eingeladen.

Die Schilderung der Interna auf Schloß Sandringham besticht durch eine Fülle von Details. Sie lassen vermuten, daß die Autorin sich schon anläßlich ihres Erstlings aus dem Londoner Buckingham Palast gründlich sachkundig gemacht hat. Beispielsweise erfahren wir neben einigem keineswegs erfundenen Familienklatsch auch diverse Feinheiten der höfischen Etikette, die für die Allgemeinbildung unverzichtbar sein dürften und von der Autorin mit unbeweisbarer Ironie ausgebreitet werden. So wird besagte Schwester der Queen keineswegs mit „Ihre Königliche Hoheit“ angeredet wie Elisabeths Ehemann, sondern als Duchess of Windsor mit „Ihre Hoheit“. Dies bringt die Königin ihrem Stubenmädchen Jane sogar eigenmündig bei, eine keineswegs schulmeisterliche Belehrung, sondern gutgemeinte Nachhilfe.

Überhaupt wird Elisabeth II. mit einer gewissen Zuneigung dargestellt, wobei ihr der Hinweis auf Handtasche und Strickjacke nicht erspart bleibt. Die kleinen königlichen Hunde, Elisabeths allgegenwärtige Corgi-Bande, genießen die deutliche Sympathie der Autorin. Neben den versteckten ironischen Untertönen, mit denen der gesamte Hofstaat-Zirkus bedacht wird, läßt unsere junge Autorin auch eine ihrer Figuren (in diesem Fall eine erfundene Person) Klartext reden, einen auf tragische Weise in das Geschehen verstrickten jungen Mann, der mit Mutter und Stiefvater auf Schloß Sandringham zu Gast ist. Den versammelten Hoheiten sagt er respektlos ins Gesicht, „Ihr seid alle ganz schön dumm“, und, zu seiner gräflichen Mutter gewandt, „Ich habe es so satt, daß du mich zu einem von diesen Leuten machen willst ... mit den richtigen Kleidern und richtigen Schuhen und den richtigen Manieren und dem ganzen affektierten Mist.“ Diesen einen Schuß direkter Gesellschaftskritik mußte die Autorin sich wohl gönnen. Die indirekte lugt hinter so mancher Gardine des Schlosses Sandringham hervor. Man liest es schmunzelnd und, wie gesagt, mit Bildungsgewinn.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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