Eine Rezension von Sven Sagé


Arndts Abenteuer

Hanns-Bruno Kammertöns: Der letzte Krupp. Arndt von Bohlen und Halbach.

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1998, 288 S.

Fangen wir mit dem Gegenpart an. Mit Herrn Marx, der Herrn Krupps Philosophie Paroli bot. Die Altersgenossen Alfred Krupp und Karl Marx waren Fleißarbeiter. Auf seine Weise huldigte jeder der Welt der Arbeit, während bereits der abtrünnige Schwiegersohn von Marx, Paul Lafargue, das „Lob der Freiheit“ propagierte. Ein meisterlicher Faulenzer war der Letzte der Krupp-Dynastie. Sein Name war Arndt. So hieß auch der erste Krupp, der sich 1587 in das Essener Handelsregister eintragen ließ. Für die Presse war Arndt von Bohlen und Halbach (1938-1986), der auf das Krupp-Erbe verzichtete, der „reichste Rentner Deutschlands“. Für die Leser der bunten Blätter war der Schwule ein armes Schwein. Mit der Floskel „Wenn je ein Leben einsam war, dann dieses“ wird nun versucht, für Hanns-Bruno Kammertöns Buch Der letzte Krupp Aufmerksamkeit zu wecken.

Wer war Arndt von Bohlen und Halbach? Wie und was war sein Leben? War der Schöne nicht ein Häßlicher? War der Kluge nicht ein Dummer? War der Reiche nicht ein Armer? Wer will’s wissen? Dem Autor ist nicht zu unterstellen, daß er das nicht genauer wissen wollte. Ihm ist zu unterstellen, daß er mehr über den letzten Krupp weiß, als er ausplaudert. Was von einer Person sagen, deren größte „Leistung“ ein nicht glänzend gelungener Abgang war. Was für ein Bild von einem Mann malen, den der Krupp-Bevollmächtigte Berthold Beitz als „nicht leistungsbereit“ bezeichnete? Schweigen? Die Chance hat Kammertöns vertan. Ebenso die Chance, das Protokoll der Psyche eines Lebens-Geprellten zu verfassen. Verpaßt ist auch die Chance, eine Geschichte des Triumphs des Nichtstuns über das Tun zu schreiben. Wer sich die Geschichte des letzten Krupp gefallenläßt, bekommt eine kurzgefaßte Krupp-Chronik und Arndt-Biographie. Mit Enthüllungen hat die Publikation nichts am Hut, obwohl sie stilistisch oft nahe am Enthüllungs-Journalismus ist. Das Fazit zum Leben des Arndt von Bohlen und Halbach lautet: „Er muß es... toll getrieben haben.“ Besser wäre es gewesen, Hanns-Bruno Kammertöns hätte häufiger genauer beschrieben, was das tolle Treiben des Verwöhnten ausmachte. Sicher ist, es gab nicht genug Tolles zu berichten, daß es für ein tolles Buch gereicht hätte. Arndts Abenteuer sind was fürs Theater. Castorf, Kresnick, Schlingensief, bitte melden!


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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